SCHOENBERG IN HOLLYWOOD
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Kasino am Schwarzenbergplatz Dirigent: Gerrit Prießnitz Regie:
Helen Malkowsky Orchester der Wiener Volksoper |
Arnold
Schoenberg - Marco Di Sapia |
Seit 2017 bespielt die Volksoper einmal im Jahr das Kasino am Schwarzenbergplatz und nützt die Räumlichkeiten für zeitgenössisches Musiktheater. Dort gelangte jetzt – wegen COVID um zwei Jahre verschoben – die Kammeroper „Schoenberg in Hollywood“ zur Europäischen Erstaufführung. Arnold Schönberg in Hollywood? Das klingt reizvoll widersprüchlich. Schönberg ist 1933 in die USA emigriert und hat sich 1934 in Los Angeles niedergelassen. Die Kammeroper beginnt mit einem Treffen zwischen Schönberg und dem MGM-Filmproduzenten Irving Thalberg, der ihn als Filmkomponisten gewinnen möchte. Das Treffen ist historisch belegt und hat im Herbst 1935 stattgefunden. Dieses Meeting bildet den Ausgangspunkt der vom Komponisten Tod Machover erstellten und 2018 in Boston uraufgeführten Oper. Die Handlung (Libretto: Simon Robson) springt dann vom Hollywood des Jahres 1935 zurück in Schönbergs Kindheit und folgt von dort seiner Biographie bis sie wieder in Hollywood angekommen ist. Die Szenen sind kurz, reißen biographisch wichtige Geschehnisse an: der junge Komponist, der unverstandene Komponist, das Liebes- und Selbstmorddrama um seine erste Frau und den Maler Richard Gerstl, Erster Weltkrieg und Antisemitismus, Schönberg als Maler und als erfindungsreicher Schachspieler, Schönberg und das Judentum, Schönberg als Lehrer. Aber ist das nicht ein bisschen viel für knapp eineinhalb Stunden? Das Ergebnis ist denn auch ein Stationendrama, das aufgrund seiner biographischen Fülle kaum eine gehaltvolle Auseinandersetzung mit den genannten Aspekten ermöglicht. Deshalb sah sinnvoller Weise das ursprüngliche Konzept eine Verknüpfung der Oper mit der Kinowelt von Hollywood vor. Schönbergs Leben sollte „durch die Linse der Filmgeschichte“ gezeigt werden, so der Komponist im Programmheft zur Aufführung. Für die Uraufführung wurden eigene Videos produziert, und man hat Schönbergs Biographie mit Hilfe der Filmgeschichte „illustriert“: etwa ein Stummfilm zu seiner Kindheit oder wenn Schönberg in Sachen Richard Gerstl investigativ wird, dann wird das Setting in ein „Noir“-Kriminalfilmsujet eingebunden. Es gab Anspielungen auf die Marx Brothers, auf Walt Disney und anderes mehr wie Uraufführungs-Rezensionen zu entnehmen ist. Derart wurde die Oper zum „Soundtrack“ von Schönbergs Leben und bot eine „multimediale“ biographische „Revue“, zu der ein Kammerorchester eine teils pointierte, teils lyrische, teils minimalistisch repetitive, Schönberg eklektizistisch oder im Zitat auskostende Musik beisteuerte – um elektronische Adaptionen und die Einspielung von Realweltgeräuschen ergänzt. Liest man die Uraufführungskritiken, dann dürfte diese vom Film inspirierte Aufbereitung gut angekommen sein. Die Neuproduktion an der Volksoper hat sich auf solche Experimente nicht eingelassen. Man wollte „ernsthaft“ bleiben. Um der Ansammlung biographischer Details ein bisschen „Tiefgang“ zu verleihen, hat Regisseurin Helen Malkowsky die Figur eines Schauspielers (Schönbergs Alter Ego) hinzugefügt, der Originaltexte – zum Teil von Schönberg selbst verfasst – beisteuert. Doch fiel der dokumentarische Anstrich dieser verkomponierten Zeittafel dadurch um so stärker ins Gewicht: Wo ein revuehafter Ansatz vielleicht schwungvoll-ironisches Musiktheater produziert hätte, verwandelte es sich derart versachlicht in einen etwas mühsamen Marsch durch Schönbergs Leben. Auch mit Videos ging man eher sparsam um. Die räumliche Anordnung war dafür ohnehin wenig geeignet: an der einen Längsseite des Saales das Publikum, gegenüber beim Eingang das Orchester, dann die Spielfläche, dann der obere Teil mit einer Leinwand an der Schmalseite (!) des Saales. Die deutschen Übertitel hatte man an der Längsseite untergebracht. Außerdem wurden noch Projektionen an diese Längsseite gegenüber vom Publikum geworfen, die aber durch Kulissenelemente (Teile des berühmten Hollywood-Schriftzuges) fragmentiert wurden. Auf diese Weise war es gar nicht möglich, die „synergetische“ Wahrnehmung der unterschiedlichen Medien zu befördern. Hinzugesellt hat sich noch die Raumakustik. Machover ist ein Spezialist für „vercomputerte Musik“, war schon 1980 Direktor beim IRCAM und wirkt als Professor am Massachusetts Institute of Technology. Ob der Aufwand das Ergebnis lohnt, hängt wahrscheinlich auch vom Sitzplatz ab, den man im lautsprecherbeschallten Saal ergattert. Der Beginn, eine Art von verzerrter Filmsignation, die Popularität versprechenden Verlockungen Thalbergs sowie der musicalartige „Begrüßungschor“ von zwei Collegestudenten „We are America! We are the new world!“, hatte Energie genug, den kulturellen Antagonismus – hier Schönberg, dort Hollywood – aufzuweichen, aber dieser Elan verflog zu rasch. Zwar lässt Machover im biographischen Teil immer wieder eine gepflegte Ironie durchschimmern oder bringt kleine, groteske Fußnoten an, die aber an diesem Abend nicht recht greifbar wurden. (Der Komponist schickt sogar eine Tuba ins Rennen, die manche Szene mit ostinaten Erinnerungsstupfern unterlegt, die vielleicht an kakanische Blasmusik erinnern sollen. Die Gewichtung innerhalb des 15-köpfigen Orchesters liegt eher auf der reichhaltigen Bläsergruppe. Es gibt nur fünf Streicher, plus Klavier, Keyboard, Schlagwerk sowie Live-Elektronik. Die Sänger sind mehr im einem Sprechgesang unterwegs, ohne in ihrer gesanglichen Virtuosität besonders gefordert zu werden.) Die Inszenierung an sich war konventionell, gut durchgearbeitet, aber ohne Esprit. Gespielt wurde auf einer weitgehend leeren Bühne. Aufwendiger wurde eigentlich nur das Drama um die Liebe und den Selbstmord Gerstls gestaltet, mit der Andeutung eines Dachkammer-Malerateliers und szenischem „Zitat“ des berühmten Selbstporträts mit nacktem Oberkörper, das man im .Leopold Museum bestaunen kann. Diese Szene war nach dem Beginn und einer längeren Durststrecke einer der wenigen Höhepunkte, auch mit einer sich dramatisch verdichtenden musikalischen Untermalung. (Nichts funktioniert im Musiktheater besser als Dreiecksgeschichten.) Immerhin wellt sich dann auch im Finale die aus Schönberg und Hollywood fabrizierte Machover’sche Klangtapete noch einmal auf und endet passender Weise mit „Action“ beziehungsweise „Film ab“. Marco Di Sapia gab den Sänger-Schönberg, Christian Graf den Schauspieler-Schönberg, beide ergänzten sich gut. Di Sapia hat ohnehin das Zeug für „Charakterköpfe“. Sein etwas trockener Bariton strich mehr das Selbstbewusstsein Schönbergs heraus, weniger die musikalische Sinnlichkeit und Emotionalität. Lauren Urquhart und Jeffrey Treganza steuerten Girl und Boy bei – und mussten flexibel in allerhand Rollen schlüpfen. Die Musiker wurden vom Volksopern Orchester abgestellt, Gerrit Prießnitz stand am Pult. Der Schlussapplaus im nahezu gefüllten Saal war stark und dauerte so um die sechs Minuten lang. Insgesamt werden bis Ende April acht Vorstellungen gespielt. |