DER SPIELER

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Theater an der Wien
17.10.2007
Premiere

Dirigent: Valery Gergiev

Inszenierung: Temur Tschcheidze
Bühne: Zinovy Margolin
Kostüme: Tatjana Noginowa

Chor und Orchester des Mariinsky Theaters

Alexej - Wladimir Galuzin
General - Sergej Alexaschkin
Polina - Natalja Tymchenko
Babulenka - Ljubow Sokolowa
Marquis - Nikolai Gassijew
Blanche - Olga Sawowa
Mr. Astley - Alexander Gergalow
Fürst Nilski - Andrej Popow
Baron Würmerhelm - Fjodor Kusnjezow
Potapytsch - Andrej Spechow

Rouletteszene:
Direktor - Andrew Spechow
1. Croupier - Sergej Semischkur
2. Croupier - Wladimir Felentschak
u.v.a.


Kopfstück

(Dominik Troger)

Das Gastspiel des Mariinsky Theaters aus St. Petersburg im Theater an der Wien begann mit einem mehr intellektuellen Vergnügen: Prokofjews „Der Spieler“ überzeugte als satirische Gesellschaftskomödie mit einem furiosen Schlusswirbel zwischen „gesprengten“ Rouletttischen und einer „zersprengten“ Beziehung.

Es war ein interessanter Gastspielbeginn, aber kein überschäumender Erfolg – doch das liegt in der Natur der Sache: Prokofjews nach Dostojewski gefertigte Oper (seine erste, bereits um 1915 begonnen, umgearbeitet 1929 in Brüssel uraufgeführt) vermeidet unbarmherzig die große musikalische Geste und sieht sich als spitzfindige Begleitung des Bühnengeschehens. „Die ganze Oper ‘Der Spieler‘ ist im Deklamationsstil geschrieben“ notierte der Komponist in autobiographischen Aufzeichnungen (zitiert nach dem Programmheft zur Aufführung). Er wollte sich damit deutlich vom Einfluss Wagners absetzen: kleinteilig und mit forscher, rhythmischer Raffinesse wird die weit ins 20. Jahrhundert vorausweisende Musik zum Waagenzünglein, das einmal in diese einmal in jene Richtung zeigt – und das gegen Ende des zweistündigen Werkes die Monotonie des Roulettes mit vorwärtsdrängender Dynamik fokussiert wie eine beständige Kreisbewegung, die von der Hand des Croupiers angeworfen, „Schicksal“ spielt. Als Zuhörer ist man zu höchster Konzentration aufgerufen, der Dialog zwischen Orchester und Bühne ist komplex, nach einem „verstandvernebelnden Motivrausch“ lauscht man vergebens.

So entsteht nach und nach und von revolutionärem Sarkasmus gespeist das Bild einer ausgehöhlten Gesellschaft, in der ein anarchistischer Hauslehrer zum Retter einer adeligen, von Spielleidenschaft besessenen Familie wird – oder besser: hätte werden können. Denn gerade die Frau, die er liebt und der er hörig ist, verweigert sich seiner Hilfe. Nur das Roulette wird sich weiterdrehen, immer weiter, und mit der tückischen „Null“ die Einsätze zur Bank befördern, so wie der Tod das Leben aus der Welt. Dieser verzweifelte Glücksspiel-Nihilismus saugt schlussendlich alles auf. So entpuppt sich „Der Spieler“ als merkwürdige Mischung, man wird beispielsweise Gogol darin finden, aber auch Schnitzler und Shaw. Die Pointen und Wortspiele haben die deutschen Untertitel sicher nur zu 10% oder 20% vermittelt: glücklich ist, wer in solchem Falle Russisch spricht.

Energetisch hat Valery Gergiev das Geschehen angetrieben und der Deklamation eine klare Struktur und eine herausfordernde Schärfe verliehen. Da spürte man das Aufeinanderprallen der Dialoge in virtuoser Prägnanz. Das Orchester wirkte vom Klangbild etwas grob und des öfteren zu laut, aber man darf Annehmen, dass Gergiev aus ihm das bestmögliche herausgepresst hat. Das gegebene Werk selbst, wie schon angedeutet, war ja auch nicht dazu angetan, besonders „seelenvolles“ Spiel zu fördern.

Auf der Bühne dominierten „russische Stimmen“, etwas hart, etwas heldisch, gut trainiert und ausgebildet. Als Alexej ersang sich Wladimir Galuzin Bravorufe. Er ist kein „Unbekannter“ auf internationalen Opernbühnen. Seiner Stimme fehlt ein wenig das Strahlende, aber sie hat eine eigentümlich sentimal-heldische Grundstimmung und besitzt kraftvolle Höhen. Er schlüpfte überzeugend in die Haut dieses zwiespältigen Hauslehrers, der sich nach Liebe sehnt und doch mit der Verworfenheit des Intellektuellen dem Untergang der „Welt“ zuschaut, der zugleich sein eigener ist. Als Polina gefiel Natalja Tymchenko, ihr Timbre hat etwas von kühler, grausamer Unnahbarkeit – kein Wunder, wenn das einen Hauslehrer in die Verzweiflung treibt. Sergej Alexaschkin sang einen tragisch-buffonesk angelegten General, Ljubow Sokolowa gab die Babulenka, jene Großmama, die ihr Vermögen verspielt: ein selbstbewusster Mezzo. Etwas konturloser, das liegt auch am Stück, die übrigen Mitwirkenden.

Die gut durchchoreographierte Inszenierung brachte die Satire ohne Übertreibungen zur Geltung. Ein einfaches, sehr praktikables Einheitsbühnenbild stellte das Hotel dar, beziehungsweise das Bett im Vordergrund Alexejs Zimmer. Die Rouletteszene mit dem Croupier als sich drehendem „Schicksalsrad“, das auf Alexj verweisend „stehen bleibt“, gefiel mir in seinem abgespeckten Realismus: eine insgesamt handwerklich gut gemachte, dem Stück angemessene Umsetzung. Das Publikum reagierte zur Pause ziemlich „verschlafen“, am Schluss doch mit gefälligem Beifall und Bravorufen (vor allem für Galuzin).