„Ein grätiges Vergnügen“
(Dominik Troger)
Fisch
ist in der Fastenzeit eine beliebte Speise. Das Theater an der Wien
bietet jetzt jede Menge davon: Wird in Sergej Prokofjews „Die Verlobung
im Kloster“ doch ein reicher Fischhändler ausgetrickst, damit zwei
junge Paare zueinanderfinden.
Die
Oper ist während des Zweiten Weltkriegs entstanden, wurde aber erst
1946 uraufgeführt. Prokofjew hat als Vorlage auf eine englische „Comic
Opera“ von Richard Brinsley Sheridan aus dem achtzehnten Jahrhundert
zurückgegriffen („The Duenna“) – und sie leicht adaptiert. Die Handlung
in aller Kürze: Don Jeromes Tochter Luisa ehelicht am Schluss Don
Antonio und sein Sohn Don Ferdinand ehelicht Clara. Am Beginn der Oper
hat Don Jerome Luisa allerdings dem Fischhändler Mendoza versprochen.
Damit Luisa diesem väterlichen Gebot entkommen kann, wird der
Fischhändler mit der Anstandsdame Luisas (der „Duenna“) verkuppelt. Auf
diese Weise wird auch Don Jerome ausgetrickst, der schlussendlich mit
der neuen Pärchenbildung einverstanden ist.
Für diese Komödie hat Prokofjew eine ostinatofreudige Musik
geschrieben, die stilistisch Spätromantik, Neoklassizismus und
„Modernismen“ mit viel Lust und Laune kleinteilig „zerlegt“ und zu
einem griffigen „Sound“ verschmilzt. Das ganze Werk durchweht zudem
tänzerischer Atem, der sich in „Varieténummer“-ähnlichen Ensembles
niederschlägt, wie etwa dem Chor der Fischverkäuferinnen oder dem der
betrunkenen Mönche im vierten Akt. Dazu gesellen sich kleine ariose
Inseln romantischer Gefühle und Don Jerome räsoniert buffonesk über die
Sorgen und Nöte eines Vaters. Die Figurenzeichung ist nach meinem
Eindruck mehr „typologisch“ und weniger am Charakter orientiert, aber
vor allem bewundert man die musikalische Feinmechanik Prokofjews, die
wie ein Präzisionsuhrwerk den „Takt“ angibt.
Auf der Bühne avancierte Evgeny Akimov als
Don Jerome mit seinem kräftigem und zu akzentuiertem Gesang fähigem
Charaktertenor schnell zur tragenden Säule des Abends – fast auf
Augenhöhe die von vielen Staatsopernauftritten in guter Erinnerung
gebliebene Elena Maximova als
„Duenna“. Zwar war Maximova wegen einer akuten Erkältung angesagt
worden, aber ihre darstellerischen und gesanglichen Möglichkeiten
schienen davon weitgehend ungetrübt.
Bei der übrigen Besetzung fehlten ein bisschen die „Schmankerl“, auch
wenn sich alles zu einer insgesamt ansprechenden Ensembleleistung
gerundet hat: Der Luisa der Stacey Alleaume
hätte mehr sopranweiche Koketterie gut getan, um ihren Vater, aber auch
den Fischhändler effektvoller um den Finger zu wickeln. Ihren Bruder
gab mit etwas gaumigem Bariton Petr Sokolov. Die stimmlichen Vorzüge von Vladimir Dmitruk (vor
zehn Jahren Mitglied des Jungen Ensemble des Theaters an der Wien)
liegen nach dem Premiereneindruck mehr im metallischen Forte als im
lyrischen Schmachten. Die Clara der Anna Goryachova hätte seitens ihres Mezzos vielleicht noch mehr Reize ausspielen können. Valery Gilmanov hat sich als Mendoza gekonnt von allen an der Nase herumführen lassen. Die Figur des Don Carlos
hat leider die Regie „verzeichnet“ und als etwas tölpelhaften,
verlotterten Kerl auf die Bühne gestellt, wo man zumindest einen Mann
von etwas knöchernem Adel und übertriebener Moral erwartet hätte. Stimmlich und darstellerisch lag der Don Carlos bei Zoltan Nagy in guten Händen. Mit
viel Spaß waren die Bierkrüge schwenkenden Mönche bei der Sache, sowohl
solitstisch als auch der Arnold Schönberg Chor.
Das ORF Radio-Symphoniorchester unter Dmitry Matvienko
spielte sehr animiert und konzentriert, und zeigte sich von seiner
besten Seite. Matvienko hat Details gut herausgehoben und
Prokofjews Humor plastisch „modelliert“. Etwas mehr dynamische
Rücksichtnahme auf die kleineren Ausmaße des Hauses und auf die seit
der Renovierung – wie ich den Eindruck habe – „geschärftere“ Akustik
wäre allerdings angebracht gewesen.
Die Inszenierung von Damiano Michieletto
bediente sich eines steril wirkenden, weitgehend leer geräumten
Bühnenbilds, in dem in Alltagskostümen der späten 1950er-Jahre mehr
oder weniger treffend herumgewitzelt wurde. Die überraschende Idee mit
dem vom Schnürboden herabschwebenden Riesenfisch war zwar ein guter
Einfall – doch wenn der Fisch im Finale als Gerippe wieder kommt, löst
er bei der Hochzeitsgesellschaft Panik aus. Insofern darf man
Michielettos Regie auch ein bisschen als „grätig“ bezeichnen. Einen
Albtraum erfasste schon Don Jerome im Finale des ersten Aktes, anstelle
eines stimmungsvollen, karnevalnächtigen Maskenspiels. Die Mönche in
Strapsen sind genauso einem billigen, schenkelklopfenden Humor zum
Opfer gefallen wie das mehrmals in den Staubwedel niesende
Stubenmädchen.
Der beifallsfreudige Schlussapplaus dauerte zehn oder elf Minuten
lang: also auch im Theater an der Wien ein Premierenerfolg so wie
erst vor wenigen Tagen an der Staatsoper! Leer
gebliebene Sitzplätze deuteten allerdings an, dass sich hierzulande die
Zugkraft der Oper erst beweisen muss. Die Vorstellung dauerte inklusive Pause knappe drei Stunden.
Hinweis: Der ursprüngliche Text wurde in wenigen Punkten noch ergänzt. Aktuelle Fassung vom 28. März.