TEA

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Semper Depot
14.9.2007

Musikalische Leitung: Walter Kobéra
Inszenierung: Carlos Wagner
Ausstattung: Christof Cremer
Licht: Norbert Chmel

amadeus ensemble-wien


(Österr. Erstaufführung 11.9.07)

Seikyo - Klemens Sander
Lan - Cornelia Horak
Chinesicher Prinz - Alexander Kaimbacher

Kaiser - Steven Gallop
Ritualistin / Lu - Maren Engelhardt

Grüner Tee...
(Dominik Troger)

Sencha, Gyokuro? Lu Shan Yun Wu? Gunpowder? Persönlich nippe ich gerade aus einer Schale milden Grüntees aus Sri Lanka. Biologischer Anbau. Ob sie mir mehr auf die Sprünge hilft, als die in kleinen Plastikschälchen gereichte Dosis während der Aufführung?

Wer die Reise des Komponisten Tan Dun „durch den Tee“ mitmachen möchte, wird derzeit von der Neuen Oper Wien ins Semper-Depot geladen. Das Publikum sitzt wie in einem Amphitheater um das mit Sand gefüllte Bühnenrund. Dort findet eine Teezeremonie statt, in der ein Mönch (s)eine Lebensgeschichte erzählt: Ein Prinz möchte eine Prinzessin heiraten, der Bruder der Prinzessin hat etwas dagegen – Streit entsteht über das „Buch vom Tee“. Der Prinz zweifelt seine Echtheit an, der Bruder ist entzürnt. Dem Prinzen wird befohlen, mit seinem Leben dafür einzustehen – er und die Prinzessin machen sich auf die Suche nach dem echten „Buch vom Tee“. Sie finden es, aber der Bruder ist ihnen heimlich gefolgt und reißt es an sich. Im folgenden Kampf wird die Prinzessin von ihrem Bruder getötet. Der Prinz erlangt Erkenntnis und wird zum Mönch ... Eine Geschichte, bei der die Suche nach Wahrheit im Mittelpunkt steht, nach der „Harmonie der Welt“, die der „Tee“ verkörpert in seiner Vollkommenheit?

Während es nicht schwierig war, den äußeren Handlungsablauf nachzuvollziehen – stieß man rasch auf die Herausforderung, diese Äußerlichkeit nicht für das „Ganze“ zu nehmen. Aber was sich Prinz Seikyo und Prinzessin Lan während der langen „Nacht des Tees“ so alles zuflüstern – wer wird es je erfahren? Welches Liebesgeheimnis hat die beiden miteinander verbunden, als die Teeblätter von den Galerien des Semper-Depots niederregneten auf Schauspieler und Publikum?

Eine Weisheit, die man nicht versteht, wird schwer zur Erkenntnis führen: vom englisch gesungenen Text waren wenig zu verstehen und eine weitere Quelle für das Libretto wurde einem nicht erschlossen (weder im Programmheft noch durch eine während der Aufführung mitlaufende Textzeile). Doch das allein hätte noch nicht das Rätsel gelöst: es geht um die kulturelle Frage nach der Bedeutung dieser Teezeremonie, ihrem Symbolgehalt, der sich in solchem Ambiente (und von europäischen Mitwirkenden nur bedingt glaubwürdig gestützt) wohl kaum abrufen lässt. Da hilft es wenig, wenn Tan Dun den Brückenschlag versucht und abendländischer Choralgesang das asiatische Zeremoniell durchhallt. (Die Konstruktion eines europäisch-fernöstlichen Synkretismus scheitert wohl daran, dass dafür auch eine eigene rituelle Gestik geschaffen werden müsste?)

Die Musik betreffend ergab sich für mich ein ähnliches Bild. Tan Dun erläutert im Programmheft kurz wie seine Wahl der Instrumente zur Klangerzeugung mit animistischen Vorstellungen seiner chinesischen Heimat korrespondiert: ein kleines „klassisches“ Orchester um drei Perkussionisten verstärkt, die Papier zerreißen und Steine gegeneinander schlagen. Tan Dun „träumt“ den Klang vom Wind und dem Rascheln der Bäume, er spürt Wassergeräuschen nach und dem Hallen von Keramiktöpfen, die die Kraft des Feuers und der Erde in sich tragen. Doch der Überraschungseffekt solcher Techniken hält sich in Grenzen und den Sprung auf die symbolische Ebene wird man als säkularisierter Mitteleuropäer kaum schaffen. Ein bisschen wirkte alles wie entlehnt aus dem Selbstbedienungsladen der Moderne, mit viel Glissando kulinarisch „aufgefettet“ und im Klangbild leicht asiatisch verfremdet, die beiden Harfen zum beruhigenden Streicheln eines seelenvollen Gemüts genützt – und für ein paar Momente des Aufbegehrens. Das Semper-Depot mit seiner spezifischen Akustik ist zudem nicht der Ort für pointierte Nuancen – aber die Choräle klangen gut. Tan Dun (*1957) hat bereits einen Filmmusik-Oscar eingeheimst, die Wiener Aufführungen seiner vielgerühmten Oper „Marco Polo“ habe ich versäumt.

Die räumliche Anordnung der Bühne, schon kurz angesprochen, war gut gelöst, das Orchester hatte man eingangsseitig hinter Spielrund und Publikum platziert. Darüber herabhängend lange Bahnen von Papier. Der offene Charakter, die Nähe zwischen Ausführenden und Publikum, war ein Anliegen des Komponisten. Requisiten gab es wenige, Holzschwerter, Teeschalen, weiße asiatisch anmutende Gewänder ... Die Suche von Prinz und Prinzessin wurde als Flug dargestellt. Ein großes „Papierflugzeug“ nahm die beiden auf wie ein Märchen, wurde dann langsam um die eigene Achse gedreht – die lange Nacht der Liebe und des Tees ...

Dass mir das Gehabe der Mönche nicht sehr authentisch vorkam, wurde schon angemerkt, die Hauptpersonen zeigten sich gut geführt und wussten gesanglich zu beeindrucken. Das Amadeus Ensemble Wien unter Walter Kobéra spielte engagiert wie immer. Die grundlegenden „Verständnisschwierigkeiten“ konnten sie mir alle nicht aus dem Weg räumen. Das Publikum dieser zweiten Aufführung (Österreichische Erstaufführung am 11.9.07) spendete animierten Schlussapplaus. Dauer rund eineinhalb Stunden; keine Pause.