TOLOMEO ED ALESSANDRO
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Theater an der Wien
Konzertante Aufführung

18.1.2009

Musikalische Leitungt: Alan Curtis

Il Complesso Barocco

Tolomeo - Ann Hallenberg
Alessandro - Véronique Gens
Seleuce - Klara Ek
Elisa - Roberta Invernizzi
Araspe - Theodora Baka
Dorisbe - Tuva Semmingsen


„Barocke Rarität
(Dominik Troger)

Wer möchte nicht einmal zypriotischer Schafhirte sein – und der Herrscher von Ägypten dazu? Bei einer konzertanten Aufführung im Theater an der Wien konnte man solchen Träumen nachhängen: bukolisch von Flöten umschwärmt oder von klagenden Violinen begleitet.

Den ersten Aha-Effekt hatte man freilich schon vor der Vorstellung: der Cembalo-Freak Domenico Scarlatti komponierte zwischen 1710 bis 1714 eine Handvoll Opern im Auftrag der im römischen Exil weilenden polnischen Königin Maria Casimira Sobieska – „Tolomeo ed Alessandro“ (1711 uraufgeführt) ist eine davon. Dem Cembalisten und Dirigenten Alan Curtis gelang es, das Werk seiner Vergessenheit zu entreißen, in dem er die Partitur des ersten Aktes in Italien, die des zweiten und dritten Aktes in England aufspürte. Im Sommer letzten Jahres wurde die Rarität der Öffentlichkeit vorgestellt.

Der Inhalt speist sich aus einer jener abenteuerlichen barocken Verwechslungsintrigen, die bei ihrer Entschlüsselung höchste Konzentration erfordern. Im Mittelpunkt steht mit Tolomeo ein von seiner Mutter verbannter Herrscher, der sich mit aufgeklärter Standhaftigkeit zuletzt seinen Thron zurückgewinnt.

Die Musik ist bei den Singstimmen eher einfach gehalten, die Bravour effektvoller Verzierungen ist kaum gefragt. Viele langsame Arien haben einen Zug zu schwelgerischer Traurigkeit, drei Duette multiplizieren das Liebesleid. Den Schluss ziert ein kleiner Chor. Es scheint, als habe Scarlatti mit bewusster Einfachheit die Gemütszustände der Personen besser herausstreichen wollen. Das Orchester ist schlank gehalten, stark streicherlastig und ohne Blechbläser.

Die Aufführung hatte mit dem Tolomeo von Ann Hallenberg ein starkes Zentrum. Sie beherrschte ihren klaren, fülligen Mezzo bis in die Nuancen der Rezitative. Vor allem im dritten Akt, wenn Tolomeo einen Gifttrunk zu sich nimmt, wird eine ganze Skala von Gefühlen abgerufen, muss die Todeskälte erahnbar werden, die sich von den Füßen aufwärts durch den Leib zieht. Hallenberg sang das ohne Übertreibung, mit einer stoischen, nur langsam von innen heraus erschauernden Regung, wie es einem herrscherwürdigen Vorbild wohl geziemt.

Tolomeos Gemahlin Seleuce, die er auch erst amSchluss wieder in die Arme schließen darf, sang die junge Sopranistin Klara Ek und erhielt für ihre gelungene Darbietung viel Applaus vom Publikum. Elisa, die sich in Tolomeo verliebt, wurde von Roberta Invernizzi sehr temperamentvoll gesungen. Véronique Gens lieh ihren leicht dunkel gefärbten Sopran dem Alessandro. Theodora Baka und Tuva Semmingsen ergänzten das Ensemble, das inklusive Pause etwas über drei Stunden benötigte, um die Handlung in Wohlgefallen aufzulösen.

Alan Curtis am Pult von Il Complesso Barocco hätte die Orchesterbegleitung für meinen Geschmack etwas empfindsamer gestalten können. Er ließ auch nach den Arien kaum Raum für Applaus, sondern stürzte sich gleich ins nächste Rezitativ. Das Publikum spendete nach der Aufführung viel Beifall. Es waren aber von Beginn an viele Plätze leer gewesen.