L'OLIMPIADE
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Theater an der Wien
24.2.2011
Konzertante Aufführung

Musikalische Leitung: Alessandro de Marchi

Ensemble Academia Montis Regalis

Clistene - Carlo Vincenzo Allemano
Licida - Jennifer Rivera
Megacle - Olga Pasichnyk
Aristea - Raffaella Milanesi
Argene - Ann-Beth Solvang
Alcandro - Martin Oro
Aminta - Markus Brutscher


Sportliche Gefühle
(Dominik Troger)

Mit großen Gefühlsaufwallungen rund um die „Olympischen Spiele“ füllte Giovanni Battista Pergolesis 1735 uraufgeführtes Drama per musica „L´Olimpiade“ das Theater an der Wien. Die konzertante Aufführung basierte auf einer Produktion der Innsbrucker Festwochen für Alte Musik aus dem Vorjahr.

„L´Olimpiade“ beruht auf einem überaus erfolgreichen Libretto des Pietro Metastasio, das nicht nur von Pergolesi vertont worden ist. Das Programmheft zur Aufführung nennt Antonio Caldara (als „Erstvertoner“ 1733), aber auch Pasquale Anfossi, Domenico Cimarosa, Niccolò Piccini, Giuseppe Sarti und weitere mehr.

Die Geschichte bietet alles, was sich ein barockes Opernpublikum offenbar gewünscht hat. Megacle, ein sportlicher Typ, der an den Olympischen Spielen teilnimmt, gewinnt als Siegespreis die Hand von Aristea, Tochter von König Clistene. Megacle, der frühere Geliebte der Aristea, war einst dem königlichen Vater nicht genehm gewesen und als Antwort in ferne Lande gezogen, Aristea ihm aber treu geblieben. Leider hat Megacle versprochen, seinen Siegespreis aufgrund persönlicher Verpflichtungen an den Sohn des kretischen Königs Licida abzutreten, der sich in Aristea verliebt hat, aber eigentlich deren Zwillingsbruder ist. Dieser wurde als Kind ausgesetzt und gelangte an den kretischen Hof. Die Gefühlsverwirrungen und lebensbedrohlichen Situationen, die sich für die Beteiligten aus dem Olympiasieg von Megacle ergeben, sind Inhalt der Oper.

Pergolesi wurde bekanntlich nur 26 Jahre alt. Die Musik, die er hinterlassen hat, markiert in der Oper das herannahende Ende schematisierter barocker Ausdruckskunst. In „L´Olimpiade“ überrascht immer wieder ein ungezwungener Tonfall, der die Musik aus einem genialisch-jugendlichen Ärmel schüttelt, und der in seiner Fülle und in seiner Fähigkeit die Figuren in einigen Arien bereits mit einem Zug ins Individuelle auszustatten über den Affekt das ganz persönliche Schicksal entdeckt. Hier ist beispielsweise im zweiten Akt das „Se cerca, se dice“ des Megacle zu nennen, eine rührende Abschiedsszene, in der Pergolesi die schwierige Gefühlslage Megacles nur mehr schwer mit barocker Formensprache bezähmt – oder das Finale des zweiten Aktes, wenn Licida vor den Trümmern des so hübsch ausdachten Planes steht und das Pathos der Aufklärung sich mit einer anderen, neuen Art von Sentimentalität erfüllt, die den persönlichen seelischen Schmerz zu meinen scheint.

Die Aufführung im Theater an der Wien war zwar konzertant, wurde zum Teil aber deutlich von der Szene beeinflusst. Das Werk war in Innsbruck 2010 szenisch erarbeitet worden – mit einer – glaubt man den Berichten – Spieldauer von fünf Stunden (inklusive zwei Pausen). Im Theater an der Wien waren es nur drei Stunden (inklusive einer Pause). Es wurde einiges gekürzt, leider wurden die Striche im Programmheft nicht angemerkt.

Das statische mit den Noten in der Hand bzw. am Pult ins Publikum singen wurde durch Auf- und Abtritte und das deutliche „Schauspiel“ einiger Mitwirkenden belebt. Vielleicht geriet dadurch die Art des Gesangsvortrags expressiver und übertünchte damit ein wenig die eigentlich geforderte, aber nicht bei allen Mitwirkenden in Summe wohl so prägnant vorhandene Virtuosität im Umgang mit ihrer Stimme. Zwei Folgeerscheinungen waren (zu) forciert gesungene Spitzentöne und (zu viel) Vibrato.

Olga Pasichnyk als Megacle ließ mit ihrem leicht angedunkelten Sopran an diesem Abend die für meinen Geschmack ausdifferenzierteste Stimme hören, mit gestaltungsfähigem, lyrischem Ausdruck, bei Spitzentönen nicht mehr ganz so klangschön. Jennifer Rivera (Mezzo) sorgte als Licida für viel Schwung, in den Momenten des Innehaltens und der Selbstzweifel hätte eine weicher gerundete, klangsinnlichere Stimme vielleicht noch ganz andere Farben auf der Gefühlsskala entdeckt. Ähnliches gilt auch für die Aristea der Raffaella Milanesi (Sopran) und für die Argene der jungen Norwegerin Ann-Beth Solvang (Mezzo). Die Männerstimmen erwiesen sich den Damen in etwa als ebenbürtig, auch hier fehlte mir in Summe die Exklusivität genussvollen Virtuosentums - vom etwas kräftigeren, virileren Tenor des Carlo Vincenzo Allemano über die lyrischere Ausprägung des Markus Brutscher bis zum Counter des Martin Oro, der dem Vertrauten schon einen leichten Zug ins Buffoneske angedeihen ließ.

Das Orchester, die Academia Montis Regalis, vermittelte unter Alessandro de Marchi einen schwungvollen, wendig vorgetragenen, aber zugleich differenziert gespielten Pergolesi, mit deutlich herausgearbeiteten dynamischen Nuancen durchsetzt.

Das Theater an der Wien war gut besucht, die leeren Plätze aber nicht zu übersehen. Das Publikum spendete dankbaren Schlussapplaus.