DIE VERLOBUNG IM KLOSTER

Aktuelle Spielpläne
Forum
Opernführer
Chronik
Home
Prokofjew-Portal

Theater an der Wien
26.3.2025
Premiere

Dirigent: Dmitry Matvienko

Regie: Damiano Michieletto
Bühne: Paolo Fantin
Kostüme: Klaus Bruns
Licht: Alessandro Carletti
Choreographie: Erika Rombaldoni
Chorleitung: Erwin Ortner

ORF Radio-Symphonieorchester Wien
Arnold Schönberg Chor

Koproduktion mit der Dutch National Opera & Ballett Amsterdam und Teatro de la Maestranza Sevilla

Don Jerome - Evgeny Akimov
Don Ferdinand - Petr Sokolov
Luisa - Stacey Alleaume
Duenna - Elena Maximova
Clara d'Almanza - Anna Goryachova
Don Antonio - Vladimir Dmitruk
Mendoza - Valery Gilmanov
Don Carlos - Zoltan Nagy
Pater Augustin - Sorin Coliban
Pater Elixier - Iurie Ciobanu
Pater Chartreuse - David Babayants

Pater Benedictine - Mischa Schelomianski
Lopez - Valentino Blasina
Pablo - Takanobu Kawazoe
Pedro - Alessio Borsari
Miguel - Jörg Espenkott
Rosina - Katarina Novcic
Lauretta - Natalie Weinberg
Zwei Diener im Kloster - Serhii Panasiuk, Oleksii Shamrytskyi


Ein grätiges Vergnügen

(Dominik Troger)

Fisch ist in der Fastenzeit eine beliebte Speise. Das Theater an der Wien bietet jetzt jede Menge davon: Wird in Sergej Prokofjews „Die Verlobung im Kloster“ doch ein reicher Fischhändler ausgetrickst, damit zwei junge Paare zueinanderfinden.

Die Oper ist während des Zweiten Weltkriegs entstanden, wurde aber erst 1946 uraufgeführt. Prokofjew hat als Vorlage auf eine englische „Comic Opera“ von Richard Brinsley Sheridan aus dem achtzehnten Jahrhundert zurückgegriffen („The Duenna“) – und sie leicht adaptiert. Die Handlung in aller Kürze: Don Jeromes Tochter Luisa ehelicht am Schluss Don Antonio und sein Sohn Don Ferdinand ehelicht Clara. Am Beginn der Oper hat Don Jerome Luisa allerdings dem Fischhändler Mendoza versprochen. Damit Luisa diesem väterlichen Gebot entkommen kann, wird der Fischhändler mit der Anstandsdame Luisas (der „Duenna“) verkuppelt. Auf diese Weise wird auch Don Jerome ausgetrickst, der schlussendlich mit der neuen Pärchenbildung einverstanden ist.

Für diese Komödie hat Prokofjew eine ostinatofreudige Musik geschrieben, die stilistisch Spätromantik, Neoklassizismus und „Modernismen“ mit viel Lust und Laune kleinteilig „zerlegt“ und zu einem griffigen „Sound“ verschmilzt. Das ganze Werk durchweht zudem tänzerischer Atem, der sich in „Varieténummer“-ähnlichen Ensembles niederschlägt, wie etwa dem Chor der Fischverkäuferinnen oder dem der betrunkenen Mönche im vierten Akt. Dazu gesellen sich kleine ariose Inseln romantischer Gefühle und Don Jerome räsoniert buffonesk über die Sorgen und Nöte eines Vaters. Die Figurenzeichung ist nach meinem Eindruck mehr „typologisch“ und weniger am Charakter orientiert, aber vor allem bewundert man die musikalische Feinmechanik Prokofjews, die wie ein Präzisionsuhrwerk den „Takt“ angibt. 

Auf der Bühne avancierte Evgeny Akimov als Don Jerome mit seinem kräftigem und zu akzentuiertem Gesang fähigem Charaktertenor schnell zur tragenden Säule des Abends – fast auf Augenhöhe die von vielen Staatsopernauftritten in guter Erinnerung gebliebene Elena Maximova als „Duenna“. Zwar war Maximova wegen einer akuten Erkältung angesagt worden, aber ihre darstellerischen und gesanglichen Möglichkeiten schienen davon weitgehend ungetrübt.

Bei der übrigen Besetzung fehlten ein bisschen die „Schmankerl“, auch wenn sich alles zu einer  insgesamt ansprechenden Ensembleleistung gerundet hat: Der Luisa der Stacey Alleaume hätte mehr sopranweiche Koketterie gut getan, um ihren Vater, aber auch den Fischhändler effektvoller um den Finger zu wickeln. Ihren Bruder gab mit etwas gaumigem Bariton Petr Sokolov. Die stimmlichen Vorzüge von Vladimir Dmitruk (vor zehn Jahren Mitglied des Jungen Ensemble des Theaters an der Wien) liegen nach dem Premiereneindruck mehr im metallischen Forte als im lyrischen Schmachten. Die Clara der
Anna Goryachova hätte seitens ihres Mezzos vielleicht noch mehr Reize ausspielen können. Valery Gilmanov hat sich als Mendoza  gekonnt von allen an der Nase herumführen lassen. Die Figur des Don Carlos hat leider die Regie „verzeichnet“ und als etwas tölpelhaften, verlotterten Kerl auf die Bühne gestellt, wo man zumindest einen Mann von etwas knöchernem Adel und übertriebener Moral erwartet hätte. Stimmlich und darstellerisch lag der Don Carlos bei Zoltan Nagy in guten Händen. Mit viel Spaß waren die Bierkrüge schwenkenden Mönche bei der Sache, sowohl solitstisch als auch der Arnold Schönberg Chor.

Das ORF Radio-Symphoniorchester unter Dmitry Matvienko spielte sehr animiert und konzentriert, und zeigte sich von seiner besten Seite.  Matvienko hat Details gut herausgehoben und Prokofjews Humor plastisch „modelliert“. Etwas mehr dynamische Rücksichtnahme auf die kleineren Ausmaße des Hauses und auf die seit der Renovierung – wie ich den Eindruck habe – „geschärftere“ Akustik wäre allerdings angebracht gewesen.

Die Inszenierung von Damiano Michieletto bediente sich eines steril wirkenden, weitgehend leer geräumten  Bühnenbilds, in dem in Alltagskostümen der späten 1950er-Jahre mehr oder weniger treffend herumgewitzelt wurde. Die überraschende Idee mit dem vom Schnürboden herabschwebenden Riesenfisch war zwar ein guter Einfall – doch wenn der Fisch im Finale als Gerippe wieder kommt, löst er bei der Hochzeitsgesellschaft Panik aus. Insofern darf man Michielettos Regie auch ein bisschen als „grätig“ bezeichnen. Einen Albtraum erfasste schon Don Jerome im Finale des ersten Aktes, anstelle eines stimmungsvollen, karnevalnächtigen Maskenspiels. Die Mönche in Strapsen sind genauso einem billigen, schenkelklopfenden Humor zum Opfer gefallen wie das mehrmals in den Staubwedel niesende Stubenmädchen.

Der beifallsfreudige Schlussapplaus dauerte zehn oder elf Minuten lang:  also auch im Theater an der Wien ein Premierenerfolg so wie erst vor wenigen Tagen an der Staatsoper! Leer gebliebene Sitzplätze deuteten allerdings an, dass sich hierzulande die Zugkraft der Oper erst beweisen muss. Die Vorstellung dauerte inklusive Pause knappe drei Stunden.

Hinweis: Der ursprüngliche Text wurde in wenigen Punkten noch ergänzt. Aktuelle Fassung vom 28. März.