PHAEDRA
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Theater an der Wien
31.5.2008
Österreichische Erstaufführung

Musikalische Leitung: Michael Boder
Inszenierung: Peter Mussbach
Raum: Olafur Eliasson
Kostüme: Bernd Skodzig
Licht: Olaf Freese

Orchester: Ensemble Modern

Koproduktion Staatsoper unter den Linden, Berlin, Théatre Royal de la Monnaie Bruxelles, Wiener Festwochen, Alte Oper Frankfurt, Berliner Festspiele

Uraufführung: 6. September 2007, Berlin

Phaedra - Magdalena Anna Hofmann
Aphrodite - Marlis Petersen
Hippolyt - Jeremy Ovenden
Artemis - Axel Köhler

Minotaurus - Lauri Vasar

Phaedra Darstellerin - Susanne Marik


Konzert als Oper?

(Dominik Troger)

Das Musiktheaterprogramm der diesjährigen Wiener Festwochen hat sich ganz auf zeitgenössische Werke eingeschworen. Mit Hans Werner Henzes „Phaedra“ – uraufgeführt September 2007 in Berlin – folgte jetzt im Theater an der Wien der dritte, ganz aktuelle Streich.

Mit „Phaedra“ führt Henze sein Publikum einmal mehr zurück in die Antike. Phaedra, Gattin von Theseus, liebt ihren Stiefsohn Hippolyt. Als dieser ihre Liebe nicht erwidert, verleumdet sie ihn bei ihrem Gemahl. Henze und sein Librettist, Christian Lehnert, lassen es aber nicht beim Tod von Hippolyt und Phaedras Selbstmord bewenden. Im zweiten Teil der Oper werden die Toten zu „Spielbällen“ der Göttinnen Artemis und Aphrodite. Artemis erweckt Hyppolit zu neuem Leben und sperrt ihn als Viribus in einen Käfig. Phaedra flattert als Vogelwesen in der Unterwelt umher. Aphrodite entführt Hyppolit in ein Höhle, wo ihn Phaedra erneut zu verführen sucht. Den Schluss markieren die Wiederauferstehung Hyppolits als Waldgott und ein Tanz aller Beteiligten mit Minotaurus.

Als Zuhörer- und -seher ist man zuerst ein wenig ratlos über diese „Mythisierung des Mythos“, die einen als surreal angehauchte, ekkletizistische Dekádence entgegentritt. Ein Eindruck, der durch das nicht immer ganz stilsichere Libretto noch verstärkt wird, das phasenweise wie eine magere Xerokopie Hofmannsthal’scher Vorlagen erscheint. Man kann nun die Figurenkonstellation analysieren (wie es im Programmheft zur Aufführung geschieht) oder im Schluss – der Wiederauferstehung und Vergöttlichung Hyppolits – den Schlüssel suchen, der einen das Schloss zu dieser Henze’schen „Privatoffenbarung“ aufsperrt, die anhand dieses alten Stoffes nach Urformen und Urkonflikten menschlicher Existenz forscht. Doch auch die optimistische Apotheose des Schlusses in der Dasein und Natur sich in Hyppolit verjüngen und sich im Tanz wie Pflanzen zu einem neuen, von Leben durchwogten Dickicht drehen, kann diesen Eindruck nicht verwischen: dieser Mythos füllt sich mit keinem neuen Leben mehr, die Sprache, in der er zu uns spricht, hat ihre Kraft verloren, die Musik, die ihn begleitet, kennt sich schon selbst zu gut. So mag der letzte Tempelpriester seine Amtes walten, der sich die fehlende Anteilnahme der Gemeinde durch das eigene Spiegelbild ersetzt.

Nun hat Henze seine „Phaedra“ mit „Konzertoper“ untertitelt – und er mag das aus einem Gespür für die mindere dramatische Durchschlagskraft getan haben und für die starke Betonung des Musikalischen. Das kleine Orchester (23 Musiker, davon nur vier Streicher) bot die höchste Konzentration des Henze’schen Kosmos – von raffiniert gewähltem und eingesetztem Schlagwerk, über die mit reichhaltigen Klangschattierungen aufwartende Bläsergruppe, bis zu den vielen kleinteilig-melancholischen Streicherseufzern, die als verstreut-verlorene Erinnerungen wie romantisches Wetterleuchten zartfasrig über den Horizont huschten, an die einstige Größe und Aussagekraft der mythischen Bilder gemahnend. Doch trotz aller präzisen Verknüpfung mit den handelnden Personen und deren musikalischer Ausgestaltung schien der Partitur etwas Illustratives anzuhaften, das sich einem aufschlug wie ein altes Sagenbuch mit angegilbten Seiten und jenem feinen Staubgeruch, der angenehme Erinnerung und drohende Vergänglichkeit zugleich ist. Nur in der Tonbandzuspielung im zweiten Teil, wo plötzlich Geräusche der Gegenwart in diesen feingezirkelten „hoch-amtlichen“ Kosmos brechen und ihn durcheinanderwirbeln, öffnete sich für mich das „Konzert“ zur „Oper“ – rieb sich endlich „Zeitnahes“ an dieser insgesamt etwas hohlbrüstigen und nur von akribischer Musik am Leben erhaltenen Aufführung.

Diese Diskrepanz aufzuzeigen wäre ein guter Ausgangspunkt für die szenische Umsetzung gewesen. Doch mit der Betonung des Gleichförmigen, der auch von Henze auskomponierten Parallelität der handelnden Götter und Menschen, trieb Peter Mussbach dieser „Phaedra“ die letzten musikdramatischen Regungen aus. Götter und Menschen im gleichen Kostüm (Anzug, bzw. schlichtes Kleid mit antikisierender, helmähnlicher Kopfbedeckung aus Stoff), die sich auf einer weitgehend leeren Bühne hin- und herbewegten und der zeremonielle Touch ihrer Gestik, rückten den Abend viel zu stark in die konzertante Perspektive. Interessanter war die räumliche Anordnung: das Orchester hatte man in die Mitte des Parkettes verfrachtet, ein Laufsteg führte durch die verblieben Sitzreihen zur Bühne. Durch Lichteffekte und eine Spiegelwand auf der Bühne, die den Innenraum des Theaters auf das Publikum zurückwarf, entstanden ein paar gelungene illusionistisch-zeitlose Momente, die aber letztlich auch nur als Dekoration wirkten und nicht als Handlungsverstärker.

Dass die Aufführung überhaupt zustande kam, war Magdalena Anna Hofmann zu verdanken, die innerhalb von einer Woche die Partie der Phaedra erlernte, nachdem die ursprüngliche Besetzung (Maria Riccarda Wesseling) krankheitsbedingt ausgefallen war. Hofmann hat einen angenehm warmen Mezzo und ist erfahren in Sachen zeitgenössischer Oper. Dass sie wegen der kurzen Probezeit auf das Spiel verzichten musste und szenisch von Susanne Marik gedoubelt wurde, könnte man natürlich als Handicap für die Regie werten. Die übrigen Mitwirkenden, so weit sich das beurteilen lässt, standen gesanglich ebenfalls auf der Höhe der gegebenen Anforderungen. Bei Michael Boder und dem Ensemble Modern lag der Orchesterpart in sehr guten Händen – und man genoss die subtile Feinnervigkeit eines Kammermusikabends und vermisste aus obgenannten Gründen die Oper. Aber möglicherweise soll es ja so sein?!

Das Publikum dankte den Mitwirkenden mit viel, aber nicht lange anhaltendem Applaus. Die Aufführungsdauer, inklusive einer Pause, lag bei knapp zwei Stunden.