„Drittbegegnung“
(Dominik Troger)
Die
Staatsoper spielt wieder György Kurtágs Oper „Fin de partie”, gefertigt
nach dem gleichnamigen Theaterstück von Samuel Beckett. Am kommenden
Freitag gibt es die vorerst letzte Chance, dem Werk in Wien zu
begegnen.
Nach
den fünf Aufführungen der Premierenserie vom Oktober 2024 hat die
Wiener
Staatsoper das Werk auch in dieser Saison auf den Spielplan gesetzt.
Von vier geplanten Vorstellungen wurden bereits drei gegeben, die
letzte folgt am Freitag. In der
Publikumszeitschrift des Hauses (Ausgabe September 2025, S. 38) wird
angemerkt, dass „Fin de partie” das Zeug dazu habe, Teil des
klassischen Repertoires zu werden. Aber das ist schon sehr optimistisch
gedacht. Handelt es sich bei Kurtágs Opus nicht um ein
eigenbrötlerisches Alterswerk – noch dazu auf einen Text, für den man
sich erst einmal erwärmen muss?
Aber „Alter“ bedeutet auch, dass man ein Gefühl für das unabdingbare
Notwendige entwickelt, dass man die Fähigkeit besitzt, sich von der
einst scheinbar grenzenlos verfügbaren Fülle des Lebens ein paar
Hoffnungsfunken abzusparen, die einen dann von einem hohen runden
Geburtstag vielleicht noch zum nächsten tragen. In diesem Sinne
betreibt Kurtágs Musik eine leicht impressionistisch unterfütterte und
mit „Webern-Berg-Partikeln“ durchsetzte „Ausdrucksökonomie“, die mit
spröder Sparsamkeit sich durch eine eigentlich schon für verloren
gegebene Existenz manövriert. Verbunden mit der Geschichte, die in „Fin
de partie” erzählt (oder nicht erzählt) wird, reduziert sich Kurtágs Musiktheater
auf Momente des Erinnerns, fragmentarisch, in der Beziehung zwischen
Nagg und Nell immerhin mit einem traurig-absurden Abgesang auf das, was
früher einmal „Liebe“ genannt worden ist.
Aber die meiste Zeit wird dann doch „nur“ monologisiert, scheinen diese
Figuren im Reden sich vergewissern zu wollen, dass sie noch leben – auf
Kosten von Zuhörern, die von der eigenartigen Irrelevanz des Erzählten
schnell gelangweilt werden. In diesem Punkt ist Kurtág verblüffend
ehrlich und negiert die Erwartungshaltungen eines Publikums, das
Mitgefühl erwartet. Und aus diesem Publikum lösen sich dann schon nach
einer Viertelstunde die ersten zwei oder drei, die dieser Langeweile
einer in Erinnerungen festgefrorenen „Altersweisheit“ nur mehr
entfliehen möchten. Zumindest auf der Galerie (und dort hatte ich dank
meines Platzes einen guten Überblick, um das Fluchtverhalten der
Staatsopernbesucher zu beobachten) verließen im Laufe der pausenlosen
rund eindreiviertel Stunden langen Vorstellung immer wieder Besucher
das Auditorium, vergrößerten sich die Lücken in den anfänglich sehr gut
gefüllten Reihen merklich.
Ansonsten ist den Eindrücken der Premierenserie – bei der selben
aufopferungsvoll Kurtágs Vorgaben folgenden Besetzung – wenig
hinzuzufügen. Alles ist eingespielt – vielleicht inzwischen zu
eingespielt, um die Neuheit des Werks noch mit frischer Begeisterung
erfüllen zu können. Georg Nigl widmete
sich wieder erfolgreich dem „Slapstick“, mit dem Clov nicht nur eine
Leiter über die Bühne trägt. Als in der Tonne eingetütetes Liebespaar
durften sich Charles Workman und Hilary Summers erneut nicht so nahe kommen, wie es ihrer langjährigen Partnerschaft zugekommen wäre – und Philippe Sly herrschte
im Rollstuhl sitzend über diese verkomponierten literarischen
Phantasien eines Iren, den es einst nach Frankreich verschlagen
hat. Wer zudem bedenkt, dass Beckett (*1906) und Kurtag (*1926) laut
Geburtsjahr nur zwanzig Jahre trennen, wird das Interesse des
Komponisten an der literarischen Vorlage wahrscheinlich besser
verstehen, als es aus heutiger Sicht nachvollziehbar
scheint.
Simone Young wachte im
Orchestergraben über die kleinteilige Musiksprache des Komponisten, die
mit der Empathie des Publikums rechnet, ohne diese wirklich zu wecken.
Ein paar Bravorufer, die am Schluss der Aufführung den knapp fünf
Minuten langen Applaus verstärkten, haben diese Anteilnahme
offenhörlich aufgebracht.
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