JAKOB LENZ
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Museumsquartier Halle E Musikalische Leitung: Stefan Asbury Inszenierung:
Frank Castorf |
Lenz - Georg Nigl Zwei
Büchner-Interruptionen nach dem 6. und 10. Bild:
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„Lencus
interruptus “ Der zweite Musiktheaterstreich der Wiener Festwochen galt Wolfgangs Rihms „Lenz“-Oper, gefertigt nach der gleichnamigen Novelle von Georg Büchner. Rihms Kammeroper zählt seit ihrer Uraufführung 1979 zu den herausragenden Werken des zeitgenössischen Opernrepertoires. Denn ihrer stringenten Zuspitzung auf das Schicksal der Hauptfigur – ähnlich Alban Bergs „Wozzeck“ – kann man sich kaum entziehen. Die vom Komponisten herausgeforderte Flexibilität des kleinen Orchesters und der kleinen Sängerbesetzung zielt von vornherein auf eine unmittelbare, alle Sinne einbeziehende Nähe zwischen Ausführenden und Zuschauern. Der vorgestellte Zerfallsprozess von Lenzens Persönlichkeit, strahlt seine Individualität nach und nach ab wie ein radioaktives Element. Es kontaminiert das Publikum mit einer verzweifelten Atemlosigkeit – der man sich so gegenwärtig sein müsste wie dem Gedanken an eine mögliche Selbstauflösung des eigenen Ichs. Die hervorragende musikalische Umsetzung vermochte viel von diesem Anspruch zu erfüllen. Das Klangforum Wien unter Stefan Asbury mit analytischer Schärfe und Mitgefühl; Georg Nigl in der Titelrolle, den feinen Schattierungen der Partie ebenso gewachsen, wie der darzustellenden Persönlichkeit, einsatzfreudig und präzise; Wolfgang Bankl als Pfarrer Oberlin stimmlich gewichtig und im Spiel präsent; und dazu noch Volker Vogel, als leicht zynisch eingefärbter Kaufmann. Die szenische Umsetzung bediente hingegen das abgearbeitete Repertoire deutschsprachigen Theaters (Bauschuttmulden in verschiedenen Variationen, der Pfarrer mehr ein Zuhälter, Herumgehopse und übermäßiges Wassergeplantsche, projizierte Videoaufnahmen von der Bühne etc.) In der Personenregie hat Frank Castorf Lenz freilich sehr gut herausgestellt: und hier hätte der Abend auch seine „Mitte“ gefunden, wäre er nicht durch zwei „Büchner-Interruptionen“ erbarmungslos in drei Teile zerstückelt worden. Diese „Büchner-Interruptionen“ (sie streuten unter anderem rezitierte Passagen aus der „Lenz“-Novelle ein) waren schlecht gesprochen und noch mal so schlecht szenisch aufgelöst. Außerdem darf bezweifelt werden, ob die Halle E des Museumsquartiers für solch sensible Kammeroper die geeignete Spielstätte ist. Castorf hat zwar das kleine Orchester auf die Bühne gestellt, aber trotzdem blieb da noch sehr viel Raum, der einbezogen werden wollte. Ein kleinerer Rahmen hätte die schauspielerische und musikalische Intensität verstärkt – und der fehlende Stellplatz für zwei bis drei Kippmulden wäre sicher kein künstlerisches K.O.-Kriterium gewesen. Erwähnenswert ist noch manch gelungener Effekt der Lichtregie. Das Publikum reagierte mit ungeteiltem Jubel für die musikalische Seite – für Castorf gab es neben Zustimmung auch deutliche Buhrufe. Dankenswerter Weise ist im Programmheft (Preis: 4,80 Euro) das Libretto (Michael Fröhling) abgedruckt. Es lief auch eine Lesezeile über der Bühne mit. Der Abend dauerte (eingerechnet den verspäteten Beginn von fast 15 Minuten) knappe zwei Stunden. |