HALKA
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Theater an der Wien
15. Dezember 2019
Premiere

Dirigent: Lukasz Borowicz

Inszenierung: Mariusz Trelinski
Bühne: Boris Kudlicka
Köstüm: Dorothée Roqueplo
Choreographie: Tomasz Wygoda
Licht: Marc Heinz
Videodesign: Bartek Macias

ORF Radio-Symphonieorchester Wien
Arnold Schönberg Chor

Halka - Corinne Winter
Janusz - Tomasz Konieczny
Jontek - Piotr Beczala
Stolnik - Alexey Tikhomirov
Zofia - Nataloa Kawalek
Dziemba -
Lukasz Jakobski
Dudziarz - Sreten Manojlovic
Goral - Paul Schweinester


„Polnische Gesangsgala“
(Dominik Troger)

Das Theater an der Wien hat knapp vor Weihnachten noch eine Opernrarität angesetzt: „Halka“ von Stanislaw Moniuszko. Das Werk zählt in Polen zum „nationalen Kulturgut“, wird außerhalb Polens aber nur wenig gespielt.

In Wien wurde die Oper zuletzt in den 1960er-Jahren an der Volksoper in deutscher Fassung gegeben, mit Marcel Prawy als ihrem „Protegé“. Bei einem Gastspiel des Teatr Wielki im November 1989 an der Wiener Staatsoper wurde Moniuszkos „Gespensterschloss“ gezeigt. „Halka“ war ursprünglich zweiaktig angelegt, der Komponist hat das Werk später auf vier Akte erweitert. Diese heute gängige Fassung wurde 1858 uraufgeführt.

Die Handlung erzählt im Wesentlichen eine Dreiecksgeschichte zwischen dem Adeligen Janusz, der Bauerntochter Halka und dem Burschen Stolnik. Halka will in ihrer unerfüllbaren Liebe zu Janusz, von dem sie ein Kind erwartet, nicht ablassen, obwohl sich Janusz standesgemäß mit Zofia verlobt. Halka stört im ersten Akt die Verlobungsfeier, wird von Janusz vertröstet und kehrt dann mit Stolnik in ihr heimatliches Dorf zurück. Die Akte drei und vier spielen in diesem Bergdorf, das zum Besitz des Janusz gehört. Dort soll auch die Hochzeit zwischen ihm und Zofia stattfinden. Die von ihrer unerfüllbaren Liebe sichtlich zerrüttete Halka möchte während der Hochzeitsfeierlichkeiten zuerst Rache nehmen und die Kirche anzünden, geht dann aber ins Wasser.

Obwohl Anklänge an das „Sozialdrama“ des 19. Jahrhunderts feststellbar sind, bleiben die Figuren schematisch und die Dramaturgie ist etwas „schwammig“. Die Länge ist allerdings recht praktikabel und stilistisch nimmt Moniuszko Anleihen bei der französischen Oper, bei der deutschen Spieloper und bei Verdi, wenn es um Arien und große Gefühle geht. Die Tanzeinlagen bringen einen „operettenartigen“ Schwung in die Handlung. „Halka“ ist kein „psychologisches Drama“, Halkas Festhalten an ihrer unerfüllbaren Liebe hat einen Zug von rührender, „romantisierender“ Naivität, der die soziale Sprengkraft stark überdeckt.

Es ist empfehlenswert, sich über die Handlung vor dem Besuch der Vorstellung im Theater an der Wien bei einer seriösen Quelle zu informieren, denn die Inszenierung erzählt eine stark verzerrte Geschichte – und eine Inhaltsangabe der Oper „Halka“ sucht man im Programmheft vergebens. Es wurde nur – wie das leider in höchst manipulativer Weise immer üblicher wird – der Inhalt aus dem Blickwinkel der Regie abgedruckt. Regisseur Mariusz Trelinski hat aus der von Moniuszko linear erzählten Handlung, eine Handlung mit Rückblenden gemacht: Janusz steht im Mittelpunkt, ein Janusz, den Halka wie ein als Geist personifiziertes schlechtes Gewissen verfolgt, und der dabei reichlich dem Alkohol zuspricht.

Der Regisseur hat in einem Interview im Programmheft zur Aufführung betont, dass er die Handlung zu einem Kreis formen möchte: „Echtzeit-Ereignisse werden mit Erinnerungen verflochten, so dass das Publikum die klare Möglichkeit verliert, zu unterscheiden, was wann passiert ist.“ Ob das gegenüber einem Publikum sinnvoll ist, dass der Oper „Halka“ zum ersten Mal begegnet, steht auf einem anderen Blatt. Möglicherweise hatte Trelsinki bei der Konzeption mehr die aktuelle politische Wirklichkeit in Polen im Auge, als das Wiener Publikum, handelt es sich doch um eine Koproduktion des Theaters an der Wien mit dem Teatr Wielki Warschau. Aus der hiesigen Perspektive ist das schwer zu beurteilen.

Trelinski hat beim Film begonnen, das merkt man. Schon die Ouvertüre wird wie als düstere Einleitung zu einem Krimi inszeniert, der Tatort wird von grauuniformierten Polizisten aufgenommen, später die Leiche Halkas im Ballsaal verwahrt. Statt Landadel- und Bauernmilieu bekommt man von ihm ein Hotel im Kommunismus der 1970er-Jahre präsentiert. Halka ist ein Serviermädchen, Janusz feiert mit Zofia eine Art „Oligarchenhochzeit“. Halka wird dann noch ihr Kind verlieren, auf der Bühne mit von der Fehlgeburt blutbefleckten Oberschenkeln herumwanken und im Wahn den Fötus verbuddeln. Was im Film funktioniert, kann auf der Bühne sehr schnell sehr abgeschmackt wirken.

Wie so oft beim Verlegen der Handlungszeit stimmt das im Libretto geschilderte Milieu mit dem auf der Bühne dargestellten nicht mehr über ein – und auch der Text passt nicht mehr dazu: Halkas Sprechen in Naturbildern passt schwerlich zu einem modernen Serviermädchen. Die Personenführung war gut gearbeitet, die Drehbühne zeigte das Hotel, vom Einzelzimmer über den Festsaal bis zur Küche mit erdäpfelschälendem Personal. Szenisch im Fokus stand eine sehr direkte, veristische Art der Darstellung.

Musikalisch hatte die Premiere mehr zu bieten: Piotr Beczala im Theater an der Wien, das hat zu einem Ansturm auf die Kassen geführt. Die Vorstellungen sind ausverkauft, vielleicht kann man noch Restplätze ergattern (oder sein Glück mit einem Stehplatz versuchen). Und weil Tomasz Konieczny ebenso auf der Bühne stand, war für ein intensives Opernerlebnis gesorgt. Konieczny sang den innerlich zerrissenen Widerling Janusz vor allem mit eindrücklicher Wotanstimme. Die Tenorpartie ist musikalisch ergiebiger und die Kanzone im vierten Akt, ein melancholisches Liebeerinnern (Jontek liebt Halka seit seiner Jugend) war der von Beczalas Tenor mit leicht bronzenem Glanz versehene Höhepunkt des Abends.

Warum die Partie der Halka nicht mit einer polnischen Sängerin besetzt wurde, ist schwer zu begreifen. Corinne Winters war jedenfalls bereit, sich „mit Haut und Haaren“ auf die Inszenierung einzulassen. Ihr Sopran war mehr fest als klangschön und die forcierten Spitzentöne waren weniger beglückend. Die übrige Besetzung hatte es neben dem Starduo schwer, und fiel teilweise deutlich dagegen ab. Natürlich war wieder der bewährte Arnold-Schönberg-Chor mit von der Partie..

Das ORF Radiosymphonieorchester Wien unter Lukasz Borowicz wirkte ein wenig wie von der Inszenierung getrieben, die Tänze wurden recht forsch gespielt, ohne jener federnder Eleganz, die das Ballett beflügelt. Moniuszko hat ein paar sehr gefühlvolle Cellomomente eingebaut und das Auskosten dieser mehr stillen Emotionen hatte seinen Reiz.

Der starke Schlussbeifall nach rund zweieinhalb Stunden (inklusive einer Pause) verfiel sogar in rhythmisches Klatschen, das Regieteam musste auch ein paar Buhrufe hinnehmen.