GESUALDO |
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Wiener Staatsoper
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Don Carlo Gesualdo - Peter Weber |
„Gesualdo
ist kein Vorbild für das Lösen von Ehekrisen“ Wiederaufnahme der Oper „Gesualdo“ von Alfred Schnittke: Mein Eindruck von der Uraufführung im Jahr 1995 hat sich im wesentlichen bestätigt. Von packender Bühnendramatik sind lediglich die letzten zwanzig bis fünfundzwanzig Minuten. Die Oper schildert in oftmals sehr knapp gehaltenen Szenen Glück und Unglück der Ehe des italienischen Madrigal-Komponisten Don Carlo Gesualdo mit Maria d'Avalos: Gesualdo erfährt von Marias Verhältnis mit Don Fabrizio Caraffa und bringt beide um. Die Spieldauer (ohne Pause) beträgt keine eindreiviertel Stunden. Die Uraufführung hatte am 26.5.1995 in der Wiener Staatsoper stattgefunden, ohne die Anwesenheit des Komponisten. Schnittke war damals gesundheitlich schon angeschlagen gewesen. Er starb, über Jahre immer wieder von Schlaganfällen heimgesucht, 1998. Ich selbst hatte schon nach der Uraufführung Vorbehalte gegenüber diesem Werk, die auch diese Wiederaufnahme nicht aus dem Weg geräumt hat. Vor allem der Teil vor der Pause vermittelt mit seinen teilweise sehr flüchtigen, kurzen Szenen keine allzu große Spannung. Dazu kommt ein Libretto, das seine Wurzeln mehr im 19. als im 20. Jahrhundert hat. Wenn sich zum Beispiel Maria und ihr Geliebter in der siebten Szene leicht bekleidet im Sündenpfuhl des Ehebettes seichter Liebes- und Todesphrasologie hingeben (während der gehörnte Ehemann schon das Messer wetzt). Gesualdo macht damit Schluss, aber es ist wirklich nicht die feine Art, wie er sich das schwermütig romantisierende Liebespaar vom Hals schafft. Jedenfalls darf dann auch das Orchester aufwachen, Schnittke holt endlich zum großen Finale aus und bis zum Ende läuft dann wirklich alles wie am Schnürchen ab – und da hat dann die dramatische Zuspitzung des Werkes das richtige Timing. Schon bei der Uraufführung hatte ich das Gefühl, Schnittke habe es an der nötigen Kraft ermangelt, um diesen Stoff mit seiner historischen Größe und Grausamkeit musikalisch entsprechend umzusetzen. Es scheint, als habe sich der Komponist den ganzen Atem für die Schlussszenen aufsparen müssen. Und erst Gesualdos letzte Missetat, das „Zu-Tode-Schaukeln" seines (oder des Nebenbuhlers) Kind, reißt dann wirklich den klanglichen Kosmos auf und forciert die von anderen Schnittke Werken erinnerte kompositorische Energie. Bis dahin begegnet man einer aus „Versatzstücken der Moderne" gebauten Partitur, die sich - so mein Eindruck - am Geschehen auf der Bühne sozusagen vorbeischwindelt. Davon ausnehmen möchte ich die „Gesualdo“ rahmenden, in großer erhabener Schönheit zwischen Renaissance und Gegenwart schwebenden Madrigalgesänge, die zum Prolog und am Schluss dem Ganzen eine edle Fassung geben. Durch sie wird die Geschichte zur Erinnerung eines kollektiven Stadtgedächtnisses von Neapel, zu einer wehmütigen Betrachtung menschlichen Schicksals – ein poetischer Einfall, der aber auch zeigt, dass diese gehobenere Sprache des Librettos wohl für einen Prolog, aber weniger für das „gesprochene Wort“ taugt. Was im Prolog passt, wirkt in seiner Ausdrucksweise dann leicht gestelzt und unglaubwürdig. Das Bühnenbild sorgte jedenfalls für Bewegung. Wände verschieben sich oft genug. Es gibt wenig Requisiten oder Mobiliar und alles ist ein wenig kühl und glatt. Gut zum Madrigal-Rahmen passt die Idee, die lange bühnendeckende, überdimensionale Schleppe eines weißen Hochzeitskleides am Beginn einzuziehen, am Schluss wieder auszubreiten – quasi ein symbolischer Bühnenvorhang in die Ebene transponiert. Die schnellen Szenenwechsel wurden – bis auf zwei gewollte oder ungewollte (?) Pausen beim Umbau, wo dann auch die Musik störender Weise zum Stillstand kam – ganz gut gelöst. Die Personenregie hat sich keine Goldmedaille verdient, sie ist aber züchtiger geworden: Die gemeuchelte Maria muss nicht mehr mit nacktem Busen über der Bettkante baumeln. Die Darsteller der drei Hauptpartien, Peter Weber, Nadia Krasteva und John Dickie, konnten einen großen persönlichen Erfolg verbuchen. Für Peter Weber wäre das sicher eine Paraderolle, wenn das Werk öfter am Spielplan stünde. (Aber es ist zu erwarten, dass es nach den vier Vorstellungen in dieser Saison endgültig auf Tauchstation geht.) Nadia Krasteva hatte die Partie der Maria ebenfalls sehr gut Griff. (Die Marie hatte in der Uraufführung Graciela Araya verkörpert, dirigiert hatte Mstislav Rostropovich. Weber und der ebensfalls reüssierende Dickie waren bereits in der Uraufführung zu hören gewesen.) Die vielen kleinen Nebenrollen waren fast alle gut besetzt. Jun Märkl tat wohl sein Bestes, trotzdem blieb die Wiedergabe eher farb- und spannungslos – doch das ist, meiner Meinung nach, dem Stück insgesamt anzulasten. Diese elfte Aufführung von „Gesualdo" war nicht ausverkauft, der Applaus war zur Pause müde, zum Schlussvorhang rafften sich doch noch ein paar Bravo-Rufer auf. Blumen gab es für Weber und Krasteva, wenn mich die Erinnerung nicht trügt. Nachtrag: Die Zeitungskritiken sehen das Werk kritisch, die Besetzung wird hingegen einhellig gelobt. |
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