LA STELLIDAURA VENDICANTE
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Theater an der Wien
23.10.14

Konzertante Aufführung

Dirigent: Alessandro De Marchi

L´Academia Montis Regalis

Armidoro - Jeffrey Francis
Stellidaura - Raffaella Milanesi
Orismondo - Carlo Vincenzo Allemano
Giampetro - Luigi de Donato
Armillo - Hagen Matzeit


Die Rache der Stellidaura
(Dominik Troger)

Das Theater an der Wien entführte mit einer konzertanten Aufführung von Francesco Provenzales „La stellidaura vendicante“ das Publikum in die Frühzeit der neapolitanischen Oper. Die „Rache der Stellidaura“ wurde 1674 uraufgeführt.

Provenzale steht noch unter dem Einfluß der frühen Oper mit starkem Textbezug und einer einfachen Gesangslinie, die zwischen rezitativartigen und ariosen Passagen recht unvermittelt wechseln kann. Immer wieder eingestreute Koloraturen bilden aber eine schon erkennbare Keimzelle für die Explosion an Stimmvirtuosität, die bald die italienischen Opernbühnen beherrschen sollte. Für das Libretto sorgte der Jesuit Andrea Perrucci, hier ganz am Beginn seiner Karriere als erfolgreicher Librettist und Theatertheoretiker. Alessandro de Marchi, der musikalische Leiter des Abends, von dem auch die gespielte Fassung stammt, siedelt – wie im Programmheft nachzulesen ist – Provenzale stilistisch zwischen Cavalli und Alessandro Scarlatti an. Marchi hat die Oper bereits 1997 in Lüttich und Brüssel einstudiert, 2012 hat er sie szenisch in Innsbruck realisiert.

Von den Opern Provenzales sind nur zwei erhalten – und wie damals üblich sind nur die Gesangstimmen und der Bass überliefert. Auf die Instrumentation kann nur zurückgeschlossen werden, hier helfen Quellen zur Besetzung der königlich-neapolitanischen Hofkapelle oder zur neapolitanischen Volksmusik weiter. Alessandro de Marchi hat sich sowohl dort als auch da bedient und die Orchesterbegleitung abwechslungsreich gestaltet. Das reicht von teils raren Zupfinstrumenten über eine bassbetonte Streichergruppe, über Vogelstimmen imitierende Flöten bis zu einem liebevoll zusammengestellten Schlagwerk – so leitete zum Beispiel ein tänzerisch-folkloristischen Tamburinsolo zu Stellidauras Moment der Rache im dritten Akt über.

Mit dem „Schwert im Gewande“ und verkleidet schleicht die Schöne in das Gemach des Prinzen Orismondo, der ihr nachstellt und ihren Geliebten Armidoro aus der Welt schaffen möchte. Orismondo und Armidoro sind schon im ersten Akt und in einer finsteren Nacht aneinandergeraten. Den zweiten Akt beherrscht das Chaos, das ein verwechselter Liebesbrief auslösen kann. Orismondo scheut schließlich nicht davor zurück seinem Freund (!) und Nebenbuhler den Diener Giampetro auf den Hals zu hetzen, der ihn meucheln soll. Stellidaura ist rechtzeitig zur Stelle, um das zu verhindern. Aber die begehrte Dame sinnt auf Rache, möchte Orismondo töten, wird entdeckt – aber nicht enttarnt – gefangengenommen und zum Tode durch Gift bestimmt. Giampetro muss den Henker spielen, holt das Gift, verwechselt das Fläschchen und erwischt einen Schlaftrunk. Stellidaura nimmt ihr Todesurteil auf sich, trinkt aus dem Fläschchen – und schläft ein. Als sie wieder erwacht, löst sich das Rätsel. Es stellt sich heraus, dass Prinz Orismondo der Bruder (!) von Stellidaura ist – und einer Heirat zwischen Stellidaura und Armidoro steht nichts mehr im Weg.

Während der erste Akt geschickt gebaut ist, ist der zweite Akt mit der Brief-Verwechslung etwas lang geraten. Durch das volkstümliche Dienerpaar Giampetro und Armillio (der Diener Stellidauras) wird die Liebesgeschichte unterhaltsam begleitet. Giampetro spricht Dialekt, kommentiert und ironisiert, und hat vor allem eines: Hunger. Luigi de Donato hat mit seinem wendigen Bass diese Figur witzig charakterisiert und ausgestaltet. Armillio wurde von Hagen Matzeit gesungen, der mit einem spitzbübisch gerundeten Countertenor die subalterne Keckheit ebenfalls unterhaltsam zu gestalten wusste. Die beiden Diener waren also treffend besetzt.

Jeffrey Francis lieh dem Armidoro einen nicht mehr sehr jugendfrischen, hohen Tenor, der bei den Verzierungen schon etwas schwerfällig wirkte. Der eifersüchtige Prinz wurde von Carlo Allemano mit etwas kernigerem Tenor gesungen, auch er schon etwas gesetzter in seinem Gesang. Raffaela Milanesi verlieh der Stellidaura mit ihrem leicht angedunkelten Sopran die nötige Mischung aus Durchsetzungskraft und Verliebtheit, auch bestrebt, die konzertante Bühnensituation etwas aufzulockern. Die Academia Montis Regalis unter Alessandro de Marchi sorgte für einen lebendig musizierten Ausflug ins 17. Jahrhundert, dem eine szenische Umsetzung wegen seiner Commedia dell'arte -Elemente ganz gut getan hätte.

Der Abend dauerte dreieinviertel Stunden lang, wobei die Pause bald nach Beginn des zweiten Aktes zu früh angesetzt war. Es wäre besser gewesen, den Schwung aus dem ersten Akt noch ein paar Szenen lang „mitzunehmen“. Das Theater an der Wien war sehr schlecht besucht, der Schlussbeifall stark.