FIN DE PARTIE

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Wiener Staatsoper
6. Oktober 2025

Musikalische Leitung: Simone Young

Nagg - Charles Workman
Nell - Hilary Summers
Hamm - Philippe Sly
Clov - Georg Nigl


„Drittbegegnung“

(Dominik Troger)

Die Staatsoper spielt wieder György Kurtágs Oper „Fin de partie”, gefertigt nach dem gleichnamigen Theaterstück von Samuel Beckett. Am kommenden Freitag gibt es die vorerst letzte Chance, dem Werk in Wien zu begegnen.

Nach den fünf Aufführungen der Premierenserie vom Oktober 2024 hat die Wiener Staatsoper das Werk auch in dieser Saison auf den Spielplan gesetzt. Von vier geplanten Vorstellungen wurden bereits drei gegeben, die letzte folgt am Freitag. In der Publikumszeitschrift des Hauses (Ausgabe September 2025, S. 38) wird angemerkt, dass „Fin de partie” das Zeug dazu habe, Teil des klassischen Repertoires zu werden. Aber das ist schon sehr optimistisch gedacht. Handelt es sich bei Kurtágs Opus nicht um ein eigenbrötlerisches Alterswerk – noch dazu auf einen Text, für den man sich erst einmal erwärmen muss?

Aber „Alter“ bedeutet auch, dass man ein Gefühl für das unabdingbare Notwendige entwickelt, dass man die Fähigkeit besitzt, sich von der einst scheinbar grenzenlos verfügbaren Fülle des Lebens ein paar Hoffnungsfunken abzusparen, die einen dann von einem hohen runden Geburtstag vielleicht noch zum nächsten tragen. In diesem Sinne betreibt Kurtágs Musik eine leicht impressionistisch unterfütterte und mit „Webern-Berg-Partikeln“ durchsetzte „Ausdrucksökonomie“, die mit spröder Sparsamkeit sich durch eine eigentlich schon für verloren gegebene Existenz manövriert. Verbunden mit der Geschichte, die in „Fin de partie” erzählt (oder nicht erzählt) wird, reduziert sich
Kurtágs Musiktheater auf Momente des Erinnerns, fragmentarisch, in der Beziehung zwischen Nagg und Nell immerhin mit einem traurig-absurden Abgesang auf das, was früher einmal „Liebe“ genannt worden ist.

Aber die meiste Zeit wird dann doch „nur“ monologisiert, scheinen diese Figuren im Reden sich vergewissern zu wollen, dass sie noch leben – auf Kosten von Zuhörern, die von der eigenartigen Irrelevanz des Erzählten schnell gelangweilt werden. In diesem Punkt ist Kurtág verblüffend ehrlich und negiert die Erwartungshaltungen eines Publikums, das Mitgefühl erwartet. Und aus diesem Publikum lösen sich dann schon nach einer Viertelstunde die ersten zwei oder drei, die dieser Langeweile einer in Erinnerungen festgefrorenen „Altersweisheit“ nur mehr entfliehen möchten. Zumindest auf der Galerie (und dort hatte ich dank meines Platzes einen guten Überblick, um das Fluchtverhalten der Staatsopernbesucher zu beobachten) verließen im Laufe der pausenlosen rund eindreiviertel Stunden langen Vorstellung immer wieder Besucher das Auditorium, vergrößerten sich die Lücken in den anfänglich sehr gut gefüllten Reihen merklich.

Ansonsten ist den Eindrücken der Premierenserie – bei der selben aufopferungsvoll Kurtágs Vorgaben folgenden Besetzung – wenig hinzuzufügen. Alles ist eingespielt – vielleicht inzwischen zu eingespielt, um die Neuheit des Werks noch mit frischer Begeisterung erfüllen zu können. Georg Nigl widmete sich wieder erfolgreich dem „Slapstick“, mit dem Clov nicht nur eine Leiter über die Bühne trägt. Als in der Tonne eingetütetes Liebespaar durften sich Charles Workman und Hilary Summers erneut nicht so nahe kommen, wie es ihrer langjährigen Partnerschaft zugekommen wäre – und Philippe Sly herrschte im Rollstuhl sitzend über diese verkomponierten literarischen Phantasien eines Iren, den es einst  nach Frankreich verschlagen hat. Wer zudem bedenkt, dass Beckett (*1906) und Kurtag (*1926) laut Geburtsjahr nur zwanzig Jahre trennen, wird das Interesse des Komponisten an der literarischen Vorlage wahrscheinlich besser verstehen, als es aus heutiger Sicht nachvollziehbar scheint.  

Simone Young wachte im Orchestergraben über die kleinteilige Musiksprache des Komponisten, die mit der Empathie des Publikums rechnet, ohne diese wirklich zu wecken. Ein paar Bravorufer, die am Schluss der Aufführung den knapp fünf Minuten langen Applaus verstärkten, haben diese Anteilnahme offenhörlich aufgebracht.