PALESTRINA
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Wiener Staatsoper
23.5.1999
Premiere
Zum 50. Todestag von Hans Pfitzner


Musikalische Leitung:Peter Schneider
Inszenierung, Bühnenbild, Kostüme: Herbert Wernicke
Choreinstudierung: Ernst Dunshirn

Papst Pius IV. - Walter Fink
Giovanni Morone - Bernd Weikl
Bernardo Novagerio - Heinz Zednik
Carlo Borromeo - Franz Grundheber
Madruscht - Franz Hawlata
Kardinal v. Lothringen - Geert Smits

Graf Luna - Peter Weber
Bischof v. Budoja - Herwig Pecoraro

Abdisu, Patriarch v. Assyrien - John Dickie
Erzbischof v. Prag - Rudolf Mazzola

Palestrina - Thomas Moser
Ighino - Juliane Banse
Silla - Angelika Kirchschlager
Erscheinung der Lukrezia - Mihaela Ungureanu

u.v.a.

Keine musikalische Legende
(Dominik Troger)

Nach 14 Jahren wieder in der Staatsoper. Eine Neuinszenierung. Leider. Die Visionen Palestrinas sind dahin. Auch hier hat wieder stilsicher eine moderne Regiearbeit ganz gezielt am großen Atem einer Komposition vorbeinszeniert.

Es gibt Werke, die darf man einfach nur dann spielen, wenn man an sie glaubt, und zwar felsenfest und unerschütterlich. Wie war das in der alten Inszenierung? Da durfte der alternde Palestrina noch ganz unter dem Eindruck himmlischer Erscheinungen seine Messe komponieren, sein "großes Werk". Im zweiten Aufzug fesselte einen der arenaartig aufgebaute, wuchtige Saal des Konzils, der sich drohend vor einem auftürmte, durchleuchtet von verschiedenfarbigen, meist in rottönen gehaltenen Gewändern der Kardinäle und Bischöfe - ein farbenfrohes und zugleich beängstigendes Bild katholischer Macht und Herrlichkeit.

Und was ist davon übrig geblieben? Der erhobene Zeigefinger von Herbert Wernicke, der uns bieder erklärt, die Vision habe gar nicht stattgefunden, sondern sei von Kardinal Borromeo, der die Messe ja bestellt hat und um die seelischen Probleme des Meisters weiß, inszeniert worden. Die Figuren der alten Meister schleichen sich einen Konzertsaal und nehmen Aufstellung, als gelte es, irgendeine Chorprobe abzusingen. Palestrina beginnt dann irgendwann einmal, Papiere mit Notenlinien zu überziehen, eine Minute lang, zwei Minuten lang, fünf Minuten lang....

Mir ist bewusst, dass der Palestrina ein Werk für Liebhaber ist und dass einem die Wehklagen, unter denen da einer eine Messe komponiert, schon etwas befremdlich erscheinen können. Auch schleicht sich leicht der Verdacht ein, Pfitzner habe sich gedanklich selbst an die Stelle des Palestrina gesetzt und seinem Schöpfergenius derart zu einer Art von mitleidheischender Pose verholfen. Und wenn einem einmal so etwas in den Sinn kommt, dann hat es der weihevolle Atem der Kunst natürlich schwer. Es lag auch an Thomas Moser, der zwar stimmlich präsent war, aber der sich viel zu wenig dem geforderten Weltschmerz und dem kreativen Prozeß, der da in Gang kommt, überließ. Das "Leid der Welt", das lag ihm doch ziemlich fern. Es stimmt auch, dass diese Symbolsprache für das ausklingende 20. Jahrhundert nicht mehr passt. Für Pfitzner lag in der Kunst noch eine wahre "Meisterschaft", ein göttlicher Auftrag. Palestrina rettet in der Oper ja nicht nur die Figuralmusik, sondern die Werke der früheren Meister. Pfitzner stilisierte sich selbst zum letzten dieser Meister. Er markiert, so könnte man es auch sagen, das Ende der "Kunst-Religion" des 19. Jahrhunderts, mit einem letzten, gewaltigen Gottesdienst. (Thomas Mann hat darüber einen interessanten Essay geschrieben.)

Und wahrscheinlich haben wir auch bereits mit einer Art von "Traditionsverlust" zu rechnen. Das Orchester spielte zwar wunderschön, aber es fehlte diese letzte Versenkung in das Werk, die Ekstase, mit der man (noch?) einen Tristan zu spielen vermag. Bei Pfitzer hat man schon vergessen, wie das klingen könnte. Dabei ist der erste Aufzug nur mit dieser mystischen Versenkung zu spielen, im vorwärtstragenden, heiligen Schreiten, das dem Parsifal eigen ist. Sonst muß es zwangsläufig langatmig werden. Der zweite Akt hingegen ist ein Juwel für sich, schon eine dramaturgische Meisterleistung Pfitzers, die Spannung und den weltherrschaftlichen Machtanspruch der Kirche - fast hätte ich geschrieben die Präpotenz - in eine so kompakte Form zu gießen. Da wird Geschichte lebendig, aber zugleich auch ironisch hinterfragt. Und wenn dann Heinz Zednik wieder den Novagerio singt und eine herrliche Charakterstudie abgibt, dann hätte man sich das auch für den Palestrina gewünscht. Der dritte Akt ist voll leisen Schmerzes über das nun endgültig angegangene Altern und Sterben, dem sich kein künstlerischens Aufbäumen mehr entgegensetzen wird. Es hüllt den letzten Akt in ein melancholisches Zu-Ende-Bringen einer mit so viel Energie einstens angefangenen Komposition. Palestrina bleibt allein zurück, einsam, dem "Leid der Welt" wiederum anheimgegeben, und der Erinnerung an seine Frau "Lukrezia".

Aber Thomas Moser wird sicher an der Partie arbeiten, und vielleicht hält sich der Palestrina doch wieder ein paar Jahre am Spielplan. Diesmal hat ihm der 50. Todestag Pfitzners zu einer Rückkehr verholfen, leider ist sie nicht besonders geglückt. Franz Grundheber als Borromeo konnte durchaus noch Akzente setzen, Heinz Zednik war wieder großartig. Blass Bernd Weikl als Kardinallegat, dafür ist er einfach zu hausbacken. Angelika Kirchschlager und Juliane Banse als Silla und Ighino ließen keine Wünsche offen. Peter Schneider am Pult wird mit weiteren Aufführungen sicher adäquater in diesen musikalische Strom des ersten Aktes tauchen, der von Sillas Violinübungen bis zu dem imposanten morgendlichen Aufklingen der Glocken Roms reicht, eindreiviertel Stunden lang. Man kann diesen ersten Aufzug Palestrina wirklich nur als sakrale Handlung verstehen und so auch inszenieren, oder man lässt es ganz bleiben.