ELEGIE FÜR JUNGE LIEBENDE
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Theater an der Wien Musikalische Leitung: Marc Albrecht
Wiener Symphoniker |
Hilda Mack - Laura
Aikin |
Die letzte Premiere der Saison 2016/17 im Theater an der Wien galt Hans Werner Henzes „Elegie für junge Liebende“. Die Oper war in Wien zuletzt im Jahre 1998 in einer Produktion der freien Opernszene im Odeon aufgeführt worden. Kritik am Geniekult des 19. Jahrhunderts zu äußern, das war bei der Uraufführung der Oper im Jahre 1961 in Schwetzingen sicher provokativer als im Jahre des Herrn 2017. Schon mehr interessiert die narzisstische Persönlichkeitsstörung des Hauptcharakters: Denn solche „Typen“ wie der Dichter Gregor Mittenhofer, die mit raffiniert ausgelebtem Geltungsdrang über Leichen gehen, sind auch heutzutage keine Rarität. Aber eigentlich geht es in dieser Oper um die Entstehung eines Gedichtes, genauer: einer Elegie – Gregor Mittenhofer opfert für seine Inspiration das Liebespaar Toni und Elisabeth, das auf dem Hammerhorn von schlechtem Wetter überrascht den Bergtod findet. Mittenhofer könnte noch eine Rettungsaktion auslösen, unterlässt es aber. Der Tod der beiden beflügelt ihn beim Fertigstellen seiner „Elegie für junge Liebende“. Das Gedicht selbst wird dem Publikum allerdings unterschlagen. Ob Mittenhofer wirklich so ein „toller“ Dichter gewesen ist, das wird man nie erfahren. Vielleicht ist es auch besser so. Zumindest in der deutschen Übersetzung wirkte das Libretto von Wystan Hugh Auden und Chester Kallman etwas „flach“. Denn die Geschichte – so sehr sie als knapp formulierte Inhaltsangabe interessiert – verlor bei drei Stunden Spieldauer (inklusive einer Pause) merklich an Spannung. Henzes eigenwillig instrumentiertes (sogar eine „singende Säge“ darf mitspielen) und meist kammermusikalisch kleinteilig agierendes Orchester gibt sich etwas elegieartig-selbstverliebt und drängt die Figuren nicht zur Entscheidung: da noch ein Ensemble, dort noch – wenn die Handlung eigentlich dem Finale zustreben müsste – viele Worte von der Gräfin. Aber beim Weltenabschied des Liebespaares wird mit zarter Musik gemütsvolle opernhafte Rührung herbeigezaubert. Mit den Singstimmen hat Henze viel Aufwand getrieben, vom normalen Sprechen bis zur anspruchsvollen Arie gibt es einige Zwischenstufen und manches wirkt ein wenig „gekünstelt“. Und die Figur der Hilda Mack, die auf ihren Mann wartet, der vor 40 Jahren ebenfalls am Hammerhorn verunglückt ist, darf mehrmals zur „Auflockerung“ Koloratursopran-„Eskapaden“ einstreuen. Das Bühnenbild wurde von überdimensionalen Gegenständen dominiert: eine riesige weiße Stehlampe in der Drehbühnenmitte, eine große, weiße, begehbare Schreibmaschine, das übersteigerte Selbstgefühl des Dichters ironisch kommentierend. Bemerkenswert war das Doppelbett auf dem meterhohen Bücherstapel, dessen Besteigung den Mitwirkenden einige Trittsicherheit abverlangt hat. Später verschwanden diese überdimensionalen Gegenstände unter weißen Stoffbahnen, um Schnee und Gebirge zu simulieren. Zum Liebestod wurde noch ein Hochgebirgspanorama projiziert und das Liebespaar grüßte wie von einem Gipfel. Regisseur Keith Warner sorgte für eine gute Personenregie – garniert mit ein paar Übertreibungen wie dem Sexualakt in dem obgenannten Doppelbett oder der „überinszenierten“ Bergnot des Liebespaares, das wenig glaubwürdig zwischen den verhüllten Kulissen herumzuklettern hatte. Aber der Spagat zwischen Groteske und alpinem Gipfelsturm ist szenisch schwer zu schaffen. Johan
Reuter stellte den Dichter dar, zeichnete seine Eitelkeit,
seinen Hang zur emotionalen Ausbeutung – ein gelungenes Porträt
dieser Persönlichkeit, auch stimmlich mit vielen Schattierungen
versehen, anschmiegsam oder grausam, und von ausreichend satter Stimmkraft,
wenn es darauf ankam. Anna Lucia Richter sorgte als
Elisabeth mit lyrischem Sopran für poetische Beglückungen
und gab der Figur eine frische Natürlichkeit, die den Dichter nicht
nur zum Dichten inspiriert hat, wie Keith Warner deutlich machte. Ihr
Toni – Paul Schweinester – folgte mit etwas
enger geführtem lyrischem Tenor ihren Fußstapfen auf dem
tödlichen Weg zum Edelweiß. Angelika Kirchschlager
bot als Gräfin und „Zeremonienmeisterin“ des
Dichters eine überzeugende Charakterstudie mit gesanglichen Einschränkungen,
weil ihre Stimme kaum über eine ausreichende Höhe verfügte.
Laura Aikin spielte die schrullige Hilda Mack, war
stark in der Bühnenpräsenz, und hatte bis auf wenige Passagen
diese schwierige Partie gut im Griff. Martin Winkler
gab als Leibarzt des Dichters eine weitere seiner vielen, mit wortdeutlichem
Bariton entwickelten Charakterstudien. Marc Albrecht
am Pult sorgte zusammen mit den Wiener Symphonikern für ein gediegenes,
klar durchhörbares Kammerkonzert. |