PSYCHE

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Theater an der Wien
3. März 2025
Konzertante Aufführung

Dirigent: Sébastien Daucé

Ensemble Correspondances

Sopran: Caroline Weynants, Blandine De Sansal, Eugénie Lefebvre, Elodie Fonnard
Mezzosopran: Lucile Richardot
Countertenor: Paul-Antoine Bence-Djian, Vojtech Semerad
Tenor: Oscar Golden Lee, Randol Rodriguez, Ryan Veillet
Bass: Ilia Mazurov, Tristan Hambleton, Etienne Bazola


„Viel Musik ohne Psyche

(Dominik Troger)

Einen Ausflug zu den Ursprüngen der englischen Barockoper ermöglichte das Theater an der Wien mit einer konzertanten Aufführung der „Psyche“ von Matthew Locke. Allerdings mit einer erheblichen Einschränkung: Die titelgebende Psyche ist erst gar nicht aufgetreten, weil es sich um eine Sprechrolle handelt. Ohne Dialoge und ohne Szene geriet der Abend zu einer etwas willkürlich anmutenden Aneinanderreihung von Tänzen, Arien, Chören.

Die „Semi-Opera“ „Psyche“ wurde (wahrscheinlich) 1675 uraufgeführt. Die Handlung erzählt von der Liebe Cupidos zu Psyche. Psyche darf Cupido aber nicht fragen, wer er ist. Schließlich ist er ein Gott, der keine Sterbliche lieben darf. Wie das mit Frageverboten bekanntermaßen so ist, werden die gebrochen, und Psyche handelt sich damit viel Leid ein.  Doch Jupiter hat ein Einsehen, erhebt Psyche in den Status der Unsterblichkeit – und das Liebespaar wird wieder vereint.

Librettist Thomas Shadwell hat eine ganze antike Mythologie in die fünf Akte gepackt, wechselnde Schauplätze bieten allerhand Effekte für den reichlichen Einsatz von Bühnenmaschinerie – eine Handlung voll überreicher barocker Theaterlust. Davon hat das Publikum an diesem Abend im Theater an der Wien aber so gut wie nichts mitbekommen. Der ganze Schauspielteil war gestrichen. Die Übertitelanlage hat zwar versucht die Handlung rudimentär plausibel zu machen. Aber der szenische Bezug der Musiknummern ließ sich nur  anhand von „Schlagworten“ bemessen.

Das dünne Programmheft hat auch nicht weitergeholfen: Die Gesangsnummern sind auf mehr als ein Dutzend Protagonisten verteilt – von Apollo bis zur Venus. Im Programmheft ausgewiesen wurden aber nur vier: Tristan Hambleton als Pan, Lucile Richardot als Oberpriesterin, Élodie Fonnard als Venus, Etienne Bazola als Vulcanus. Den Rest musste man sich anhand der Übertitel zusammenreimen. Weil die insgesamt 13 Sänger einerseits als Chor hinter dem Orchester platziert waren, andererseits einzelne von ihnen für die Soli je nach Szene nach vorne an die Rampe marschierten, gestaltete sich das eher unübersichtlich. Das Niveau war aber insgesamt ansprechend, die Besetzung gesanglich gut auf ihre kurzen solistischen Auftritte abgestimmt.

Eine Auflistung der gespielten Nummern wäre auch praktisch gewesen. Die instrumentalen Tänze, die  Giovanni Battista Draghi für diese englische „Psyche“ komponiert hat, sind laut Programmheft nicht überliefert. Für diese hat Sébastien Daucé, der musikalische Leiter des Ensemble Correspondances, bei seiner Fassung der Semi-Opera auf andere Kompositionen von Locke zurückgegriffen, auch Musik von Lully wurde integriert. Schließlich hat sich das ganze Unterfangen von Locke und seinen Mitstreitern stark an französischen Vorbildern orientiert – genannt wird das „tragédie ballet“ gleiche Namens von Jean-Baptiste Lully, uraufgeführt 1771.

Das eigentliche
„Highlight“ der Aufführung war das große, üppig instrumentierte, geradezu „imperiale“  Orchester: allein drei Barockposaunen plus Zink bekommt man nicht alle Tage zu hören. Das reichhaltige Streicherensemble sorgte für einen überraschend fülligen Klang, die Bläser waren sehr gut disponiert und das Schlagwerk steuerte allerhand an Effekten bei. Insofern war es eine prachtvolle „Rekonstruktion“ – der dann aber doch der lebendige Atem des „Theaters“ abging.

Nach der Pause war Daucé schon so „in Fahrt gekommen“, dass er das Sakko in der Garderobe ließ und im weißem Hemd weiter dirgierte. Der Orchestergraben war erneut überdeckt und die Bühne bis zu dessen Ende ins Auditorium vorgezogen worden. Das Theater an der Wien war nicht ausverkauft, die Sitzplätze am III. Rang grob geschätzt zu kaum zwei Drittel belegt. Die Aufführung dauerte nicht einmal zweieinhalb Stunden (inklusive Pause, reichlichem Schlussbeifall und einer Zugabe).