DIE LUSTIGEN WEIBER VON
WINDSOR
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Volksoper Dirigent: Sascha Goetzel Textliche Einrichtung für die Volksoper: Alfred Kirchner und Helene Sommer |
Sir John Falstaff -
Lars Woldt |
Otto Nicolais „Die lustigen Weiber von Windsor“ sind eine liebenswerte Mischung aus Singspiel- und romantischer Oper mit einem leichten, oft tänzerisch-beschwingten Tonfall. Das Werk ist an der Volksoper fest verortet und kann seit 1906 auf eine durchgängige Aufführungstradition verweisen. Die Geschichte vom ausgefressenen Herrn Falstaff, der sich bei zwei Damen „gleichzeitig“ als Liebhaber anträgt und für seine Vorwitzigkeit nicht nur mit einem Bad in der Themse bestraft wird, stammt – wie so vieles – aus der Hand Shakespeares. Ob von der harmlosen, verbiedermeierlichten Liebenswürdigkeit der Nicolai’sche Fassung aber mehr als die Ouvertüre das 21. Jahrhundert „überleben“ wird? Da könnten einem schon Zweifel kommen. Die deutsche „Spieloper“ ist insgesamt, wie es scheint, ein wenig aus dem Fokus gerückt. An der Volksoper standen in den letzten zehn Jahren – wenn mich meine Erinnerung nicht trügt – nur „Zar und Zimmermann“ und „Martha“ auf dem Spielplan. „Martha“ war im Premierenjahr ein großer Publikumserfolg, es wurden sogar Vorstellungen eingeschoben. „Dauerbrenner“ wurde aber keiner daraus. Musikalisch ist Nicolai an der Volksoper in guten Händen. Sascha Goetzel bettet die „Lustigen Weiber“ auf einen schönen Streicherklang, lässt die Musik tanzen oder empfindungsfähig „romantisieren“. Dabei geht es nicht „marktschreierisch“ zu, sondern man folgt einem angenehmen „Singspielton“, der da und dort schon fast operettenhaft in die leichtere Muse übergleitet. Das klingt stilsicher, hat Unterhaltungswert, kehrt die illustrativen Momente der Musik ebenso heraus wie sie in Liebesregung strömt, wenn Fenton und Anna am Singen sind. Schwungvoll gelang für meinen Geschmack auch das Finale mit musikalischer Heiterkeit, ohne dabei „überdreht“ zu wirken. Das Ensemble wurde von der wieder überaus koloratur- und höhensicher agierenden Jennifer O’Loughin angeführt. Als Frau Fluth düpierte sie mit Spielwitz Falstaff und ihren eifersuchtskranken Gemahl. Sie präsentierte die Rolle in einer guten Abmischung zwischen „gestandener Ehefrau“ und mädchenhaft weiblicher List. Lars Woldt gab einen sympathischen Falstaff. Stimmlich ist er bis in tiefere Region des Falstaff’schen Bauches präsent, nur ganz unten wird’s dann ein wenig leise. Ansonsten vermag er wohlgetönt zu „schalmeien“, zu „poltern“ oder die Bürger von Windsor „unter den Tisch zu trinken“. Als originären Komödianten würde ich Woldt allerdings nicht einschätzen. Seine Darstellung bleibt zu unverbindlich und zu wenig mitreißend, sucht auch nicht die Komplizenschaft des Publikums. Falstaff ist in dieser Inszenierung ein bisschen Hippie-Relikt, jedenfalls Aussteiger und Besitzer eines (Zitat Programmheft): „restaurierten und umgebauten VW-Bus T2“. Doch davon später. Herr Fluth führte bei Morten Frank Larsen nicht die feine Klinge der Komödie, und spätestens hier ist ein Verweis auf die Inszenierung angebracht, deren Humor des öfteren – wie Herr Fluth über die Bühne – in plumpen Gummistiefeln durch den bunten Melodiengarten Otto Nicolais marschierte. Die Eifersucht nimmt hier schon psychopathologische Züge an, eine überzeichnete Karikatur, der Larsen mit festem Bariton auch gesanglichen Ausdruck verlieh: ein Fluth mit Wagner-Touch im schrebergärtlichen Kleinbürger-Milieu. Die regiebedingte Zeichnung der Männer (bis auf Fenton) ist überhaupt der schwächste Teil dieser Produktion. Hier muss gleich Martin Winkler (Herr Reich) angeschlossen werden, im hellblauen Trainingsanzug (aber mit Krawatte!) und natürlich mit Gummistiefel: Winkler strich die regiebedingt betonte, untergründig gefährliche Gemütlichkeit Reichs sehr gut heraus, ein markantes Rollenportrait, aber doch irgendwie deplaziert. Es ist die Frage, ob gerade dieses Werk dazu taugt, verschrobene Biedermänner als kleine, selbstgefällige Widerlinge zu entlarven. Aber diese Frage geht natürlich an Alfred Kirchner, den Regisseur. Fenton (Daniel Behle) ist in dieser Inszenierung Pilot eines roten Dreideckers, von Beruf offenbar kaiserlich-deutscher Kampfflieger (= Roter Baron! Da gesellte sich zum VW-Bus überraschender Weise noch eine Fokker Dr.I). Das Flugzeug schwebte zum Duett mit Anna wirklich vom Bühnenboden herab, Behle saß lässig im offenen Cockpit und sang dabei „schwindelfrei“. Sein lyrischer Tenor ist sehr einnehmend, kräftig, flexibel, besitzt sogar eine feinere, mediterrane Kantabilität. Sobald er mit beiden Beinen auf dem Boden stand und sich mit Anna duettiert hatte, machte sich das Flugzeug alleine auf und davon. Ein hübscher Gag, der am Premierenabend seine Wirkung beim Publikum nicht verfehlte. Seine beiden Widersacher um die Gunst Annas, Karl-Michael Ebner (Junker Spörlich) und Marco Di Sapia (Dr. Cajus), fügten sich engagiert in den viel zu stark überzeichnenden Humor der Regie und konnten einige Lacher für sich verbuchen. Anna lag bei Andrea Bogner in zarter, liebreizender Kehle: das verband sich mit Fenton zu einem attraktiven Liebespaar. Ihre Bühnenmutter, Frau Reich, fand in Alexandra Kloose tiefere Töne und mit ihrer Ballade vom Jäger Herne im dritten Akt durfte sie stimmungsvoll „schaurige“ Weisen anschlagen. Die stumme Rolle von Falstaffs Diener (Florentina Kubizek) war als Hase ausgeführt, der sich schlussendlich als Mädchen vom Ballett entpuppte!!! Falstaff verließ in dieser anmutigen Begleitung das muntere Treiben im Walde, beide gingen nach dem Hintergrunde zu ab. Falstaff war, wie schon erwähnt, mit einem campinggerechten VW-Bus unterwegs: diese Idee funktionierte. Der Bus wurde auch immer wieder attraktiv ins Geschehen einbezogen. Die Häuser der Biederbürger hatten hingegen Spielplatzformat und würden vor allem Kinder entzückt haben. Sie sind offenbar berollt, werden von den Sängern nach Bedarf auf die Bühne geschoben. Ihre altdeutsche Architektur passte zu den Kostümen der Damen. Die Bühne zeigte sich offen, im Hintergrund durch eine halbkreisförmige Wandung abgedeckt. Bühnenmittig befand sich eine Flügeltüre, durch die zum Beispiel Falstaff seinen ersten Auftritt nahm. Wald wurde durch ein paar Bäume angedeutet, die an eingetopfte Christbäume erinnerten. Der Hintergrund, meist in dunkleren Blau- oder Grüntönen gehalten, ließ naturstimmige Effekte zu. Hübsch zeigten sich die Kostümierungen der „Windsorianer“ im Schlussbild, das schwungvoll choreographiert war. Allerdings, ganz irritationsfrei ging der Abend doch nicht über die Bühne: Etwa seltsam muteten in diesem Schlussbild die männlichen Choristen an, die in weiße Beinkleider gesteckt, deutlich mittels stabförmigem Hilfsmittel eine geschlechtliche Erregung vortäuschten. Vielleicht sollte dadurch auf ein dionysisches Bacchanal der Windsorianer hingewiesen werden, auf die leichte Erregbarkeit männlicher Triebe in einer lauen, von schlanken Elfenbeinchen durchtapsten Sommernacht. Von der Galerie aus konnte man den Sachverhalt zwar feststellen, er fiel aber optisch nicht weiter ins Gewicht. Da stachen einem die vier wohlgerundeten Choristinnen mehr ins Auge, die in reizvolle schwarze Unterwäsche gehüllt, Falstaff den einen oder anderen Rempler versetzten und sich dem dicken Manne sozusagen als Gespielinnen „auf Bauchhöhe“ anboten. Sehr eigentümlich gestaltete sich auch die Szene im Gasthof zum Hosenbande: Die Bürger waren als Zwerge (!!!!!) kostümiert. Das Publikum applaudierte nach Ende der Vorstellung den Ausführenden sehr erfreut, hatte es doch schon auf offener Szene bei der einen oder anderen Arie Beifall und sogar Bravorufe beigesteuert. Die Verbeugung des Regieteams wären wohl kaum beachtet worden, hätten sich nicht zwei, drei Buhrufer in den Vordergrund gedrängt. Fazit: Musikalisch ein Erfolg; szenisch trotz einiger ansprechender Ideen mit viel zu plumpem Humor, der dem reizvollen Charme des Werkes mehr Schaden zufügte, als ihn hilfreich zu befördern. |