VOICE KILLER

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Theater an der Wien
13.6.2025
Uraufführung

Musikalische Leitung: Finnegan Downie Dear

Inszenierung: Cordula Däuper
Bühne: Friedrich Eggert
Kostüm: Sophie du Vinage
Licht: Franz Tscheck

Klangforum Wien
Arnold Schönberg Chor

Private - Seth Carico
Gallo - Julian Hubbard
Ivy / McGuffie - Caroline Wettergreen
Pauline / Military Coip - Holly Flack
Gladys - Nadja Stefanoff
Provost / Pappa - Stephan Loges
Momma - Jacqueline Macaulay

„Drei Morde zu viel
(Dominik Troger)

Das Saisonende naht. Im Theater an der Wien hat man alle Kräfte noch einmal für eine szenische Uraufführung gebündelt: „Voice Killer“, eine Oper von Miroslav Srnka auf ein Libretto von Tom Holloway. Der Ersteindruck: lange, pausenlose eindreiviertel Stunden.

Im Mai 1942 hat ein in Melbourne stationierter US-Soldat innerhalb von drei Wochen drei Frauenmorde begangen. Dann wurde er festgenommen, abgeurteilt und im November desselben Jahres hingerichtet. In Australien haben diese Morde zwar viel Aufsehen erregt, aber warum sollte man diesen Kriminalfall zum Inhalt einer Oper machen? In einem Einvernahmeprotokoll, das im Programmheft abgelichtet ist, hat der Mörder als Tatmotiv für einen der Morde angegeben: „She had a lovely voice. I wanted that voice.“ Womöglich ist diese Aussage die Keimzelle für die Oper „Voice Killer“.

Die Handlung dreht sich im Wesentlichen um die drei Morde. Sie werden linear erzählt. Dem ersten und dem zweiten wird viel Platz eingeräumt, der dritte Mord geht gleich in die Hinrichtung über – und flugs hängt der Täter am Strick und baumelt mitten auf der Bühne vom Schnürboden. Aber das ist nur eine Handlungsebene. Nach dem ersten und dem zweiten Mord wird je eine Rückblende in die desolate Kindheit des Täters eingeschoben, die von einer starken Beziehung zu seiner alkoholkranken Mutter geprägt war. Das Libretto legt nahe, dass er bei seinen Opfern den Stimmklang seiner Mutter gesucht hat, als Vergegenwärtigung mütterlicher Geborgenheit.

Doch das Anliegen der Oper ist es eigentlich, die drei Mordopfer aus ihrer Anonymität zu befreien. Deshalb bleibt der Name des Täters im Libretto ausgespart, er wird nur „Private“ genannt.  Hingegen sollen die Opfer in ihrer Individualität greifbarer werden. Die  Inszenierung  lässt drei Frauen deshalb schon am Beginn in einem Melbourner Museum auftreten, zeigt wie sie zu diesem Fall recherchieren, und wie sie die Morde im Rückblick erleben – wobei ihre Identitäten mit denen der Opfer zu verschmelzen scheinen.

Nach einem etwas seltsamen Beginn, in dem der Täter von 40 rückwärts zählt und dabei wie irr vor sich hinkichert, werden die drei Mordopfer der  Reihe nach beim Telefonieren gezeigt, um für das Publikum über die Telefongespräche ein wenig ihr Lebensumfeld abzustecken. Dann folgen die Morde – und im Finale darf des Mörders Mutter (eine Sprechrolle) in einem Monolog noch einmal den drei Opfern Gehör verschaffen, und sie prophezeit, dass die getöteten Frauen im Gegensatz zu ihrem Mörder in Vergessenheit geraten werden.

Die sich überlagernden Zeitebene machten es nicht immer einfach, der Handlung zu folgen, auch wenn die Regie viel mit Projektionen gearbeitet hat, die Informationen zum Inhalt wie dokumentarische Hinweise geben – bis hin zu Ausschnitten aus alten Tageszeitungen. Das Bühnenbild wurde sehr flexibel gehandhabt, an der Seite vorne Teile des Museums, die die ganze Aufführung dieselben bleiben. Die übrige Bühne wurde rasch an die Szenen angepasst, mit einfachen Elementen – eine rote Telefonzelle etwa, ein Feldbett, eine Haltestelle, wo der erste Mord passiert, das Portal eines Hauseingangs für den zweiten Mord usf. Diese Szenenwechsel waren sehr praktikabel eingerichtet.

Weniger praktikabel war die musikalische Seite, eine etwas spröde „Klang-Tapete“ von metallischem Flirren bis zum „Plopp“ von gebogenen Plastikfolien, als eine Ansammlung von Klängen und Geräuschen, die mehr für ein atmosphärisches, kollektives Hintergrundrauschen sorgten, und die nur selten das Bühnengeschehen „befeuerten“ wie etwa beim mit Chor unterfütterten Soldatenbesäufnis, das dem zweiten Mord vorangeht.
Das Orchester baut auf einen Streicherkern und ergänzt eine Bläsergruppe (ohne Oboe und Fagott) noch mit Klavier, Vibraphon, zwei Marimbas und zwei Akkordeons sowie weiteren Mitteln zur Klangerzeugung. Aber kaum, dass sich ein Instrument einmal in den Vordergrund drängt, es entsteht eher der Eindruck einer glatten oder raueren musikalischen Textur, die sich subtilen Veränderungen unterwirft, die mehr intellektueller, als emotionaler Natur sind.

Außerdem waren sich die Opfer von der Stimmlage zu ähnlich, um für das Publikum deutlich ihre  individuellen Charaktere zu zeigen: drei Soprane, wovon sowohl Caroline Wettergreen (Ivy) als auch Holly Flack (Pauline) bereits erfolgreich an der Staatsoper in zeitgenössischen Opern zu teils koloraturgespickten gesanglichen Höhenflügen angetreten sind. Vor allem Pauline hatte sich exponiertest gesanglich abzuarbeiten. Nadja Stefanoff war als Gladys weniger „extrem“ konturiert, sogar mit einen Hauch von „Sinnlichkeit“ ausgestattet.

Der Private wurde von Seth Carico dargestellt und gesungen – sehr expressiv, gleich am Beginn mit diesem Kichern an der Grenze zum Wahnsinn: eine beeindruckende künstlerische Leistung. Trotzdem schwebte schon nach dem ersten Mord die Frage groß im Raum, warum diesem noch zwei weitere folgen sollen? Das Ensemble war insgesamt ganz auf die Produktion eingeschworen und agierte überzeugend und einsatzfreudig. Das Klangforum Wien unter der Leitung von Finnegan Downie Dear war für diese Art von Musiktheater natürlich der ultimative Klangkörper, ebenso flexibel der Arnold Schönberg Chor.

Nur wenige Besucher verließen die Vorstellung vorzeitig. Das Theater an der Wien war für eine Premiere aber schlecht besucht, auf den oberen Rängen sind viele Plätze leer geblieben. Der positive Schlussapplaus war stark und dauerte sieben oder acht Minuten lang. Am Beginn der Vorstellung hat Intendant Stefan Herheim wegen der Ereignisse in Graz zu einer Gedenkminute gebeten, die Premierenfeier wurde abgesagt.

Weitere Aufführungen dieses Auftragswerks des
MusikTheaters an der Wien folgen am 16., 18., 20. und 23. Juni jeweils um 19 Uhr. Für die Folgevorstellungen gibt es noch jede Menge an Karten. Das englische Libretto (inkl. deutscher Übersetzung) ist dankenswerter Weise Teil des Programmheftes.