LUCIO CORNELIO SILLA
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Konzerthaus
29. Jänner 2017
Konzertante Aufführung

Musikalische Leitung: Fabio Biondi

Europa Galante

Silla - Sonia Prina
Claudio - Martina Belli
Metella - Sunhae Im
Lepido - Vivica Genaux
Flavia - Roberta Invernizzi
Celia - Francesca Lombardi Mazzulli
Mars - Luca Tittoto



Der Diktator mit dem Löwenkäfig
(Dominik Troger)

Das Wiener Konzerthaus hat sein Resonanzen-Festival 2017 mit der konzertanten Aufführung der Oper „Lucio Cornelio Silla“ von Georg Friedrich Händels abgeschlossen. Das Werk wurde erst in den 1990er-Jahren „exhumiert“ und scheint sich gerade einer größeren „Nachfrage“ zu erfreuen.

Händels „Silla“ stammt aus dem Jahr 1713. Die Händel-Forschung hat aber keinen eindeutigen Beleg dafür, dass die Oper damals auch wirklich aufgeführt worden ist. Erst 1969 wurde ein Original-Textbuch aufgestöbert, das der Vermutung Nahrung gibt, die Oper könnte von Händel für eine Privataufführung geschrieben worden sein. Der Komponist hat Teile der Musik in seiner nächsten Oper „Amadigi di Gaula“ wiederverwertet.

Händel-Spezialisten haben zu der Oper unterschiedliche Meinungen geäußert, vor allem das Libretto wurde stark kritisiert. Die Handlung schöpft aus dem Wirken des römischen Diktators Lucio Cornelius Sulla, der mit seiner schlecht beleumundeten Biographie auch die Vorlage für Mozarts „Lucia Silla“ abgegeben hat. In Händels Oper erscheint Silla als Frauenverführer und skrupelloser Machthaber, der auch nicht davor zurückschreckt, Widersacher wilden Tieren zum Fraße vorzuwerfen – was das Libretto dann aber doch nicht zulässt.

Musikalisch hat Händel beim „Silla" offenbar nach dem Grundsatz „In der Kürze liegt die Würze“ gehandelt: Die meisten Arien sind kurz gehalten, und das Werk hat eine Spieldauer von rund zwei Stunden – die im Konzerthaus mit zwei Pausen auf nahezu drei Stunden gestreckt worden sind. Vor allem die sehr knapp gehaltene Wandlung von Sillas Charakter im Finale verblüfft. Silla erleidet Schiffbruch, nachdem er sich ganz artig von seiner Gemahlin Metella verabschiedet hat, und wird – plötzlich reumütig geworden – gerettet. Gott Mars gibt seinen „Segen“ dazu und alles ist eitle Wonne.

Silla und Lepido waren ursprünglich als Kastraten-Partie konzipiert (laut Wikipedia). Die Aufführung im Konzerthaus baute – bis auf Mars – auf eine rein weibliche Besetzung mit vielen klingenden Namen der Barockszene. Sonia Prina gab nach einer „Aufwärmphase“ im ersten Akt mit ihrer Altstimme einen effektvollen Silla. Das sind genau die Charaktere, die ihr liegen: burschikos, ein bisschen frech, ihr dunkles Haar ein bisschen auf Punk frisiert, und die Bronzefarbe ihres Timbres spielt ein wenig in die Richtung countertenoraler Schattierung.

Sillas Gemahlin Metella wurde von Sunhae Im verkörpert. Sie bot in ein flammend rotes Kleid gewandet einen passenden Kontrast, und stellte Sillas breitspurigem Auftreten einen leichten, funkelnden Sopran zur Seite. Martina Belli musste als Claudio nicht in den Löwenkäfig steigen, um ihren reichhaltigen Mezzo wie Orpheus an wilden Tieren zu erproben. Die Sängerin war im Konzerthaus zum ersten Mal zu Gast, und der dunkelsamtige, vielversprechenden Stimme würde ich gerne einmal im akustisch „genaueren“ Theater an der Wien begegnen.

Ausgesprochen hübsch gelang die Szene mit der trauernden Celia im dritten Akt, der das Echo in Form des totgeglaubten Claudio jeweils das letzte Wort zurückwirft – bis Claudio vor ihr steht. Francesca Lombardi Mazzulli gab der Celia eine jugendliche Note, lieblich, aber auch keck. Vivica Genaux steuerte mit ihrem agilen, bewährten Mezzo den Lepido bei. Roberta Invernizzi sorgt mit ihrem – im Vergleich zu Celia – weicheren lyrischen Sopran für die Flavia. Luca Tittoto durfte als gepflegt singender Mars auf der Empore über dem Podium „erscheinen“.

Der dirigierende Violinist Fabio Biondi und das Ensemble Europa Galante zählen zu den „Stammgästen“ der Resonanzen. Biondi setzt auf einen weichen Klang, auf eine gefühlvolle Begleitung und scheint mir derzeit eher die Ausnahme bei den auf Barockmusik spezialisierten Ensembles zu sein – von denen viele Expressivität und Virtuosität über schärfere Akzente und einen „robusteren Klang“ forcieren. Besonders laben konnte man sich als Publikum an den mehr lyrischen Stücken, an Arien mit solistischer Begleitung, an den Liebe- und Trauermomenten der Figuren.

Das Publikum dankte mit starkem Applaus.