EURIDICE
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Wiener Kammeroper
5.3.2002

Musikalische Leitung: Bernhard Klebel

Inszenierung: Kerstin Maria Pöhler
Ausstattung: Frank Fellmann
Choreographie: Michael Dolan
Licht: Lukas Kaltenbäck

Orchester mit historischen Instrumenten
Chor der Kammeroper
(Premiere: 14.2.2002)

Tragödie/Eurydike/Venus - Claudia Iten
Orpheus - Hubert Wild
Architros - Alexander Plust
Thirsis - Igor Tjuvajev
Amintas - Andries Cloete
Daphne - Tanja Donath
Pluton - Günther Groissböck
Proserpina - Ulrike Dorner
Rhadamanthys/Charon - Stefan Kocán
Erste Chornymphe - Belinda Buchberger-Dörr
Zweite Chornymphe - Isabel Marxgut


"Von den Anfängen der Oper"
(Dominik Troger)

Es verwundert, dass die erste, vollständig überlieferte Oper, Jacopo Peri's "Euridice" aus dem Jahre 1600, erst im Jahr 2002 ihre österreichischen Erstaufführung erlebt hat.

Dieses historische Verdienst darf sich die Wiener Kammeroper auf ihre Fahnen schreiben - jene kleine, aber feine Institution im Herzen der Stadt, die nach unruhigeren Jahren jetzt mit einer klaren, auf "Nischen" ausgerichteten Spielplangestaltung wieder reüssieren kann. Die Produktion der "Euridice" soll auch der Startschuss für eine vermehrte Pflege der Barockoper an der Kammeroper sein: Werke von Cavalli, Monteverdi und Purcell werden für die nächsten Jahre in Aussicht gestellt. Die vorzügliche musikalische Realisierung der "Euridice" macht auch Lust auf mehr.

Vorneweg muss man aber anmerken, dass in der überlieferten Partitur nur die Singstimmen und die Basslinie notiert sind und keine Hinweise auf die Instrumentalbesetzung gegeben werden. Eine Aufführung des Werkes ist also immer auch eine Art von Rekonstruktion. Mit Bernhard Klebel hat sich an der Kammeroper ein ausgewiesenen Spezialist für "alte Musik" Jacopo Peri's zweiter Oper angenommen. Das kleine, auf Originalinstrumenten spielende Orchester sorgte denn auch für einen nahezu betörenden Klang, über dessen Historizität man natürlich geteilter Meinung sein kann. Klebel hat dazu auch im Programmheft ein paar Anmerkung gemacht. So notiert er, dass die musikalische Einrichtung behutsam versuche, "den äußerst geringen instrumentalen Anteil des Werkes zu erweitern. (...) Die Realisierung beschränkt sich neben dem grundlegenden Instrumentarium der Continuogruppe (Lauten, Cembali, Orgel) auf eine einfache Streicherbesetzung, Blockflöten für die Welt der Hirten (die auch von Peri gefordert sind) und Posaunen als Farbe der Unterwelt (...)."

Diese Ausgestaltung ergab dann einen fast lautmalerischen Hintergrund für die stark rezitativische Ausrichtung der Singstimmen, die sich durchaus hin und wieder zu Gefühlsbewegungen hinreißen lassen - allerdings nie wirklich emphatisch werden. Man darf nicht vergessen, dass Peri hier ja völliges Neuland beschritten hat, in der Meinung das antike Drama der Griechen und Römer wieder zum Leben zu erwecken. Peri hat sich deshalb auch stark von der dramatischen Dichtung leiten lassen und nur da und dort zeigen sich erste Manierismen, "ariose" Ansätze, die unvermutet aufblitzen und die etwas monotone Gesamtkonzeption zaghaft aber unvermittelt durchbrechen. Das Ergebnis insgesamt ist eine "virtuelle" Zeitreise in die Anfänge der Oper, die einem in naiver Unschuld entgegenblühen.

Diese "naive" Unschuld war auch in der Inszenierung zu spüren, was einen aber schon ein bisschen befremdete. Der bukolische Beginn mit den Nymphen und Faunen hatte eine Unprofessionalität, die gut zu einigem "postmodernem" Beiwerk, wie neongrünen Haaren, passte. Die Kostüme der Faune mit den läppisch aufgeklebten Blättern vor dem (ohnehin von den felligen Hosen verdeckten) Geschlechtsteil, ironisierten ein wenig die Renaissance- und Barock-Ikonographie und waren zugleich eine Allegorie auf die Bemühtheit des Inszenierungsteams. Sehr statuarisch war der Orpheus angelegt, der mehr durch die Überzeugungskraft eines "blassen Schönlings", denn als herzbrechender Sänger seine Euridice zurückgewann. Die Enge der Bühne hat, so scheint es, hier besonders negativ mit der Personenführung rückgekoppelt.

Gelungen ist der Abstieg des Orpheus in die Unterwelt. Hier hat Ausstatter Frank Fellmann durch im Hintergrund massiv gelagerte, große schwarze Blöcke eine Art von "Eingang" simuliert, in den von schräg oben weißes Licht fällt. Der Eingang führt auf einen Laufsteg (der im ersten Akt als weißbetuchte Hochzeitstafel gedient hat). Orpheus wandelt dann langsam diesen transparenten Plastiksteg entlang. An seinem Ende liegt Euridice dareingebettet - zu Orpheus Füßen - allen Blicken bloßgelegt. Pluto und Proserpina sind zuerst nicht zu sehen, schwarz gewandet vor dem schwarzen Hintergrund. Verbunden mit der weihevollen Orchestrierung und dem Unterweltschor ergab das eine stimmungsvolle Umsetzung dieser Schlüsselszene. Auch sonst waren die szenischen Übergänge bühnentechnisch sehr gut gelöst - gespielt wurde ja ohne Pause, durchgehend ein Akt an den nächsten gereiht.

Das SängerInnen-Ensemble stolperte ein wenig über die deutsche Übersetzung von Richard Bletschacher, die sich im Gesangsvortrag oft genug als zu spröde erwies. Das ist natürlich auch eine Frage des Gesangsstils an sich, der für diese frühe Zeit der Oper eines besonderen Nuancierungsreichtums bedarf. Das gelang mal besser, dann wieder weniger. Doch insgesamt hinterließen die SängerInnen einen guten Eindruck.

Die Kammeroper hätte an diesem Abend noch eine ganze Reihe an Besuchern vertragen können, die Anwesenden dankten mit herzlichem Applaus.