LA VESTALE
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Theater an der Wien
16. November 2019
Premiere

Dirigent: Bertrand de Billy


Inszenierung: Johannes Erath
Bühne: Katrin Connan
Kostüm: Jorge Jara
Video: Bibi Abel
Licht: Bernd Purkrabek

Wiener Symphoniker

Arnold Schoenberg Chor

Julia, jeune Vestale - Elza van den Heever
Licinius - Michael Spyres
La Grande Vestale - Claudia Mahnke
Cinna - Sébastien Guèze
Le Souverain Pontife - Franz-Josef Selig
Le Chef des Aruspices - Dumitru Madarasan
Un consul- Ivan Zinoviev


„Ein unerquicklicher Premierenabend

(Dominik Troger)

Das Theater an der Wien hat sich einer Opernrarität besonnen, die gut in den Kontext des aufziehenden „Beethoven“-Jahres passt: Gaspare Spontinis „La vestale“ wurde 1807 in Paris uraufgeführt. Das Werk hat damals viel Furore gemacht und war ein wichtiger Markstein für die nachfolgende Komponistengeneration.

Spontini hat mit dieser Oper u. a. Rossini, Bellini, Wagner und die Entwicklung der „grand opéra“ beeinflusst und musikalisch die Brücke vom Klassizismus zur Romantik gespannt. Die Handlung von „La vestale“ dreht sich um die Liebe zwischen der jungen Vestalin Julia und dem römischen Feldherrn Licinius. Julia muss als Vestapriesterin keusch bleiben, aber die Liebe hält sich nicht an solche Gebote. Als sie aus Strafe eingemauert werden soll, wird sie durch ein göttliches Zeichen gerettet – individuelle Liebe hat über das staatliche Gesetz gesiegt.

So einfach die Handlung, so undurchschaubar die szenische Umsetzung im Theater an der Wien. Das Regieteam um Johannes Erath spannte „La vestale“ auf ein Folterbett von Witzchen und darstellerisch unbewältigtem Pathos, garniert mit dem Hinweis auf verschiedene Zeitebenen und hinzugefügten Handlungselementen. Symbole des alten Roms – vom ausgestopften Raubvogel bis zum Helm – religiöse Versatzstücke aus dem katholischen Umfeld (der Altar der Vesta als überlebensgroße Madonnenfigur) und Merkmale der Populärkultur (etwa Jahrmarktslichter oder der ausgelassene und entsprechend „hippig“ kostümierte Chor im Finale) vermischten sich mit den pantomimisch inszenierten Ballettmusiken zu einem, vom Schreiber dieser Zeilen nur mehr mit ungläubigem Staunen wahrgenommenen Panoptikum zeitgenössischer Opernregie.

Erath und sein Team haben sogar die familiäre Situation des Oberpriesters beäugt, der sich dabei als schmieriger alter Widerling entpuppt, haben bei Spontini sexuell genötigte Vestalinnen entdeckt, haben in Cinna den Sportsgeist der alten Römer aufgezeigt, der einen Abend lang mit Turngeräten bis zum „Pferd“ (Ist das nicht ein „subtiles“ Witzchen?) das Publikum unterhalten darf. Immerhin hat es sogar Bertrand de Billy, der Dirigent der Produktion, für „wahnsinnig“ (!) gut befunden, dass „Cinna auf der Bühne die ganze Zeit Sport macht“ (siehe Interview im Programmheft). Was soll man bei solcher Fürsprache als unbedarfter Opernliebhaber also noch gegen diese Inszenierung einwenden?

Die Drehbühne wurde vor allem im ersten Akt viel genützt, zuerst einen weißen Kubus zeigend, der sich im zweiten Akt als Inneres des Vestatempels offenbarte: die große Madonnenstatue mitten im Wasser (!) stehend, davor eine liegende nackte Frau. Im dritten Akt entpuppt sich die Madonnenstatue als raffiniertes Hinrichtungsinstrument, das aber – den Göttern sei es gedankt – nicht zum Einsatz kommt.

Die Darstellerin der Julia war das eigentliche Opfer dieser Regie: ein unvorteilhaftes Kostüm, eine seltsame Schminkszene am Beginn des dritten Aktes, die ihre Gesichtszüge grotesk ausgestaltete, der absurde Ringkampf mit einem ausgestopften Raubvogel etc. Elza van der Heever wirkte auf mich den ganzen Abend lang nicht wirklich in der Rolle stehend, bemüht, aber ausdrucksarm – und ihr in der Mittellage einförmiger, insgesamt etwas flackrige Sopran hat den Eindruck nur noch verstärkt.

Michael Spyres wurde als Licinius in einer Partie aufgeboten, in der er seine tenoralen Stärken gar nicht ausspielen konnte. Franz-Josef Selig gab einen stimmlich nicht mehr ganz frisch wirkenden Le Souverain Pontife, den er aber so abstoßend spielte, wie von der Regie gewünscht, und Claudia Mahnke hätte als La Grande Vestale, im ersten Akt mit Reitpeitsche (!) auftretend, eine profundere Tiefe nicht geschadet. Der Cinna von Sebastian Guèze fiel vor allem wegen seiner unermüdlichen Körperertüchtigung auf.

Das resche, vorwärtsstrebende Dirigat von Bertrand de Billy hat überraschend wenig Spannung erzeugt und das Klangbild der Wiener Symphoniker hat man auch schon „farbenreicher“ gehört. Am Schluss gab es Bravo- und Buhrufe für einen insgesamt zähen und wenig erquicklichen Wiederbelebungsversuch.

Fazit: Ob man von dieser Vorstellung auf das Werk schließen darf? Mehr Striche hätten nicht geschadet (die Spieldauer lag inkl. einer Pause bei drei Stunden) – und wahrscheinlich wäre eine konzertante Aufführung ohnehin die bessere Option gewesen.