ELIAS
Aktuelle Spielpläne
Forum
Opernführer
Chronik
Home

Theater an der Wien
Premiere
16. Februar 2019

Musikalische Leitung: Jukka-Pekka Sarastre

Inszenierung: Calixto Bieito
Bühne: Rebekka Ringst
Kostüme: Ingo Krügler
Licht: Michael Bauer
Video: Sarah Derendinger

ORF Radio-Symphonieorchester Wien
Arnold Schönberg Chor

Elias - Christian Gerhaher
Die Witwe - Maria Bengtsson
Der Engel - Kai Rüütel
Obadjah - Maximilian Schmitt
Die Königin - Ann-Beth Solvang
Seraph - Carolina Lippo
Der Verlorene - Florian Köfler
Die Artende - Anna Marshania
Agab - Michael J. Scott
Der Suchende - Antonio Gonzales
Der Bittende - Marcell Krokovay
Ein Knabe - Ein Wiener Sängerknabe


Prophet sein ist schwer
(Dominik Troger)

Im Theater an der Wien wurde der Felix Mendelssohn Bartholdy’sche Oratorium „Elias” auf die Bühne gestellt. Als „Aufreger“ hat man dafür Calixto Bieito engagiert. Der nicht unumstrittetene Regisseur erarbeitete seine erste Inszenierung an einem Wiener Opernhaus.

Das Oratorium „Elias“ besteht aus zwei Teilen, der erste Teil schildert die gottverordnete Dürre über das Land Israel und den Kampf des Elias gegen „Baal“. Der zweite Teil führt Elias selbstzweiflerisch in die Wüste, schildert seine Begegnung mit Gott am Berg Horeb und sein auf Jesus Christus hinweisendes Ende. Mendelssohns Musik und der eifrige Einsatz der Chöre hinterlassen einen starken Eindruck, aber die Handlung mit ihren eingestreuten Bibelzitaten ist recht lose geknüpft und schon alleine deshalb szenisch schwer umzusetzen (ganz abgesehen von der Totenerweckung, dem Regenwunder, der Erscheinung von Engeln etc.).

Calixto Bieito hat in den letzten Jahren seine Liebe zu Oratorien entdeckt. Als Regisseur könne er hier etwas dazu erfinden, wie er im Programmheft erklärt, die Inhalte hätten sich noch nicht so „etabliert“, und er sei deshalb an die Handlung nicht gebunden. Bezogen auf den „Elias“ war das Resultat aber weder „bilderstürmerisch“ noch besonderes „erhebend“: der Chor, die Protagonisten (Ahab, Witwe etc.) und Elias in Alltagskleidern bezogen auf einer Art Gitterrost Stellung. Im Finale beherrschte außerdem die Projektion eines Raben die Szene, der aus dem Bühnenhintergrund groß das Publikum beäugte (Raben, die Elias Brot bringen, werden im Rezitativ Nr. 6 erwähnt).

Als verbindendes Element der lockeren Szenenfolge dienten Kartonstücke, die von einem großen Kirchenmodell stammten, das am Beginn auf die Bühne gezogen und dann vom aufgewühlten Volk Israel „kunstgerecht“ demoliert wurde. Vor der Demontage hat Elias dieses Kirchlein noch mit den Buchstaben des göttlichen Tetragrammatons „gesegnet“. Die Pappendeckel-Kleinteile lagen dann die ganze Aufführung – als sehr profane Splitter göttlicher Substanz (?) – auf dem Boden, wurden aber vom Chor immer wieder aufgenommen, an die Brust gedrückt oder einer weiteren Zerkleinteilung unterworfen.

Ein findiger Kommentator könnte daran Bieitos Religionskritik festmachen – auch das Finale scheint in dieser Hinsicht eindeutig: Elias, mit Benzin übergossen und mit einem Feuerzeug in der Hand, möchte sich selbst verbrennen (als Hinweis auf den Feuerwagen, mit dem Elias dem Alten Testament nach in den Himmel aufgefahren ist?). Aber wenn die letzten Takte der Musik verklungen sind, klappt Elias das Feuerzeug einfach zu, so als wollte er dem Publikum sagen: „Jetzt habe ich es mir doch anders überlegt.“

Beim Regenwunder hat es eifrig vom Schnürboden geregnet. Elias sah oft verhärmt drein, und diese Wahnsinnige, die zwei Stunden lang hat wahnsinnig sein müssen, zog auch immer wieder die Blicke auf sich: eine fragwürdige Existenz, ein Alter Ego des Elias?! Bieito hat zudem darauf geachtet, dass die einzelnen Choristen im Spiel Individualität entwickeln, und er hat den Chor Elias gegenübergestellt, der deutlich machte, dass ihn sein Amt belastet und mit Gram erfüllt.

Elias, gespielt und gesungen von Christian Gerhaher, war ein Prophet ohne prophetisches Gehabe – nur als es gegen Baal ging trat er spöttisch und herausfordernd kurz aus dem Schatten der verordneten Konventionalität. Dann wurden auch einigen im Volk der Hals durchtrennt, aber nur andeutungsweise. Elias verkörperte an diesem Abend vor allem einen schäbig angezogenen Durchschnittsmenschen. Der religionspropagandistische Gehalt des Werkes konnte also auch diesbezüglich nicht „ins Kraut schießen“. Gesanglich kennt man Gerhaher als textbezogenen Sänger, mit eloquentem eher hellem und hohem Bariton ausgestattet. Aber in diesem Gesamtkonzept war mir Elias zu passiv und unpathetisch, er schien unter seinem Prophetentum vor allem zu leiden.

Musikalisch hatte ich insgesamt den Eindruck einer gewissen, der Lokalität geschuldeten Beengtheit, die Chöre hätten sich akustisch mehr „Raum“ verdient. Das RSO Wien unter Jukka-Pekka Sarastre blieb am Puls der Geschichte und war zusammen mit Gerhaher die tragende Säule des Premierenabends. Die Solisten, die teils nur wenig zu singen hatten, standen im Schatten des Elias. Maria Bengtsson sang eine etwas herb timbrierte Witwe, Maximilian Schmitt (Obadjah) hielt seinen Tenor nicht immer in der Komfortzone“, Kai Rüütel lieh dem Engel eine angenehme Mezzostimme, Carolina Lippo hatte vor allem die schon genannte Wahnsinnige zu spielen, Ann-Beth Solvang sang eine persönlichkeitsstarke Königin, ohne aber als solche szenisch wirklich erkennbar zu sein. Michael J. Scott sang den Ahab mit festem lyrischen Tenor. Der Arnold Schönberg Chor gab wieder ein Beispiel seiner gesanglichen und darstellerischen Kompetenz.

Der Abend dauerte rund zwei Stunden und fünfzehn Minuten (es gab keine Pause). Er endete mit viel Jubel und einigen deutlichen Buhrufe gegen das Regieteam.