„Begehrte
Königstochter“
(Dominik Troger)
Wenn
es um die Liebe geht, werden sogar Götter schwach. Der Flussgott Acheloo
hat sich in die Königstochter Deianira verschaut – aber diese
würde sich lieber mit Herkules vermählen. Die Lösung des Problems: Sie
lässt die beiden um sich kämpfen.
Für
die erste konzertante Opernaufführung der Saison hat die neue Intendanz
des Theaters an der Wien ein „Divertimento drammatico“
von Agostino Steffani ausgewählt: „La lotta d’Ercole con
Acheloo“. Steffani hat es 1689 für den Kurfürsten von Hannover
komponiert, der sich ein neues Hoftheater gegönnt hat. Das Werk dauert
rund eineinhalb Stunden und lässt nur vier Personen zu Gesang kommen.
Eneo, König und Vater, seine Tochter Deianira, den Flussgott Acheloo
und natürlich Herkules, der hier unter seinem früheren Namen Alcide
„firmiert“.
Steffani (1654-1728) fristete bis zu seiner Wiederentdeckung durch Cecilia
Bartoli vor zehn Jahren ein mehr auf die Musikhistorie beschränktes
Dasein, wobei sein Leben als Mann der Kirche, der es bis zum Titularbischof
brachte, Diplomat und Komponist, an sich schon schillernd genug ist.
Steffani ist außerdem ein wichtiges Bindeglied zu Georg Friedrich Händel.
In „La lotta d’Ercole con Acheloo“ verknüpft Steffani
italienische und französische Einflüsse, wie die in die Handlung integrierten
Ballettmusiken zeigen. Die Oper besteht aus drei Teilen. Im ersten wird
die Vorgeschichte des Konfliktes erzählt, im zweiten wird Eneo und Deianira
klar, dass es mit Acheloo und Alcide zwei Freier gibt, wobei die Tochter
Alcide präferiert, im dritten kommt es zum Kampf zwischen den beiden
Liebhabern. Nach dem Sieg von Alcide macht sich der unterlegene Flussgott
nach einer klagenden Arie („Cedo
Vinto“) davon und das richtige Paar bleibt zurück.
Steffani bietet dem Publikum abwechslunsgreiche, ausgesprochen hübsche
Musik. Die virtuose Arie „La
Cerasta più terribile“ hat sogar Cecilia Bartoli aufgenommen,
in ihr lässt Alcide seine ganze Wut über Acheloo aus. Besonders reizvoll
ist Deianiras „Idol mio dove
t’aggiri?“ mit Soloviolinbegleitung in der ihre Liebessehnsucht
zwischen Stimme und Instrument zu klagender Wehmut gerinnt. Sehr
hübsch auch das kurze flötenbegleitete „Cara
dolce speranza“ im ersten Teil, in dem die Königstochter
bukolisch ihren Liebeshoffnungen Ausdruck verleiht. Gegen Ende des ersten
Teils wird sich der Flussgott mit „Ferma
Costanza“ in Hoffnungen wiegen und seine Arie wird in ein
wogendes Ballett der Najaden überleiten, ehe dann Alcide auftaucht
und ganz eifersüchtig wird – aber sein „La
Cerasta più terribile“ wurde schon erwähnt. Stefafni hat
auch reizvolle Duette in sein „Divertimento drammatico“
eingebaut.
Die konzertante Aufführung versammelte eine sehr gutes Ensemble in
der Halle E des Museumsquartiers, dem Ausweichquartier des Theaters
an der Wien:
Anna Prohaska als Deianira,
den Mezzo Sonja Runje als Acheloo,
sowie die Countertenöre Xavier Sabata
und Philipp Mathmann.
Anna Prohaska machte die verliebte Königstochter zum Zentrum des Abends,
ganz im Sinne der Geschichte. Steffani hat die Partie am reichlichsten
mit Musik bedacht. Prohaskas Sopran zeigte sich in der Höhe ein wenig
spröde, aber die Partie lag ihr bis auf wenige Passagen recht gut in
der Kehle.
An Bartolis vokalem Feuerwerk durfte man Philipp Mathmann nicht messen,
der mit seinem sopranstimmingen Countertenor stilistisch mehr seinem
Namensvetter Philippe Jaroussky nacheiferte, zu einer feineren lyrischen
Exegese tendierend. Aber Steffani hat Alcide auch genug zum Schmachten
komponiert. Wobei natürlich wieder die Hallenakustik ins Spiel kam.
Weiter hinten hört man das Orchester zwar gut, aber die schnellen Läufe
der Sänger verwischen leicht und man spürt dann doch die Distanz zur
Bühne. Sonja Runje hinterließ als Acheloo einen sehr guten Eindruck
und Xavier Sabata verhalf dem König mit seinem lyrischen Countertenor
zu einer angenehmen Präsenz. Rubén
Dubrovsky stand am Pult des belebt aufspielenden Barockensembles
Bach Consort Wien. Es spricht für alle Beteiligten, dass es trotz der
nicht idealen Rahmenbedingungen gelang, das Publikum mitzunehmen, das
sich mit starkem Schlussbeifall bedankte. Die Aufführung war sehr gut
besucht.
PS: Das Programmheft enthält kein Libretto – unter der alten Intendanz
war das Libretto in Originalsprache plus Übersetzung abgedruckt –
und keine biographischen Details zu den Ausführenden.
PPS: Wenn man bei einem der beiden Stiegenaufgänge sitzt und Pech hat,
dann wird man die ganze Aufführung lang von einem kleinen Scheinwerfer
geblendet, der die Stufen beleuchtet, damit niemand hinunterfällt. Könnte
man die Scheinwerfer nicht so montieren, dass sie sich im Rücken des
Publikums befinden? Oder muss man sich vorsichtshalber eine Schirmkappe
als Blendschutz mitnehmen?