SATYRICON
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Theater an der Wien
23. Jänner 2013
Konzertante Aufführung

Musikalische Leitung: Emilio Pomàrico

Klangforum Wien

Trimalchio - Nigel Robson
Fortunata - Janina Baechle
Habinnas - Oliver Ringelhahn

Mitglieder des Vokalensemble NOVA:
Criside - Ursula Langmayr
Quartilla - Johanna von der Deken
Niceros - Colin Mason
Eumolpus - Gerd Kenda


Satire & mehr
(Dominik Troger)

Das Theater an der Wien machte zwischen den aktuellen „Radamisto“-Vorstellungen einen Ausflug in die zeitgenössische Musik und präsentierte eine konzertante Aufführung von Bruno Madernas „Satyricon“.

Die Szenenfolge dieser einaktigen, 1973 uraufgeführten Oper, basiert auf dem „Gastmahl des Trimalchio“ aus dem altrömischen Schelmenroman „Satyricon“ von Titus Petronius – der am Hofe Neros angeblich den „Geschmack“ vorgegeben hat. Nun kann man das, was Petronius in Worte fasste, auch heute nicht gerade als „geschmackvoll“ bezeichnen, aber die Parallelen römischer „Dekadenz“ mit heutigen „Zuständen“ sind so verblüffend, dass sie Maderna zu einer durchaus politisch gemeinten Abrechnung mit Kapitalismus und Kulturbetrieb inspiriert haben.

Mit dem Stilmittel der „Allusion“ komponierte er eine Oper, von der er scherzhaft behauptet haben soll, dass keine Note von ihm selbst stamme. Von Wagner bis Puccini, von Gluck bis Verdi: die Bandbreite ist groß. Es gelang Maderna mit Hilfe dieser „Anklänge“ eine Musik mit satirischem Augenzwinkern zu schreiben, die in den besten der 16 Szenen die Charaktere der Figuren aus dem Satyricon recht gut widerspiegelt: Da mutiert Fortunata in einer Verführungsszene zu einer Art von „chansonesker Carmen“, und Trimalcho bekommt, wenn er von seinem Denkmal träumt natürlich ein bisschen größenwahnsinnigen Wagner verordnet (Walhallmotiv) – oder wenn er von seiner beruflichen Karriere singt, dann triumphieren Fragmente von Verdis „Aida“-Ägyptern.

Die 16 Musiknummern werden durch fünf Tonbandeinspielungen ergänzt, die teilweise „avantgardistischerer“ Natur sind – und die man für diese konzertante Aufführung deutlich gekürzt hat. Der Abend dauerte nur rund eine Stunde. (Ein bisschen länger hätte es schon sein dürfen!!)

Maderna hat die Szenenfolge nicht festgelegt, die einzelnen Nummern sind für jede Aufführung frei kombinierbar, allerdings hat man sich an diesem Abend an einen Vorschlag aus der Hand des Komponisten gehalten. Und diese Reihenfolge, die mit der Vorstellung von Fortunata beginnt und mit dem „Phantasiebegräbnis“ des Trimalchio endet – von einer passend ausklingenden Einspielung mit „ätherischem“ Vogelgezwitscher gefolgt – macht Sinn.

Maderna ist im Jahr der Uraufführung an Krebs verstorben. Wenn Trimalchio im Schlussabschnitt ausführlich über seine eigene Grabinschrift philosophiert, und schließlich meint: „Zu seiner ewigen Ehre sei gesagt, dass er nie etwas auf Philosophen gab.“ dann blitzt ein „Falstaff’sches“ Lachen auf, das diese Oper über die reine Satire hinaushebt.

Außerdem hat der zunehmend sich verschlechternde Gesundheitszustand schon der Komposition ihren Stempel aufgedrückt: Nicht alle Tonbandeinspielungen wirken „zwingend“, die lockere Szenenfolge ist weit davon entfernt, sich als dramaturgisch durchgeformtes Stück für die Bühne zu erweisen. Aber Maderna hat zugleich diese Freiheit genützt, die ihm paradoxer Weise seine Krankheit ermöglicht hat: Nämlich die Chance, jegliche Konvention zu hinterfragen, und den (eigenen) Tod nicht als Trauerspiel, sondern als Persiflage zu inszenieren. Ist es nicht besser, wenn man am Schluss die Lacher auf seiner Seite hat?

Eine konzertante Aufführung hat natürlich weniger Möglichkeiten, die politische Sprengkraft des Werkes zu thematisieren. Man folgte dem Abend deshalb zwar amüsiert, aber auch um nachher festzustellen, dass unverkennbar schon 40 Jahre seit der Uraufführung vergangen sind.

Der Abend wurde vom Klangforum Wien unter Emilio Pomàrico kompetent gestaltet, von den Solisten haben sich vor allem Janina Baechle als Fortunata und Nigel Robson als Trimalchio empfohlen, denen es gelang, beide Figuren plastisch zur Geltung zu bringen. Oliver Ringelhahn hat als Habinnas mit Humor die lange Geschichte von der Witwe aus Ephesus erzählt.

Die Sänger saßen an Kaffeehaustischen im dunklen, leeren Bühnenbild des „Radamisto“. Eigentlich würde man sich das „Satyricon“ in einer szenischen Aufführung wünschen. Für die letzte szenische Produktion in Wien hat meines Wissens die Wiener Taschenoper im Jahr 1999 gesorgt.

Das Theater an der Wien war sehr schlecht besucht. Die Anwesenden (nur sehr wenige Zuhörer verließen frühzeitig das Auditorium) spendeten reichlich Beifall.