L'AMOR CONIUGALE
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Theater an der Wien im
Museumsquartier Halle E
24.9.2023
Konzertante Aufführung

Musikalische Leitung: David Stern

Opera Fucco Orchester

Zeliska, Malvino - Chantal Santon-Jeffery
Floreska - Natalie Pérez
Amorveno - Andrés Agudelo
Ardelao - Bastien Rimondi
Moroski - Adrien Fournaison

Peters - Oliver Gourdy



„Vergleichende Operngeschichte“
(Dominik Troger)

Konzertante Oper des MusikTheaters an der Wien in der Halle E des Museumsquartiers: „L’amor coniugale“ von Johann Simon Mayr – ein italienischer „Fidelio“, der in Polen spielt.

Die Aufführung ermöglichte dem Publikum einen interessanten Ausflug in die vergleichende Operngeschichte von „Gattenrettungsopern“: Johann Simon Mayrs „L’amor coniugale“ geht – wie Beethovens „Fidelio“ – auf ein Libretto von Jean Nicolas Bouilly zurück: „Léonore, ou L’amour conjugal“, eine Opera-comique in zwei Akten, von Pierre Gaveaus vertont und 1798 uraufgeführt.

Mayrs Vertonung dieses Librettos, das ihm Gaetano Rossi eingerichtet hat, wurde im Juli 1805 in Padua uraufgeführt. Beethovens erste Fassung des „Fidelio“ folgte im November 1805 in Wien – und bereits ein Jahr zuvor war die „Leonora“ von Ferdinando Paër uraufgeführt worden, die sich ebenfalls auf Bouillys Libretto bezieht. Bei Mayr wurde die Handlung nach Polen verlegt und die Namen der handelnden Personen entsprechend angepasst. Die Handlung wurde in einem Akt zusammengefasst, die Figur des Jaquino gestrichen und es gibt keinen Gefangenenchor. Die idealisierende „politische“ Dimension eines Beethoven fehlt bei Mayr, bei ihm steht die eheliche Liebe, ganz so wie es der Titel verrät, im Mittelpunkt.

Mayr ist heute vor allem als Lehrer Donizettis bekannt und als „Bindeglied“ der Opernentwicklung zwischen dem 18. und 19. Jahrhundert, zwischen „deutscher“ und „italienischer“ Schule. Wie der Artikel von Christian Schröder im Programmheft ausführt, hat Mayr die italienischen Komponisten „mit den melodischen, harmonischen und dramaturgischen Errungenschaften der Opern von Gluck, Haydn und Mozart“ vertraut gemacht. Diese Vermittlungsfunktion ist Mayrs historische Leistung, seine Opern fielen bereits im 19. Jahrhundert schnell dem Vergessen anheim, überdeckt von viel klangvolleren Namen wie Rossini, Bellini, Donizetti, Verdi ...

Die konzertante Aufführung, von der hier berichtet wird, hat diesen Eindruck bestätigt. Und – wollte man ein wenig „polemisch“ sein – dann könnte man sich einem etwas „überzeichnenden“ Zitat aus der „Allgemeinen musikalischen Zeitung“ (No. 37/14. Juni 1809) anschließen, in dem es heißt: „(...) denn die Herren, gewitzigt und gewandt genug, borgen und requiriren von unseren deutschen Meistern; und diese kennt man leider in Italien – wenigstens im grössern Publikum nicht. Himmel, wie oft würde man sonst z.B. bey Simon Mayr rufen: Bravo Mozart!“

„L’amor coniugale“ präsentiert in musikalischer Sicht ein reizvolles „Dazwischen“. Manch hübsche Instrumentation, Violine, Querflöte – überhaupt die Holzbläser – verleihen dem Werk eine angenehme Frische, die nach und nach von den starken Gefühlen der Protagonisten überlagert wird. Und das Vorspiel zur Kerkerszene mit Florestan, der hier Amorveno heißt, gefällt sich in romantisch-düsterer Ausmalung des schrecklichen Verlieses. Leider nehmen viele Rezitative die Spannung aus der Handlung und zeugen von einem gewissen dramaturgischen „Ungeschick“.

Die Wirkung der Oper blieb stark auf Italien begrenzt. Die Universität von Bologna listet auf ihrer Website betreffend „L’amor coniugale“ von 1805 bis 1830 eine ganze Reihe an Aufführungen, fast alle südlich der Alpen. Für den deutschsprachigen Raum wird nur Dresden (1809) angeführt, dazu gesellen sich im geographischen Umfeld noch Amsterdam (1807) und Genf (1812).* Und ganz im Allgemeinen ist es das Schicksal dieses Werks, meist nur im Zusammenhang mit Ludwig van Beethovens „Fidelio“ genannt zu werden. Das führt dann dazu, dass man die ganze Aufführung lang Vergleiche anstellt, nur um festzustellen, dass Mayrs „L’amor coniugale“ auch in Zukunft den „Fidelio“ nicht von den Spielplänen verdrängen wird.

Für die Umsetzung im Museumsquartier sorgte Opera Fuocco unter David Stern, eine in Paris situierte und 2003 gegründete, auf die Zusammenarbeit mit jungen Künstlern spezialisierte Opern-Compagnie. Das Ensemble hat „L’amor coniugale“ bereits 2021 historisch informiert für das Label Naxos eingespielt, die konzertante Aufführung war insofern ein willkommenes „Revival“ mit einem jungen Sängerensemble, das sich insgesamt gut zu präsentieren wusste.

Als Gattenretterin war Chantal Santon-Jeffery aufgeboten, die sich sowohl den dramatischeren Passagen, als auch den Koloraturen gewachsen zeigte, die Mayr für Zeliska komponiert hat. Der junge südamerikanische Sänger Andrés Agudelo hinterließ als zu rettender Gatte mit virilem lyrischen Tenor einen sehr guten Eindruck, selbst in diesem konzertanten Setting mit starker Persönlichkeit begabt. Als noch sehr jugendlich wirkender Kerkermeister gab der eher helltimbrierte Bassbariton Oliver Gourdy eine Probe seines Könnens, wirkte aber mehr wie der Bruder und nicht wie der Vater von Floreska, die von Natalie Pérez mit jugendlichem Überschwang in ihrer unschuldigen Liebe zu Malvino-Zeliska gezeichnet wurde. Als von Simon Mayr etwas sparsam in Szene gesetzter Bösewicht brachte sich Adrien Fournison ein. Fehlt noch der „Deus-ex-machina-Prinz“ für das Finale, den Bastien Rimondi beigesteuert hat, mehr in die Richtung eines Tenore di grazia orientiert.

David Stern brachte mit dem Opera Fucco Orchester einigen Schwung in die Aufführung mit viel Liebe für instrumentale Details. Der Schwung verlor sich in den Rezitativen bzw. melodramartigen Passagen merklich – etwa im Kerker. Im „Fidelio“ geht es dort viel prägnanter zu Sache, wird rascher ins Finale übergeleitet, während Johann Simon Mayr die beiden Gatten und das Publikum zu lange über den Ausgang der Geschichte im Unklaren lässt. Das Orchester war auf der Bühne hinter den rampennah platzierten Solisten aufgestellt, im Hintergrund sah man zwei große halbrunde Bühnenelemente von der aktuellen szenischen „Les Martyrs“-Produktion.

Die Halle E war etwa zur Hälfte gefüllt, darunter viele Wiener Opernenthusiasten, die sich diesen Blick in die Opernhistorie nicht entgehen lassen wollten. Der dankbare Schlussbeifall dauerte rund fünf Minuten lang.

* corago.unibo.it/opera/0000095703 [25.9.23]