LADY MACBETH VON MZENSK

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Staatsoper
29. April 2017

Dirigent: Ingo Metzmacher


Boris - Wolfgang Bankl
Sinowi - Carlos Osuna
Katerina - Eva-Maria Westbrock
Sergej - Brandon Jovanovich
Axinja - Rosie Aldrige
Schäbiger - Herwig Pecoraro
Verwalter - Hans Peter Kammerer
Hausknecht - Manuel Walser
1. Vorarbeiter - Gerhard Reiterer
2. Vorarbeiter - Thomas Köber
3. Vorarbeiter - Martin Müller
Mühlenarbeiter - Michael Wilder
Kutscher - Oleg Zalytskiy
Pope - Jongmin Park
Polizeichef - Clemens Unterreiner
Lehrer -
Peter Jelosits
Betrunkener Gast - Franz Gruber
Sergeant - Oleg Savran
Sonjetka - Zoryana Kushpler
Alter Zwangsarbeiter - Ayk Martirossian
Zwangsarbeiterin - Simina Ivan


Packender Opernabend

(Dominik Troger)

Nach einem „lauwarmen“ Figaro am Freitag geriet einen Abend später die Aufführung der „Lady Macbeth von Mzensk“ von Dmitri Schostakowitsch an der Wiener Staatsoper zur begeisternden Demonstration zeitgemäßen Musiktheaters.

Der Sprung vom „Figaro“ zur „Lady Macbeth von Mzesk“ ist wie ein Köpfler in einen eiskalten Ziegelteich: Während Mozarts Rokoko-Erotik über die Abgründe der Begierde noch schmale Brücken der Vernunft baut, wirft Schostakowitsch sein Bühnenpersonal mitten in die von sibirischer Kälte durchzogenen Höllentiefen der Fleischeslust.

Ingo Metzmacher stand wieder am Pult und sorgte mit dem brillant aufspielenden Staatsopernorchester für die Durchhörbarkeit dieser ausufernden Partitur, domestizierte die Bläsermassen zu gewaltigen strahlend aufspielenden Klangkaskaden und verschaffte doch der einsamen Violine in ihrem filigranen Pianoschmerz genauso den ihr zustehenden Klangraum wie dem mit ironischem Posaunenerschlaffen sich abfeiernden Orchesterorgasmus. An dieser Stelle ist das Gelächter im Publikum vorprogrammiert.

Ironie, Zynismus, schwarzer Humor enden im letzten Bild allerdings im ausweglosen Schmerz und im Selbstmord der weiblichen Hauptfigur. Die Möglichkeit zur Versöhnung zwischen den Geschlechtern – die Mozart und da Ponte im „Figaro“ ansprechen (um noch einmal einen Blick auf Freitagabend zu werfen) – ist bei Schostakowitsch längst einer desillusionierten Wirklichkeit gewichen, in der die Liebeswünsche Katarina Ismailowas wie eine abnorme Monstrosität ausschließlich dem Spott und dem Untergang geweiht sind. In der „Lady Macbeth von Mzensk“ haben sich die humanistischen Ideale längst überlebt – und wer überleben will, der pfeift auf sie. Diese Botschaft ist ernüchternd.

Die Inszenierung von Matthias Hartmann steht dem Stück nicht im Weg, sondern fokussiert die Handlung im Wesentlichen auf einer quadratischen Spielfläche, an deren einen Spitze – auf dem Souffleurkasten – eine gefallene Stalinbüste liegt. Ein Doppelbett oder eine Hochzeitstafel stehen als Requisiten bereit. Die Szene grenzt einige Male ans grotesk Boshafte – etwa wenn im Polizeikommissariat die Gummiwürste sehr locker sitzen. Dass Katerina oft im Unterkleid auf der Bühne steht, lässt sie noch verletzlicher erscheinen.

Eva-Maria Westbrock ließ sich als Katarina ganz auf diese Verletzlichkeit ein, aber auch auf den daraus resultierenden Hass und auf die bedrängende, gefühlsverwirrende Liebesgier. Sie schmiss sich ohne Rücksicht auf Verluste in die Partie, mit einem glutvollen, durch die Karrierejahre aber schon etwas vernarbt klingenden Sopran, der die expressionistische Selbstentäußerung dieser Bühnenfigur bis zur Neige auskostete und dabei auch über seine Grenzen ging (im ersten Bild klang er ein paar Takte lang schon ziemlich „löchrig“). Westbrock vermochte ihre Intensität aber auch in verhalteneren Momenten zu entfalten, in den Momenten der Liebessehnsucht und der Verzweiflung – und vor allem auch im Finale, wenn für diese Frau alles verloren ist, wenn sie sich sogar ihre Strümpfe von ihrem „Lover“ Sergej hat abluchsen lassen und nur mehr dem Gespött ihrer Leidensgenossinnen dient. Dann folgte auf den Kampf, ein Abgekämpftsein, das nur mehr in der Tiefe schwarzer sibirischer Gewässer Trost findet – und wie Westbrock bei diesem letzten Innehalten mit fragil gefärbter Stimme die Verlorenheit in einem depressiven Nirwana beschwor, konnte einem schon das Frösteln über den Rücken jagen: Hier steht ein Mensch, der alles verloren hat, und das letzten Mittel, um sich noch einmal selbst zu spüren, ist der eigenen Tod.

Der bereits genannte Sergej überlebt zumindest auf der Bühne. Er ist der Typ, der es sich richten wird, ein Frauenverführer ohne Gewissen, immer darauf aus, seinen Vorteil zu suchen. Brandon Jovanovich, der erst im Herbst als Don Jose bei seinem Staatsoperndebüt wenig überzeugt hatte, war in dieser Rolle viel besser aufgehoben. Sein Tenor besitzt eine baritonale Basis, die ihm dann zu Gute kommt, wenn Kraft und Ausdauer gefragt sind und keine lyrische Raffinesse. Er wirkte sportlich, zielorientiert, auch vor wehleidiger Verstellung nicht zurückschreckend, um an sein Ziel zu kommen. Dabei durchmaß sein Tenor frisch und energiegeladen das Auditorium, ohne sich in dieser von Schostakowitsch entfachten musikalischen Materialschlacht zu verschleißen. Das war bemerkenswert. Außerdem stimmte offensichtlich die Bühnenchemie zwischen Sopran und Tenor und beide beschritten einen unter die Haut gehenden Pas de deux dunkler Leidenschaften und seelischer Abgründe.

Wolfgang Bankl gab den Boris Ismailow mit markiger Bosheit, ein widerlicher Kerl, Katarina den Mord durch die rattengiftveredelte Pilze förmlich aufzwingend. Sein impotenter Sohn lag bei Carlos Osuna in keiner strahlenden, aber in einer zweckmäßigen Tenorkehle. Der arme Kerl hat in dem Stück vor allem als Mordopfer und Leiche zu dienen. Der Fund dieser Leiche wurde von Herwig Pecoraro mit pointiertem Charaktertenor und pointierter Spiellust zelebriert. Beim Polizeikommissariat wartete schon Clemens Unterreiner, der als stimmlich fescher Uniform- und Ordensträger sofort die „Fahndung“ einleitete. Nicht nur Rosie Aldrige als Axinja oder Jongmin Park als betrunkener Bass-Pope, der beinahe vom ominösen Pilzgericht gekostet hätte, oder Zuryana Kusphler als verführerische Sonjetka im Schlussbild, sondern viele weitere Mitwirkende und der Staatsopernchor sorgten mit viel Einsatz für diese rundum griffige und begeisternde Aufführung, die nicht versäumt werden sollte. Am dritten Mai wird noch eine Vorstellung gespielt.

Fazit: Starker Schlussjubel.