ADRIANO IN SIRIA
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Theater an der Wien
16. Dezember 2016
Konzertante Aufführung

Musikalische Leitung: Jan Tomasz Adamus

Capella Cracoviensis

Farnaspe - Franco Fagioli
Adriano - Yuriy Mynenko
Emirena - Romina Basso
Sabina - Dilyara Idrisova
Osroe - Juan Sancho
Aquillo - Sofia Formia


Virtuose Partherbefriedung
(Dominik Troger)

Giovann Battista Pergolesis „Adriano in Siria“ wurde im Theater an der Wien in einer konzertanten Aufführung gegeben – und für barockopernaffine Musikliebhaber war der Abend wegen der hochkarätigen Besetzung ein Pflichttermin.

„Adriana in Siria“ beruht natürlich auf einem Libretto von Pietro Metastasio, Romano Poeta Cesareo. Die Uraufführung fand 1734 in Neapel statt. Die Handlung serviert die übliche barocke „Seifen-Oper“ um Liebe, Intrige, Eifersucht und einen schlussendlich geläuterten Machthaber, der seine Emotionen bezähmt hat und sich tugendhaft als vorbildlicher Herrscher erweist. Hinter Adriano verbirgt sich der römische Kaiser Hadrian, der späteren Jahrhunderten als vorbildlicher Herrscher gegolten hat. Adrian hat gerade den Parthern gezeigt, wo Rom liegt, wird aber durch seine Liebe zu Emirena, der Tochter des Partherkönigs Osroa, aus dem seelischen Gleichgewicht gebracht. Sowohl der parthische Feldherr Farnaspe – der Verlobte von Emirena – als auch die Römerin Sabina – mit Adriano verlobt – haben etwas dagegen. Aquillo, der Vertraute des Kaisers, der ein Auge auf Sabina geworfen hat, vermehrt durch seine Ränke die Verwirrung. Aber die Geschichte geht natürlich gut aus und im Finale bilden sich die richtigen Pärchen. Außerdem setzt der Kaiser den Partherkönig großmütig wieder als Herrscher ein.

Musikalisch dominiert vor allem die sängerische Virtuosität – und ein insgesamt ein wenig zu einheitlicher, „repräsentativer Tonfall“. Bei der Uraufführung hat der berühmte Kastrat Caffarelli den Farnaspe gesungen, und Pergolesi hat dem Sänger eine Partie in die Kehle geschrieben, bei der man als Zuhörer auf das Atmen vergisst, weil man befürchtet, dem vortragenden Künstler selbst könnte die Luft ausgehen. Was natürlich nicht der Fall ist.

Pergolesi hat Caffarelli nichts geschenkt. Schon seine erste Arie „Sul mio cor so ben“ jagt den Sänger des Farnaspe in den ersten Takten in Intervallsprünge, die insgesamt zwei Oktaven umfassen. Das zündet wie ein Raketenstart und hier kann der ausführende Künstler gleich seine „Visitenkarte“ abgegeben. Die Krönung, ein Zwei-Oktaven-plus-einen-Halbton-Sprung in die Tiefe, gleichsam wie das Abtauchen vom Zehn-Meter-Brett, hat Pergolesi dem Sänger für die Arie „Torbido in volto e nero“ vorbehalten, der Nummer, die den zweiten Akt beschließt. Und damit dem Sänger nicht langweilig wird, ist die ganze Arie noch mit langen Sechzentelketten garniert. Solch virtuoser Einsatz der Stimme kommt schon Trapezkünstlern gleich, die sich auf langen Seilen durch die Luft schwingen. Auch Pergolesi ist der Mode der neapolitanischen Oper gefolgt, dergleichen ein wenig zu übertreiben. Musikalisch von großem Reiz ist das Finale des ersten Aktes, wenn Farnaspe in „Lieto cosi tavolta“ im Duett mit der Oboe seine sentimentale Seite entdeckt. Er singt von einem Vogel, der in Fesseln an die Liebe denkt und an die Freiheit.

Franco Fagioli war als Farnaspe angesetzt. Sein Countertenor besitzt einen außergewöhnlich großen Stimmumfang – und den konnte er an diesem Abend exemplarisch demonstrieren. Sein Timbre ist sehr charakteristisch, trägt etwas breiter auf, als bei Countertenören meist gehört, wie mit einem etwas markanterem Parfum odoriert – und beim genannten „Lieto cosi tavolte“ folgte es dem verführerische Klang der Oboe mit viril konturierendem Gesang, der die traurige Süße des Oboenklangs wie mit einem Stück feinherber cremiger Schokolade abgeschmeckt hat.

Dem Publikum im gut besuchten Theater an der Wien wurde aber auch die Möglichkeit zu einer sängerischen Neuentdeckung geboten: Dilyara Idrisova hat sich von Ufa aus auf die Opernbühnen der Welt geschwungen und bei ihrem Erstauftreten im Theater an der Wien gleich ein ganz großes Versprechen für die Zukunft abgegeben. Als Sabina überzeugte sie mit ihrem lyrischen Koloratursopran, der mit einer weichen, leicht rotgoldenen Färbung angereichert war, die ihm einen mediterranen Glanz verlieh. In der Höhe dominierten klare und sichere Spitzentöne und den Verzierungen folgte sie mit beweglicher und detaillierter Ausführung. Jugendlichkeit und Frische überdeckten noch ein wenig den dramatischen Ausdruck.

Bei der Uraufführung war die Partie des Adriano von einer Sopranistin gesungen worden. Im Theater an der Wien trat der Countertenor Yuriy Mynenko an. Seine Stimme ist feiner und klarer timbriert als jene von Fagioli, mit einem nicht sehr breiten, aber festen Kern, der ihr eine klare Fassung gibt. Mynenko entledigte sich seiner Aufgabe mit großem Geschick und stimmlicher Geläufigkeit, auch wenn Pergolesi die deutlich effektvolleren Nummern dem Farnaspe übertragen hat.

Die Partherkönigsprinzessin Emirena wurde von Romina Basso gegeben. Bassos Mezzo ist schon längst eine Barockopern-Koryphäe. Ihr überaus gepflegter, leicht manierierter Gesang war für die Partie aber vielleicht schon eine Spur zu „seriös“ und hätte etwas energetischer ausfallen können. Höhepunkt war das Duett mit Fagioli-Farnaspe im dritten Akt, in dem die beiden Stimmen sich im Ausdruck bestens ergänzten und Fagiolis Energie und Bassos Beständigkeit ergreifend zusammenfanden. Sie hat übrigens vor zwei Jahren in der Vertonung des Stoffes von Francesco Maria Veracini in einer konzertanten Aufführung im Theater an der Wien die Sabina gesungen.

Als Emireas Vater ließ Juan Sancho einen in der letzten Zeit leicht baritonal gereiften, aber nach wie vor schlanken und agilen lyrischen Tenor hören, der seinen parthischen Zorn mit Vehemenz gegen die Römer zu richten vermochte. Pergolesi hat dem Osroa einige effektvolle Nummern komponiert, die Sancho ebenso effektvoll zu realisieren vermochte. Sofia Formia steuerte mit ihrem lyrischen Sopran den Aquillo bei, eine Figur, deren Intrigenpotenzial Pergolesi – wie mir scheint – nicht so richtig entwickelt hat. Formia blieb, bei ansprechender Leistung, in der Aufmerksamkeit des Publikums ein wenig zurück. Diese Partie war schon bei der Uraufführung als Hosenrolle für einen Sopran angelegt worden, und sie hebt sich dadurch als Vertrauter, aber auch als Gegenspieler Adrianos womöglich zu wenig von der Titelfigur ab.

Die Capella Cracovensis unter Jan Tomasz Adamus spielte mit leicht seidigem Violinklang und vermied allzu ruppiges Spiel und zu starke Bassbetonung. Über Pergolesis Musik legte sich auf diese Weise ein zukunftsweisender frühklassischer Schimmer, den ich als ansprechend empfand. Die Oboistin, die ihre solistischen Qualitäten in der besagten Arie bewies, sei noch besonders herausgestrichen.

Das Publikum spendete nach Ende der Vorstellung für die gelungene Aufführung minutenlangen, begeisterten Beifall und hatte schon nach einzelnen Arien mit Applaus nicht gegeizt. Der Abend dauerte etwas über drei Stunden inklusive einer Pause.