FRANCESCA DA RIMINI
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Konzerthaus
Konzertante Aufführung
11.3.2010

Musikalische Leitung: Vladimir Fedosejev

Tschaikowsky Symphonieorchester Moskau

Wiener Singakademie

Francesca - Tatiana Monogarova
Paolo - Vsevolod Grivnov
Dante - Oleg Dolgov
Vergils Geist - Benno Schollum
Lanceotto - Dmitri Belosselski


Russische Höllenromantik
(Dominik Troger)

Der konzertante Opernzyklus im Konzerthaus entführte das Publikum diesmal in eine von hochromantischer Musik durchwogte Hölle – einmal in Form einer symphonischen Dichtung von Tschaikowsky, einmal als Operneinakter von Rachmaninow. Das gemeinsame Thema: „Francesca da Rimini."

Ihr tragisches Schicksal hat Francesca da Rimini einen Platz in Dante Alighieris „Göttlicher Komödie“ gesichert. Francesca wird bei der Hochzeit betrogen, sie glaubt den Brautwerber Paolo zu heiraten und nicht dessen lahmen Bruder. Erst am Tage nach (!) der Hochzeit erkennt sie die Wahrheit. Doch die Saat der Liebe ist ausgesät, Francesca und Paolo finden zu einander und entbrennen in Leidenschaft, angefacht durch die gemeinsame Lektüre eines Artusromans. Der gehörnte Ehemann ermordet beide.

Diese leidvolle Geschichte hat Musiker, Maler und Literaten inspiriert. Bei Tschaikowsky wird sie in einer etwas über 20 Minuten dauernden symphonischen Dichtung abgehandelt, die eine interessante klangmalerische Höllenatmosphäre atmet und mit einem schwelgerischen Mittelteil aufwarten kann. Das aufwendig konzipierte Stück wurde vom Tschaikowsky Symphonieorchester Moskau unter Vladimir Fedosejev effektvoll und mit viel Sinn für „große Gefühle“ vorgetragen.

Nach der Pause folgte dann die Opernrarität. Sergej Rachmaninow hat insgesamt drei einaktige Opern verfasst, „Francesca da Rimini“ wurde 1906 uraufgeführt. Das Werk macht Effekt, scheint aber besser in den Konzertsaal, als auf eine Opernbühne zu passen. Das große Orchester ist sehr dominant, die Anlage des Stücks eher symphonisch. Außerdem wirkt es im Handlungsaufbau unproportioniert – ebenso wie im Verhältnis der Singstimmen zum Orchester.

Der einleitende Teil – Dante und Vergils Geist im ersten Höllenkreis samt der atmosphärischen Klagestimmung mit dem „Seelenchor“ der Verdammten – nimmt im Verhältnis zu den übrigen Teilen sehr viel Platz ein. Die eigentliche Liebesszene zwischen Francesca und Paolo ist knapp gehalten und gerät in eine Siedehitze, die den Sängern große Kraftreserven abverlangt. Der Epilog ist im Vergleich zum Prolog ziemlich kurz ausgefallen.

Trotzdem erzeugt das Stück einige Wirkung. Sie beruht vor allem auf der hochromantischen Orchestersprache mit Wagner-Anklängen, die lautmalerisch die Höllenqualen beschwört und schlussendlich nach Liebesextase forscht. Die Charaktere der Figuren werden sehr schematisch behandelt, wirken plakativ und wenig glaubwürdig. Librettist Modest Iljitsch Tschaikowsky hatte ursprünglich eine vieraktige Oper vorgeschlagen, das wurde jedoch von Rachmaninow abgelehnt. Das Endprodukt ist mehr verknappende „Szenenfolge“ als dramaturgisch kompakt gebautes Bühnenwerk.

Das Tschaikowsky Symphonieorchester entfaltete den musikalischen Kosmos Rachmaninows zu eindringlicher Präsenz, die Sängerin und die Sänger hatten es aber schwer, sich zu behaupten. Zwar stand mit Dmitri Belosselski ein durchschlagskräftiger, schlanker Bass zur Verfügung, etwas rauh im Timbre, dunkel und mit bösem Grimm in der Stimme, der Lanceotto ein scharfes, drohendes Profil verlieh, aber das Liebespaar hatte zu kämpfen. Für Belosselski gab es Sonderapplaus am Schluss seiner großen Szene – man hätte gerne noch mehr von ihm gehört.

Der tenorale Gegenspieler, Vsevolod Grivnov als Paolo, eignete sich für das Vorlesen aus französischen Ritterromanen – hat sich an der Liebe von Ginevra und Lancelot doch Paolos Schicksal und das Francescas festgemacht. Doch das immer stärker aufwallende emotionale und musikalische Begehren saugte zu offensichtlich an seinen sängerischen Energiereserven. Seine Stimme ist mehr lyrisch gebaut, elastisch, mit einem melodischen Timbre, das aber schnell an Raffinesse zu verlieren scheint, sobald mehr Kraftaufwand gefordert ist.

Tatiana Monogarova erschien mit auffallendem Kleide, einen weiße Umhang um die linke Schulter geschwungen, am Rücken geschürzt. Leider konnte ihr leicht kühl timbrierter etwas filigran tönender Sopran dieses optische Versprechen nicht ganz einlösen: auch für sie waren die Orchesterfluten Rachmaninows eine Herausforderung. Die Stimme klang leicht derangiert, zerzaust vom glutvollen Höllenwind in dem die armen Seelen klagend flatterten (wofür die Wiener Singakademie akustisch und kompetent zu sorgen hatte).

Dante (Oleg Dolgov) und Vergils Geist (Benno Schollum) waren hinter dem fülligen Orchester auf der Orgelempore positioniert – man hörte wenig von ihnen, sehr viel hatten sie auch nicht zu singen.

Das Publikum spendete nach einer guten Stunde „Höllenoper“ eifrig Beifall, wohlwollende Kenntnisnahme ausdrückend.