DIE GROSSE BÄCKEREIATTACKE
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Jugendstiltheater
26.2.2009

Österreichische Erstaufführung

Musikalische Leitung: Johannes Kalitzke

Inszenierung: Michael Scheidl
Bühne und Kostüme: Nora Scheidl

Klangforum Wien

Koproduktion mit Luzerner Theater und Opera Genesis/ROH2 London

Libretto: Yohann Kaldi - Deutsch von Reinhard Palm

Miya, eine junge Frau - Sumi Kittelberger
Kuni, ihr Mann - Hans-Jürg Rickenbacher
Chiko, Freund - Marc Olivier Oetterli
Der alte Bäcker - Boris Petronje
Verschrumpelte Vettel - Na-Na-Shi

Im Fast Food Lokal McD******
:
Nachtschichtleiter - Peter Kennel
Mädchen an der Kasse - Simone Stock
Bursche in der Küche - Howard Croft
Zwei schlafende Kunden: Marion Frank, Matteo Mina

Sieben Weise: Herrenchor des Luzerner Theaters



„Wir leben in einer beschleunigten Welt und haben keine Zeit mehr zu singen.“

Komponistin Misato Mochizuki
(Programmheft der Aufführung)

Dünnseitiges Opern-Manga“
(Dominik Troger)

„Die große Bäckerei-Attacke“ dauerte eine knappe Stunde und erwies sich als Fast Food-Orgie – mit einem ähnlichen physiologischen Effekt: ein bisschen Gaumenreiz und noch mehr Hunger.

In dieser Kammeroper der japanischen Komponistin Misato Mochizuki mutiert Oper zum dünnseitigen Japan-Comic. Musikalischer Stilwechsel am laufenden Band, Rap und manchmal ein Arioso, Jazz und vibrierende E-Gitarre, Wasserblubbern vom Band – und das Akkordeon, luftatmend und verhauchend, eine Übung der Stille in den Anfangsminuten. Aber nichts wird wirklich ausgekostet oder vertieft. Alles huscht vorüber, Bild um Bild, Musik und Text wie Wort- und Lautblasen in den Comicbildern, verkürzt es die Kurzgeschichten von Haruki Murakami, die dem Libretto (Yohanan Kaldi) als Vorlage dienten, zu einem Opern-Manga, das man nach absolvierter Lektüre zerknüllt und in die Rundablage wirft.

In dieser Kammeroper geht es nur ums Essen. Vordergründig – und Hintergründig? Im Schlaf von „existentiellem“ Hungergefühl überrascht, pilgert ein Ehepaar, Miya und Kuni, zum Kühlschrank. Doch er ist leer. Kuni, der Gemahl, berichtet wie er als Jugendlicher mit seinem Freund Chiko eine Bäckerei überfallen hat – halb wahnsinnig vor Hunger. Aber der Bäcker war Kommunist und Wagner-Fan: er ließ sich nicht überfallen. Er brachte die beiden Räuber und Möchtegernanarchisten dazu, sich mit ihm das Finale der „Götterdämmerung“ anzuhören. Dabei durften sie mampfen soviel sie wollten. Doch der Fluch des Rings wird zum Fluch des Bäckers! Miya erkennt im Anschluss an den Bericht ihres Mannes, dass dieser Fluch noch wirksam ist. Nur ein zweiter Bäckereiüberfall kann ihn bannen. Mit dem Auto rasen sie durchs nächtliche Tokio – doch alle Bäckereien haben geschlossen. Sie stürmen bewaffnet ein McD*****-Restaurant. Erst mit 32 Hamburgern und viel Cola im Magen wird ihr Hunger gestillt.

So versucht „Die große Bäckerei-Attacke“ ein Lebensgefühl zu beschreiben, dass die Sehnsucht nach werthaltiger Nahrung als heutzutage uneinlösbaren Wunsch empfindet. Jeder Versuch, sich selbige zu verschaffen, wird korrumpiert – sei es durch Ideologie, historische Vorbilder oder durch einen Kapitalismus, der sich Konsumenten wie Schäfchen hält, die von Konsumrausch zu Konsumrausch dümmer werden. Misato Mochizukis Oper zeigt, wie sich dieser Prozess auf die Kunst auswirkt, wie selbst von der Oper nichts mehr anderes übrig bleibt, als ein verlockende Inhaltsangabe mit grellem Titel – während ein durch Mikroports verstärktes Wortgestammel darauf wartet, sich vor einem willfährigen Publikum zu produzieren.

In Anbetracht der aufgezeigten Problematik war der gegangene Weg lehrreich und konsequent – und einiges Gelächter während der Aufführung und der insgesamt wohlwollende Schlussapplaus zeigten, dass diese Kammeroper als typisches Zeitstück gelten darf: in der Reduktion jeglicher Aussage auf ein knappes, manchmal witziges Mosaik von unhinterfragten Querbezügen, eine Ansammlung von „Links“, zwischen denen eifrig hin und her gewechselt wird, ein stilistischer und gedanklicher Mischmasch, der allein über Reizworte vorgibt eine Aussage zu generieren (den entsprechenden Wikipedia-Eintrag nachzulesen und zu verstehen ist dann die Sache jedes einzelnen).

Über die SängerInnen lässt sich wegen der elektronischen Klangvermittlung wenig sagen, auch schien ja Qualität in herkömmlichem Sinne nicht unbedingt das Ziel der Aufführung gewesen zu sein. Sumi Kittelberger machte als Miya im zweiten Teil jedenfalls wortwörtlich: „eine gute Figur“. Die Inszenierung von Michael Scheidl sowie Bühne und Kostüme von Nora Scheidl gaben dem etwas konfusen und zu knappen Szenenablauf genug Rückhalt und schenkten ihm so manche Pointe. Das Klangforum Wien unter Johannes Kalitzke sorgte für eine profunde musikalische Umsetzung.

Bis auf einen Buhruf gab es zustimmenden Applaus. Weitere Aufführungen: 27. und 28. 2. im Jugendstiltheater auf der Baumgartner Höhe. Das Luzerner Theater (Uraufführung am 24.1.2009) gibt noch ein paar Vorstellungen bis April.