GOYA
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Theater a.d. Wien
19.7.2004
Österreichische Erstaufführung
Klangbogen Wien

Dirigent: Emmanuel Villaume
Inszenierung:Kasper Bech Holten
Ausstattung: Steffen Aarfing

Licht: Jesper Kongshaug
Choreographie: Nikolaus Adler
Choreinstudierung: Matthias Köhler

RSO Wien
Festival-Chor Klangbogen Wien

Goya - Plácido Domingo
Duchess of Alba - Michelle Breedt
Maria Luisa, Queen of Spain - Iride Martinez
Charles IV. King of Spain - Andreas Conrad
Don Manuel Godoy - Maurizio Muraro
Martin Zapater - Christian Gerhaher
A Singer / Leocadia -
Nadia Krasteva
A Maid - Petra Simkova
Innkeeper / Major Domo - Sergio Raonic Lukovic


Sängerfest
(Dominik Troger)

Die österreichische Erstaufführung von Gian Carlo Menottis „Goya“ brachte Festtagsstimmung ins Theater an der Wien. Maßgeschneidert für Stimme und Bühnenerscheinung von Plácido Domingo provozierte sie rund 25 Minuten langen Schlussapplaus, rhythmisches Klatschen und eine „Autogrammschlange“ vor der Loge des 93-jährigen Komponisten.

Irgendwie ist mir das Ganze vorgekommen wie eine Geburtstagsfeier. Der Jubilar tritt in einer für ihn entworfenen Dekoration auf, kein Misston stört das Arrangement. Auch Regie und Ausstattung halten sich sorgsam und gekonnt ans tradierte Opern-Protokoll. Dann werden die Kerzen auf der Festtagstorte angezündet und alles taucht für knappe zwei Stunden reiner Spieldauer ins magische Licht längst verflossener Opernzeiten. „Goya“ ist reines Mittel zum Zweck. Die Oper, die das Leben des berühmten spanischen Malers als Stoff hat, ist – so Menotti im Originalton – „unverschämt melodisch“. Und der Komponist fügt, wie im Programmheft nachzulesen ist, augenzwinkernd hinzu: „Es ist offensichtlich, dass es sich hier um eine Oper handelt, die von einem Tenor beauftragt wurde und die für einen Tenor geschrieben wurde.“

Mit seismographischem Gespür hat Menotti Domingo die Partie auf den Leib und in die Kehle komponiert – und sie nach der Uraufführung 1986 in Washington für die jetzige österreichische Erstaufführung noch einmal adaptiert. Da geht es um tragische Liebe und leidendes Künstlertum samt eindringlicher, von der Regie gut aufgelöster Sterbeszene. Domingo darf durchwegs auf seine unnachahmlich breite, wohlig den Raum füllende Mittellage setzen, die in Momenten der Emphase heldisch überstrahlt – und gerade auch im Theater an der Wien von großer Eindringlichkeit und Wirkung ist. Wie mit einer Wünschelrute versehen hat Menotti die Quellen jener außerordentlichen Stimme erschlossen und ihren idealen Tonumfang ausgemessen – und als Zuhörer ist man über beides erstaunt: diese eben beschriebene Kunst des Komponisten und jene Kunst des Sängers, sich über Jahrzehnte hindurch die Stimme in ihrem Kernbereich in solch sonorer Frische und Ausdruckskraft zu erhalten.

Zu diesen beiden Künsten gesellte sich die Kunst der Selbstbeschränkung beim Inszenierungsteam, das in einem historisierenden Rahmen mit einfachen, aber wirkungsvollen Mitteln und kluger Personenführung natürlich auch Domingo in den Mittelpunkt stellte – ohne auf die zwei wichtigsten weiteren Protagonisten zu vergessen: die Herzogin von Alba und die spanische Königin. Die Exaltismen dieser beiden etwas hysterisch angefärbelten Figuren bilden zum sich verinnerlichenden Lebensschicksal Goyas einen guten und effektvollen Kontrast. Sie schaffen jene nur durch Todesfälle auflösbare Psychologie von Dreiecksverhältnissen, die zu den bestimmenden Konstanten des „klassischen Opernrepertoires“ gehören. Und Menotti, als genialer Trigonometrist, nützt auch hier alle Tricks, um letztlich Domingo als Grundlinie und Basis dieser geometrischen Familienaufstellung zu beweisen.

Als Zuschauer lässt man sich das sehr gerne gefallen. Die Oper schreitet zügig voran und bietet einige packende, für die Sänger – und das Publikum – dankbare Szenen (beispielsweise die Szenen zwischen Goya und Alba, Goyas Gehörsturz, der Schluss). Und Domingo vermag den Handlungsspielraum, den ihm der Komponist zuweist, mit seiner Persönlichkeit mehr als auszufüllen. Mit Michelle Breedt steht in dieser Produktion Domingo eine vorzügliche Herzogin von Alba zur Seite, die durch ihren angenehmen, hellen Mezzo und ein offenes, gewinnendes Spiel, den Hofmaler phantasievoll mit schwärmender Erotik umgarnt. Hier muss man auch der Ausstattung Lob zollen, die mit fließenden Gewändern im Stil der Handlungszeit, die erotische Komponente zugleich lockend verhüllte und verlockend herausstrich – und damit viel Geschmack bewies. Dermaßen noch zusätzlich unterstützt konnte die Herzogin zu einer starken Bühnenpersönlichkeit avancieren und die – nüchtern betrachtet – insgesamt doch ziemlich klischeehafte Dramaturgie des Stücks mit zusätzlicher Spannung erfüllen.

Der dritten Spitze des Dreiecks, der spanischen Königin, hat Menotti weniger Aufmerksamkeit und Raum zugedacht, ihr aber eine lange „Auftrittsarie“ geschenkt. Das ist ein witziges Stück Musik, fast die Karikatur einer Königin, die sie gegenüber der Herzogin beim Publikum gleich „ins richtige Licht“ setzt. Da verlässt Menotti, um des Akzentes Willen, auch manchmal seine melodiöse Basis. Iride Martinez ist diesem perfiden Charakter – sie ist der Herzogin von Alba nicht nur ihre prunkvolle Garderobe neidig, sondern lässt sie auch vergiften – eine gute Anwältin. Sie kann sich auch stimmlich in dieser gesanglich pointiert geführten Partie bewähren.

Das restliche Bühnenpersonal ist mehr Staffage, aber auch hier sparte Menotti da und dort nicht mit kurzen melodisch-ariosen Stellen, die von allen Mitwirkenden zur Zufriedenheit genutzt werden: sei es jetzt vom prächtigen Bariton Christian Gerhahers, vom etwas buffonesken Bass Maurizio Muraros oder von Andreas Conrad als König. Das Radio-Symphonieorchester Wien unter Manuel Villaume betonte die puccini-veristischen Züge der Partitur (die von solchen wirklich übervoll ist), und passte sich auch in der Dynamik gut an Sänger und Raumgröße an.

So kam dann einer jener raren, beglückenden Abende zustande, die, in dem sie stattgefunden haben, auch schon als „historisch“ bezeichnet werden können: Ein aus seiner Loge im ersten Range rechts nach Vorstellungsende dankend Sängerteam und Publikum beglückwünschender Menotti (Jahrgang 1911!), als höchst lebendiger Bewahrer eines längst entschwundenen Opernstils, und ein Tenor, der (!) Tenor, Plácido Domingo, der nach langer, intensiver Sängerkarriere, hier noch einmal ganz „er selbst“ und seinem Publikum nahe sein durfte.