IL BARBIERE DI SIVIGLIA
Aktuelle Spielpläne
Forum
Opernführer
Chronik
Home

Theater an der Wien
16. Februar 2015
Premiere

Dirigent: René Jacobs

Inszenierung: Moshe Leiser & Patrice Caurier
Bühne: Christian Fenouillat
Kostüme: Agostino Cavalca
Licht: Christophe Forey

Freiburger Barockorchester

Dottore Bartolo - Pietro Spagnoli
Rosina - Mari Eriksmoen
Figaro - Andrè Schuen
Almaviva - Topi Lehtipuu
Basilio - Fulvio Bettini
Giovenetta / Un alcade - Erik Arman
Svegliato - Christoph Seidl

„Unterhaltsame Ausgrabung“
(Dominik Troger)

Giovanni Paisiellos „Il barbiere di Siviglia“ war seinerzeit ein gern gesehener Gast in der Wiener Kammeroper und von Anfang der 1960er-Jahre bis 1985 in mehreren Produktionen in dem kleinen Saal am Fleischmarkt auf Besuch. 30 Jahre später gibt es jetzt wieder eine Neuproduktion – und zwar im Theater an der Wien.

Paisiellos „Barbier“ auf die bekannte Komödie von Beaumarchais wurde 1782 in St. Petersburg uraufgeführt – und die im Theater an der Wien gezeigte Produktion hält sich an diese Erstfassung (ein paar Jahre später hat der Komponist die Oper für Aufführungen in Neapel überarbeitet). Musikalisch ist die Nähe Mozarts deutlich und der vier Jahre nach dem „Barbier“ zur Aufführung gebrachte „Figaro“ könnte fast als geniale „Fortschreibung“ von Paisiellos Opernkunst verstanden werden. Mozart hat von Paisiello viel gelernt – das fällt nicht nur bei den Ensembles auf.

Als Rossini 1816 mit seinem „Barbier“ herauskam, waren die Tage von Paisiellos Oper allerdings gezählt. Rossinis „Barbier“ verdrängte mit seiner buffonesken Übertreibung, den zugespitzten Charakteren, den eingängigeren Melodien Paisiellos „Dramma giocoso“ nach und nach von den Operbühnen. Trotzdem wird diese Oper heute unter ihrem Wert gehandelt, weiß sie doch nicht nur wegen der unübertrefflichen Vorlage von Beaumarchais gut zu unterhalten. Das Terzett mit Bartolo, dem gähnenden Svegliato und dem nießenden Giovinetto zählt beispielsweise zu den amüsantesten Musiknummern, die die Operngeschichte kennt.

Das Regieteam Moshe Leiser und Patrice Caurier versetzte die Handlung ins Spanien der 1940er-Jahren, um der turbulenten Geschichte einen Rahmen voll vordergründiger Moralität zu verleihen. Und dieser Rahmen hat die Komödie zu „streng“ angeschaut und mit dem von Brauntönen beherrschten, optisch unauffällig „kolorierten“ Wohnzimmer Bartolos nicht gerade das Lustspiel beflügelt. Ebenso von blassem Naturalismus angekränkelt vermittelten die Kostüme – Rosina als farbloses „Schulmädchen“ mit unattraktiver Bluse, beigem Rock und weißen Söckchen angetan – nicht gerade den spritzigen Humor der von Beaumarchais mit Uhrmacherverständnis verzahnten Pointen. Vor allem der erste Teil litt darunter, nach der Pause wurde es „griffiger“.

Am Beginn war Bartolos Zimmer in den Bühnenhintergrund verschoben, im weitgehend leeren Vordergrund wurden die Straßenszenen gezeigt. Das Regieteam erzielte dadurch eine optische Parallelität: Während der Graf im Vordergrund ein Ständchen sang und zu einer der ersten Logen hinauf schaute, sah man im Bühnenhintergrund Rosina verzückt hinter den Jalousien am Fenster stehen. Später „wanderte“ das Zimmer nach vorne in die Nähe der Rampe.

Die Personenregie suchte die Pointe, meist ohne dabei zu übertreiben. Für Dottore Bartolo hegten Leiser & Caurier eine gewisse Sympathie. Und wenn der ältere Mann in seinen Gefühlen schon von der Jugend „abmontiert“ wird, dann darf er am Schluss – nach einem Selbstmordversuch mittels Seil und Wohnzimmerluster – zumindest mit einem seine unerfüllte Liebe tröstenden Hündchen über die Bühne marschieren. Die Zwischentöne des Dramma giocoso wurden anhand dieser Figur gut herausgearbeitet – und Pietro Spagnioli hat das schauspielerisch und gesanglich auch vorzüglich umzusetzen vermocht.

Wahrscheinlich wurde dadurch die Wahrnehmung insgesamt beeinflusst: Spagnioli war einfach der präsenteste Sänger auf der Bühne – und die anderen Mitwirkenden konnten ihm nicht „die Schneid abkaufen“: Mari Eriksmoen sang eine hübsche, aber nicht wirklich virtuose Rosina, die von einem Mauerblümchendasein überschattet wurde, das ihr das schon geschilderte Kostüm aufgezwungen hat. Topi Lehtiopuu hatte seine starken Momente als verkleideter Basilio, während er als gräflicher Liebhaber stimmlich zu wenig Schmelz auf die Waagschale legte. Andrè Schuen hatte mit dem Manko zu kämpfen, dass der Figaro hier weniger zu tun bekommt, als der Titel der Oper vorgibt. Und sein wendiger, schön timbrierter Bariton hätte sich kerniger profilieren können, sozusagen um das geschickt geführte Rasiermesser mit etwas mehr Nachdruck handzuhaben. Fulvio Bettini war ein mit guter Komik agierender und singender Don Basilio. Erik Arman und Christoph Seidl verhalfen zusammen mit Pietro Spagnioli dem schon erwähnten Terzett zu einem schönen Erfolg und Szenenapplaus.

Das Freiburger Barockorchester unter René Jacobs – der laut Programmheft Paisiello bei der Erstellung der Fassung für diese Produktion ein wenig „geholfen“ hat – fand erst im Laufe des Abends zu einem humorvollen, schwungvollen Spiel. Es gab rund sieben Minuten langen, ungetrübten Schlussapplaus. Der Abend dauerte inklusive einer Pause rund zweidreiviertel Stunden.

PS: Die Inszenierung machte aus dem alten Diener Giovinetto die Dienerin Giovenetta.