DIE FLEDERMAUS

Aktuelle Spielpläne
Forum
Opernführer
Chronik
Home

Staatsoper
31.12.2014

Dirigent: Patrick Lange

Gabriel von Eisenstein - Adrian Eröd
Rosalinde - Juliane Banse
Adele – Daniela Fally
Ida - Annika Gerhards
Alfred - Norbert Ernst
Dr. Falke - Clemens Unterreiner
Frank – Alfred Sramek
Prinz Orlofsky -Elisabeth Kulman
Iwan - Csaba Markovits
Dr. Blind - Peter Jelosits
Frosch -
Peter Simonischek
Stargast: Piotr Beczala


„Amüsantes Ritual“

(Dominik Troger)

Wer beim Übergang vom alten in das neue Jahr amüsante Beständigkeit sucht, der pilgert zur Silvester-„Fledermaus“ – sei es in der Staats- oder in der Volksoper. Diesmal war die Staatsoper an der Reihe: Und dort lockte zudem mit Piotr Beczala ein operettensinniger Stargast, der das Fest beim Prinzen Orlofsky in passender Weise „aufputzen“ würde.

Natürlich ist der Frosch die Hauptperson in der „Fledermaus“. Wenn der Amtsdiener seine Kalauer auspackt und das „nichts, würdiger Herr Direktor, nichts“ ganz ohne Komma „tituliert“, dann kann das Publikum an dieser jährlich wiederholten Pointe die subalterne Subversivität ablesen, die dem gemeinen Volk schon unter den Zeiten des k.k. Franz-Josef über die Runden geholfen hat. Frosch ist als Personifizierung des österreichischen Schlendrian zwar ein b‘soffener Unsympathler, aber doch mit einer „Naturphilosophie“ gesegnet, die ihn zwischen Amtsschimmel und niederen Lebensumständen kommod zurechtkommen lässt.

Der Frosch des Peter Simonischek stammte hörbar aus der Provinz und hat den Wusch nach Hochprozentigem sprachlich mit etwas steirischem Kernöl unterlegt – ein aus der Grazer Gegend nach Wien verschlagener Mann, dessen alkoholmalträtiertes Hirn nicht das schnellste beim Pointenschieben ist. Simonischeks Frosch zeigte nicht den verkappten nestroy’schen Intellektuellen (wie sein Kollege vom Währinger Gürtel), sondern ruhte gewissermaßen in sich selbst: ein verlotterter Planet, der langsam, aber beharrlich, um den Planeten Slivovitz kreist und den die Wärme einer ärarischen Amststube leicht schläfrig gemacht hat. Umso erschreckender ist es für diesen Menschen, als er vermeint, das Amt wäre zugemauert worden, weil er statt der Türe den Kasten als Ausgang erwischt hat. Es gibt kaum eine Theaterszene, in der das absurd-paranoide Wesen österreichischer Existenz deutlicher zum Ausdruck kommt.

Nicht unerwähnt soll bleiben, dass Simonischek auch Österreichs „ominösesten“ Opernfan mit einer Pointe bedacht hat: Hannes Kartnig, den ehemals schillernden Society-Löwen und Präsidenten von Sturm Graz, den keine Fußfessel und keine Haftandrohung daran hindern konnten, unlängst einer „Tosca“-Premiere am Grazer Opernhaus beizuwohnen. Augenscheinlich hat Kartnig in Folge aber keinen Opernliebhaber als Richter gefunden. Auch das Modewort „situationselastisch" wurde im Laufe der Frosch'schen Sentenzen eingeflochten und das typisch österreichische Rauchverbot aufs Korn genommen.

Adrian Eröd gab sein Eisenstein-Debüt am Haus: ein Eisenstein voll schlanker Beweglichkeit, rasender Durchtriebenheit und Eifersucht, von einer ganz und gar nicht gemütlichen Unterhaltunglust angetrieben – und deshalb sehr zeitgemäß anmutend. Im ersten Akt legte er – von Dr. Falke (Clemens Unterreiner) assistiert – einen Kopf- oder Handstand ein (wegen einer Lampe an der Brüstung sah ich nur die aufragenden Beine), und zeigte dermaßen deutlich an, dass ihm durchaus danach ist, das Maß seiner Begierden nicht nach den moralischen Grundsätzen eines Ehemannes auszurichten. Eröds Bariton gab dem Eisenstein mehr Charakter als erotisches Knistern, ein gelenker Schürzenjäger, der die Finte braucht und sich nicht auf virile Klischees verlässt. Dieses sehr gut auf Eröds Erscheinungsbild und Stimmfarbe abgestimmte Rollenporträt war von einer Doppelbödigkeit, die das „Wein, Weib und Gesang“ des operettenhaften Frohsinns unterminierte.

Ebenfalls mit Rollendebüt am Haus stellte sich Juliane Banse dem Publikum als blaue Buche, gelbe Eiche, rosa Linde vor. Sie spielte die Partie mit im Laufe des Abends zunehmender Keckheit und Schwung. Leider weckte Banses Sopran keine Operettenseligkeit, klang sehr abgeblüht, in der Höhe stark forciert und flackrig. Der schon genannte Clemens Unterreiner war als falkenhafte „Fledermaus“ von gewohnt starker Bühnenpräsenz – und weil er die Kunst der wienerischen Übertreibung und des charmanten Schmähführens beherrscht, ist er dafür prädestiniert, mit Freund Eisenstein durch „Dick und Dünn“ zu gehen.

Norbert Ernst war ein witziger Alfred, der seinen Tenor mit Outrage auf diverse fachfremde Opernzitate hintrimmte und zum Auftritt kurz mal den „Rigoletto“-Herzog anklingen ließ – in Anbetracht der vorweihnachtlichen „Rigoletto“-Premiere an der Staatsoper ein Zitat von zweifelhaftem Erinnerungswert. Ernst besitzt – wie Eröd, wie Unterreiner, diese unbezahlbare Fähigkeit, auf der Bühne mit Spielwitz und Energie das Publikum mitreißen zu können – und dazu gehört natürlich auch Daniela Fally, die als „Stubenmadl vom Lande“ trefflich besetzt war und authentischen Humor und Koloratur einzubringen vermochte.

Glanzvoll geriet das Fest beim Prinzen Orlofsky: Elisabeth Kulman verbreitete nach ihrer Auszeit entspannte Spiel- und Singlaune, mit blendendem, burschikosen Aussehen, und mit ihrer Sprachfertigkeit hat sie dem russischen Prinzen ein besonders glaubwürdiges Profil verpasst. Als Ehregast sang Piotr Beczala zuerst das an diesem Abend nicht wirklich zündende „Di tu se fedele“ aus Verdis „Maskenball“, um danach mit „Mein ist dein ganzes Herz“ das Publikum erfolgreich zu becircen.

Gibt es etwas Authentischeres als einen „Mistelbacher“, der sich in Wien als Gefängnisdirektor verdingt? Und damit ist schon alles über Alfred Srameks Frank gesagt. Sramek gehört in dieser Partie zum Staatsopern-Inventar (nicht nur in dieser). Da rutschten sogar den hochseriösen Musikern im Orchestergraben ein paar Lacher aus (die sich von Frosch an diesem Abend anhören mussten, dass sie hin und wieder ein Schläfchen im Graben halten genauso wie er selbst).

Als stotternder Dr. Blind verbreitete Peter Jelosits viel Spass, und Annika Gerhards (Ida) wird, so sie länger in Wien weilen sollte, gewiss noch von den hiesigen Lebens- und Sprachzuständen korrumpiert werden. Gerhards als Ida war in der Staatsopern-„Fledermaus“ noch nie da – und durfte deshalb ein Rollendebüt am Haus verbuchen. Patrick Lange, Dirigenten des Abends, seien zur künstlerischen Abrundung noch ein paar musikkundlerische Abstecher in die Wiener Ballsaison empfohlen, die Ouvertüre hatte ein bisserl wenig tänzerischen Esprit, aber mit der Zeit regulierte sich das alles sozusagen von selbst.

Gefallen hat es auch dem netten jungen Gast aus Asien neben mir. Er hat sich dank Untertitelungsanlage köstlich amüsiert. Der Abend dauerte inklusive längerem, frohgemutem Schlussapplaus bis nach dreiviertel Elf.