I HATE MOZART
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Theater an der Wien
8.11.2006
Uraufführung

Dirigent: Johannes Kalitzke

Libretto: Michael Sturminger
Inszenierung: Michael Sturminger
Austattung: Renate Martin & Andreas Donhauser

Klangforum Wien
Vokalensemble Nova

Adriano Morando, Dirigent - Florian Boesch
Grace Moor, Diva - Dagmar Schellenberger
Simona Chodovska, Sopran - Andrea Lauren Brown
Franziska Zimmer, Mezzosopran - Salome Kammer
Johannes Weiner, Tenor - Mathias Zachariassen
Ludwig Zellinsky, Agent - David Pittman-Jennings
Intendant - Rupert Bergmann


Mozart - trazoM
(Dominik Troger)

Uraufführung von „I hate Mozart“ im Theater an der Wien: Der Versuch an Hand einer satirischen Selbstbespiegelung des (Wiener-)Opernbetriebes dem heutigen Mozart-Bild nachzuspüren ergab zwar nicht den „großen Wurf“, aber launiges zeitgenössisches Musiktheater.

„I hate Mozart“ ist zuvorderst eine humoristische, manchmal ein wenig boshafte Glosse über das heutige Opern-Business. Die Lacher im Publikum folgten den ausgebreiteten Klischees mit jener Bereitwilligkeit, die süffisant auf so manchen wahren Kern schließen lässt: der Dirigent zwischen zwei Sängerinnen, seine Eitelkeit und seine Emotionsausbrüche, der Agent, der die Fäden im Hintergrund zieht, der Tenor, der sich exaltiert zu seiner Homosexualität bekennt, der stardevote Journalist. Die Rahmenhandlung – die Erarbeitung einer Zauberflöten-Produktion vom Casting bis zur Premierenfeier - diente außerdem als Spiegel, in dem die Interpreten dazu angehalten waren, nach ihrem eigenen Mozartbild zu forschen.

Das war die eigentliche Schnittstelle und Transformationsebene: die nach wie vor ungebrochene „Mozart-Sehnsucht“ unseres Zeitalters, an der sich die spöttisch gemeinte Society-Handlung zu erproben hat wie ein Versprechen, das nie eingelöst werden kann. Hier ist auch das „I hate Mozart“ angesiedelt, das der Liebe zu diesem „Sunnyboy“ abendländischer Musik zwar keinen Abbruch tut, aber die Verzweiflung über die eigene Unzulänglichkeit, mit der die Interpreten sich herumzuschlagen haben, deutlich spüren lässt (denn das Publikum kann sich immer auf die Künstler ausreden).

Spätestens an dieser Stelle wird man vielleicht enttäuscht sein, weil die Bösartigkeit, die der Titel vorgibt, dann doch nicht so scharf ausfällt – und das Wühlen in den Klatschspalten eines (Wiener) Opernhauses der ernst gemeinten künstlerischen Frage nach dem heutigen Mozartbild das Wasser abgräbt. Außerdem verliert Bernhard Langs gefühlvolles semirezitatives Rap-Scratching in dieser publikumsnahen komödiantischen „Niederung“ langsam aber stetig an Energie. Das Spielen mit Wiederholungen dient ihm nicht wie bei der Minimal-Musik dazu, die Bühnenaktion aufzupulvern, sondern dechiffriert im stockendstotternden Wiederholungs-Sprechen mehr die emotionale Unsicherheit der Bühnenfiguren. Der etwas seichten, gut gebauten Gesellschaftskomödie hätte mehr kompositorische Spritzigkeit aber ganz gut getan. Die zweieinhalb Stunden (mit Pause) wären auch als eineinhalb Stunden (ohne Pause) bestens durchgegangen. Dazu kommt das doch etwas enge Korsett der Elektronik, das ein Ausspielen von Nuancen und Pointen nur sehr bedingt gestattet.

So bringt sich Lang ein wenig um seine Früchte, die vor allem an jenen schon genannten Schnittstellen reifen, wo die Banalität des Alltags hinter der Bühne sich der Frage nach Mozart stellt. Schon der Mozart-Alptraum des Dirigenten in der ersten Szene deutet das große Potential von Langs Klangarrangements an, in einer Art von langsam geatmetem rhythmischem „Didgeridoo-Schnarchen“, das archaisch zu einer „Stimmung von Mozart“ zurückführt, musikalische Archetypen beschwört, in der sich Konturen abzeichnen wie die Ausbuchtungen seit Millionen von Jahren ausgetrockneter Meere in überdauerten Gesteinsformationen. In diesen Passagen wird die Musik mehr flächenhaft, öffnet sich ein akustischer Raum, der trotz einer umfassenden postmodernen Dekonstruktion historischen Materials noch etwas vom ursprünglichen emotionalen Gehalt transportiert. Sehr schön wird das gegen Schluss deutlich, wenn der Dirigent Adriano Morando in eine „Erinnerung“ an „Komm lieber Mai und mache die Bäume wieder grün“ versunken, seiner Sehnsucht nach einem (vermeintlich) paradiesischen Urzustand der Musik Ausdruck verleiht, fern von den Gesetzmäßigkeiten seiner umtriebigen künstlerischen Existenz und allen damit verbundenen Sachzwängen. Hier wird die Suche nach „Mozart“ spürbar, zugleich aber auch die Unmöglichkeit, seiner doch noch habhaft zu werden. Mozart – oder „trazoM“ (wie es einmal heißt) entzieht sich jeden Zugriffs unserer heutigen Zeit. Was bleibt ist eine Ahnung, die vage durch die Jahrhunderte schimmert, und oft genug in ein indivuelles – aber objektiv gedachtes – „Glaubensbekenntnis“ umgedeutet wird.

Die szenische Umsetzung, mit viel Drehbühneneffekt, machte einen guten Eindruck, ebenso die konzentrierte musikalische Realisation durch alle Beteiligten. Das war großartiges Teamwork, angefangen beim Klangforum Wien, dem Langs „differenzierte Wiederholungen“ freilich nicht fremd sind. Das Publikum spendete viel Applaus und schien ganz zufrieden. Das Libretto ist dankenswerter Weise in das Programmheft integriert, außerdem wird der Text neben der Bühne angezeigt.

Fazit: In Summe eine gelungene Produktion, bei der sich aber Würze und Kürze noch prägnanter hätten reimen können. Weitere Aufführungstermine: 10. und 12. 11., jeweils um 20 Uhr. Dauer ca. 2,5 Stunden.