DIE VERKAUFTE BRAUT
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Volksoper
17. Februar 2013
Premiere

Musikalische Leitung: Enrico Dovico

Inszenierung: Helmut Baumann
Bühnenbild: Mathias Fischer-Dieskau
Kostüme: Ingrid Erb
Choreographie: Bohdana Szivacz

Kruschina - Michael Kraus
Ludmilla -
Regula Rosin
Marie -
Caroline Melzer
Micha -
Andreas Mitschke
Hata -
Alexandra Kloose
Wenzel - Jeffrey Treganza
Hans - Matthias Klink
Kezal - Martin Winkler
Zirkusdirektor - Boris Eder
Esmeralda - Anita Götz
Muff, „Indianer" - Mamuka Nikolaishvili


Sozialkritik oder Komische Oper?“
(Dominik Troger)

Knappe acht Jahre sind seit der letzten Neuproduktion von Bedrick Smetanas „Die verkaufte Braut“ an der Volksoper vergangen. Damals zierte als Einheitsbühnenbild ein Turnsaal (!) die Bühne, diesmal ist es eine optisch steril wirkende Scheune.

Dieses Bühnenbild ist zweckmäßig, weil es viel Spielfläche bietet, und bis auf einige Bänke und Tische kaum an Requisiten bedarf. Aber die ganze Konstruktion samt ihrer sparsamen Einrichtung „riecht“ nicht nach Heu und Holz, sondern nach pflegeleichtem Plastik. Auch die Kostüme tragen nichts zur Belebung der Optik bei, sind die Dorfbewohner doch schwarz gewandet und graubekittelt. Und bis zur Pause erweist sich diese „farblose“ Ausstattung als ausgesprochener „Stimmungskiller“. Erst die Zirkusgesellschaft im dritten Akt bringt etwas Schwung in die „Bude“.

Smetana wandelte mit der "Verkauften Braut" in den Fußstapfen des deutschen Singspiels, augenzwinkernd und liebevoll hat er die Oper arrangiert, mit folkloristischem Gespür für die Volkstümlichkeit seiner slawischen Heimat. Die Grenze zwischen „volkstümlich“ und „volksdümmlich“ ist natürlich fließend – und man kann die Komik auch übertreiben. Aber wenn sich eine Neuinszenierung darauf prinzipiell nicht einlassen möchte, dann gerät die Glaubwürdigkeit dieser Oper rasch in Gefahr, und zwischen Musik und Bühne kann sich ein unbefriedigender Zwiespalt auftun. So fiel bei dieser Neuproduktion auf, dass das Landvolk in seinem Gehabe schon etwas verbürgerlicht war, und dass ihm durch die stark abstrahierende Ausstattung das bäuerlich-bodenständige Substrat entzogen wurde: An die Stelle behutsamer oder deftigerer Komik drängten sich die Psychologie und die Sozialkritik.

Ein gutes Beispiel gab der stotternde Wenzel ab: Sein Stottern wurde als pathologische Störung inszeniert, ausgelöst durch eine gluckenhafte Mutter. Im Programmheft äußerte Regisseur Helmut Baumann diesbezüglich: „Wir haben darauf verzichtet, dass man sich auf Wenzels Kosten amüsiert. Wir haben versucht, diese Figur ernst zu nehmen.“ Überhaupt haben Baumann, wie er in diesem Interview erläutert, nicht die lustigen, fröhlich feiernden Menschen interessiert, sondern die „ernsthafte und fast tragische Geschichte voller Missverständnisse und Egoismen“, die sich im Hintergrund abspielt.

Dadurch verlor sich aber die Wirkung des „Komischen“, und das erklärt, warum Chor und Tänzer immer wieder mit unterschwelliger Aggression agierten: Baumann vermied sowohl das ländliche „Trachten-Idyll" als auch eine vermeintliche Komik, die ein biederes Landvolk bei einem bürgerlichen Publikum hätte auslösen können. Er wollte zeigen, was da wirklich los war, welchem sozialen Druck Hans und Marie standhalten mussten. Vielleicht wäre das ja ein Ansporn für das Publikum, um über die Stellung von Außenseitern in der Gesellschaft nachzudenken?

Aber Baumann ging diesen Weg nicht konsequent genug. Seine Ambitionen verloren sich in der Riesenscheune und zurück blieb eine Aufführung, die weder besonders komisch noch besonders interessant war. Vielleicht war ihm (und der Direktion) das Risiko zu groß gewesen? Die Vorgängerinszenierung, bei der die Handlung deutlich modernisiert wurde, hat sich schon bei der Premiere als Missgriff erwiesen. So beließ Baumann die Handlungszeit vor dem Ersten Weltkrieg, zielte aber mit seiner Aussage und seiner Personenregie schon viel tiefer ins 20. Jahrhundert hinein. Auch das ging also nicht zusammen.

Musikalisch geriet der Abend einigermaßen. Matthias Klink spielte im ersten Akt eine Indisposition böse Streiche bei einigen Spitzentönen. Er wurde in der Pause von Direktor Meyer angesagt: Klink habe wegen der Erkrankung der Zweitbesetzung eine anstrengende Probenzeit hinter sich.

Caroline Melzers Marie wirkte wie ein „deutsches Bürgermädchen“, selbstbewusst, fast kratzbürstig. Ihre Stimme flackerte etwas und klang den ganzen Abend lang forciert. Sie sang energiegeladen, fast pathetisch, der Charme und die Liebenswürdigkeit der Rolle blieben dabei auf der Strecke. Das einfache Bauernmädchen, das ganz natürlich und mit gesundem Menschenverstand seine Probleme löst, war hier schwer zu entdecken.

Diese „Anschärfung“ der Charaktere zeigte sich stark bei der Figur des Kecal. Martin Winkler war weit von einem gemütlichen „Buffo-Bass“ entfernt, der schlitzohrig seine Geschäfte macht. Er tendierte zu einem knallharten Verkäufer, der mehr mit Drohungen erreicht, als mit Bauernschläue. Viel Humor verbreitete dieser Kecal nicht, und das stereotype Schnapsausschenken aus dem doppelten Boden seiner Aktentasche verlor rasch an Witz. Doch wenn Winkler auch in der Basstiefe nicht so profund auftrumpfte, er war zusammen mit der intensiven Marie der Caroline Melzer die bühnenbeherrschende Figur.

Jeffrey Treganza musste „Wenzel-Stottern“. Er spielte und sang sehr seriös und sehr analytisch: eine ausgezeichnete Fallstudie, die Mitgefühl erweckte.

Die Zirkusgesellschaft wurde von einem sich sehr resolut gebenden Direktor (Boris Eder) angeführt, Akrobaten und eine kokette Esmeralda (Anita Götz) belebten die Szene. Das tat dem dritten Akt sehr gut und brachte eine frische Brise in die langweilige Bühnenscheune. Das übrige Ensemble, Chor und Tänzer fügten sich gut in die Aufführung. Gesungen wurde in deutscher Sprache, Übersetzung von Kurt Honolka.

Das Orchester unter Enrico Dovico begann grobschlächtig, fand dann aber zu einem ansprechenden, flotten Vortrag, der hin und wieder etwas knallig geriet. Aus dem Orchestergraben hörte man, was man auf der Bühne hätte sehen können.

Das Publikum blieb beim Schlussbeifall der Regie gegenüber ziemlich neutral (keine Buhrufe) und bedachte die Ausführenden mit einigem Jubel – bei einer Applauslänge von knapp unter zehn Minuten.