ZAUBERFLÖTE 06

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Museumsquartier Halle E
29.3.2006


Libretto: Gloria G. & Thomas Pernes

Musikalische Leitung: Walter Kobéra
Inszenierung: Andreas Leisner
Bühne & Kostüme: Walter Schütze
Chorleitung: Michael Grohotolsky
Licht: Norbert Chmel

amadeus ensemble-wien

Chor der Neuen Oper Wien

Tamino - Alexander Kaimbacher
Pamina - Rebecca Nelsen
Sarastro - Steven Gallop
Königin der Nacht - Gerhard Karzel
Sprecher - Dieter Kschwent-Michel
Zeitungsverkäufer - Mamuka Nikolaishvili
1. Dame - Maria Droulou
2. Dame - Petra Halper-König
3. Dame - Maida Karisik
sowie 5 Businessmen und 3 Boys



Böses Business

(Dominik Troger)

Die Anlassgesetzgebung des Mozartjahres ist ein guter Nährboden für neue Musiktheaterproduktionen, aber in diesem Fall hätte das frisch gezogene Pflänzchen noch viel aufmerksamer Pflege bedurft, um es bis zur Blüte zu treiben.

Die Zauberflöte als Revue, als Thriller oder als sozialkritisches Weltanschauungstheater? Viele verheißungsvolle Blatttriebe, die energetisch ans Licht drängen. Doch künstlerische Kreativität beweist sich vor allem daran, auf die Gartenschere nicht zu vergessen. „Zauberflöte 06“ ist zu viel auf einmal – Revue, Thriller und gesellschaftspolitisches Bekenntnis. Das teilweise obskure Libretto lässt zumindest folgenden Handlungsfaden rekonstruieren: Mr. Sarastro ist ein machthungriger Wirtschaftskapitän, der die Weltherrschaft anstrebt. Pamina möchte ihn daran hindern, wird aber gefangen und getötet. Tamino, der es schafft, Mr. Sarastros Vertrauen zu gewinnen, bringt diesen um und wird sein Erbe.

Das Verhältnis der Figuren zueinander ist schwer durchschaubar, Sarastro und Pamina scheinen sich schon lange zu kennen, Tamino ist auf der Suche nach seinem Vater, findet aber in Pamina sich selbst (oder so ähnlich). Die Königin der Nacht (ein Transvestit) ist Attraktion einer Business-Veranstaltung von Mr. Sarastro, aber ihre tiefere dramaturgische Funktion hat sich mir genauso wenig erschlossen wie die Plastikkanülen, an denen er/sie hängt. Verbale und musikalische Betroffenheitsfloskeln verschleppten mit ihrer seichten, langatmigen Rührung den vage vermuteten Handlungsfortgang zusätzlich. Jeder ordentliche Satz braucht einmal einen Punkt.

Und genau da käme jetzt die Gartenschere an die Reihe: das Design wird festgelegt, die „Zauberflöten 06“-Revue geschneidert (und das wäre sich mit dem Business-Ansatz schon gegangen, aber dann bitte viel beißender, ironischer) – oder der Zauberflöten-Thriller: James Bond-Tamino rettet die Welt vor der bösen Globalisierung, James Bond-Girl Pamina inbegriffen! Die Weltanschauung hätte man in beiden Varianten listig da und dort verpackt, Längen gemieden und aus drei Teilen vielleicht nur zwei gemacht. Dazu gepfefferte Musik und ein paar kurze lyrische Inseln zum Ausruhen und Schmachten. Dass Komponist Thomas Pernes eine gute, stilhybride Mischung zusammenmixen kann (von der psalmodierenden Königin der Nacht bis zu allerhand eingespielten Geräuschen und populärmusikalischem Bassvibrato), war auch anhand dieser unausgegorenen „Zauberflöte 06“ zu erkennen.

So sind mir vor allem einzelne Szenen in Erinnerung geblieben: Etwa der erste Auftritt der Königin der Nacht (Gerhard Karzel), mit aparter, exotischer Wirkung. Er/Sie gab Verse aus dem Hohelied des Königs Salomo zum besten. Für sich genommen eine mit traurig-androgyner Seismographik vorgetragene und klavierbegleitete Gesangseinlage, aber im Kontext des Werkes eines jener rätselhaften Elemente, die sich nicht zu einem runden Ganzen fügen wollten: Ironie, Erinnerung an eine zauberflötenhafte Märchenzeit, trauriges Gedenken an „echte“ und unkommerzialisierte Gefühle? Für zarte Momente sorgten Alexander Kaimbacher (Tamino) und Rebecca Nelsen (Pamina) in den ersten Minuten ihrer noch ganz unschuldigen Liebe – unter geschickter zu Hilfename der berühmten „Bildnisarie“. So musste letztlich Mozart selbst ein wenig aushelfen… Die Idee, Pamina einen Teil der Arie singen zu lassen, hatte einen sehr poetischen Zug – auch wenn die Szene insgesamt dann wieder zu lange dauerte und in einer Geschlechterdiskussion versandete. Offenbar war sich Tamino nicht sicher, ob Pamina ein Männchen ist oder ein Weibchen??!!

Gegen Ende barg die Auseinandersetzung zwischen Mr. Sarastro (stets präsent Steven Gallop) und Tamino einiges an bühnenwirksamem Konfliktpotential. Einmal durfte sich das Fußvolk von Sarastros Company orgienhaft Vergnügen, denn schlussendlich wird es in der Feuerprobe illuminiert und in der Wasserprobe ertränkt. Mr. Sarastro inszeniert einen gewaltigen Untergang, frei nach dem Motto: Doppelt hält besser. Der tote Sarastro verkündet vom Tonband sein Testament und begründet sein Scheitern: der Versuch, das „Böse von der Welt zu kaufen“, habe nicht funktioniert... Also doch nur ein fehlgeleiteter Idealist? (Das Programmheft enthielt eine spartanische Inhaltsangabe – wenn ich etwas beim Handlungsfortgang missverstanden haben sollte, dann ist das nicht meine Schuld.)

Dass sich Papageno (vom Typ gut getroffen Mamuka Nikolaishvili) hinter dem Zeitungsverkäufer verbirgt – „Auuugustin, Auugustiiiin!!!“ – musste man erst einmal kapieren. Die drei Damen von der Eventabteilung waren leicht zu identifizieren. (Ebenfalls gut getroffen: Maria Droulou, Petra Halper-König, Maida Karisik.) Zauberflöte gab es keine und kein Glockenspiel. Das amadeus ensemble-wien unter Walter Kobéra widmete sich der Aufgabe mit gewohnter Akribie.

Die Halle E im Museumsquartier war bei dieser zweiten Vorstellung (Uraufführung: 19. März 06) vielleicht zur Hälfte ausverkauft, mit weniger „Abgang“ in der Pause als befürchtet. Nachher gabs für die Ausführenden verdienten, aber rasch ermüdenden Applaus.