EL RETABLO DE MAESE PEDRO
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Theater a.d. Wien
Gastspiel Festival d'Aix-en-Provence im Rahmen der Wiener Festwochen
13.5.2004

Musikalische Leitung: Pierre Boulez

Regie: Klaus Michael Grüber
Bühnenbild/Kostüme: Titina Maselli

Bühnenbild "Pierrot lunaire": Gilles Aillaud

Ensemble Intercontemporain

El Retablo de Maese Pedro (de Falla):

El Trujaman - Beatrice Petitet-Kircher
Maese Pedro - Dmitri Voropaev
Don Quijote - Ronan Nedelec

Renard (Strawinsky):

Tenor I - Andrei Ilyushnikov
Tenir II - Dmitri Voropaev
Bass I - Ronan Nedelec

Bass II - Pavel Schmulevich

Pierrot lunaire (Schönberg):

Rezitation - Anja Silja


Stimmungsvolles Tryptichon
(Dominik Troger)

Drei Einakter zu einem stimmungsvollen Abend verschmolzen: Aber man darf ein wenig darüber rätseln, was das gemeinsame Motto gewesen sein könnte: Die Schlusszeile des „Pierrot lunaire“ vom „alten Duft der Märchenzeit“?

Mit fast schon schmerzender Klarheit ging das Ensemble Intercontemporain unter der Stabführung von Pierre Boulez zur Sache. Das waren Töne wie aus Glas. Da war kein Staubkörnchen mit dabei. Blank geputzt erstrahlte alles in abstraktem Gefunkel. Es ist nicht daran zu zweifeln, dass man hier im buchstäblichen Sinne „jede Note" gehört hat. Das schaffte einen Eindruck von starker Modellhaftigkeit, das hat sein Für und auch sein Wider. Man könnte schon mutmaßen, dass die Ernsthaftigkeit, mit der Boulez hier wirkte, einer kreativen Interaktion zwischen Orchester, Bühne und Publikum hindernd gegenüberstand. Vieles klang wie mit dem Zollstab ausgemessen.

Trotzdem würde ich diese Begegnung nicht missen wollen, sie hatte etwas Artistisches an sich, ein Trapezakt höchster Perfektion. Wann kann man diesen musikalischen „Fremdheiten“ eines Schönberg in solch monderhelltem silbrigkühlem Schimmer begegnen, so dass sie einem im Ohre nachhängen, längst verklungen, wie der Mondfleck auf Pierrots Rock? Getragen und verfochten wurde „Pierrot lunair“ von Anja Silja, die sich als starke Bühnenpersönlichkeit mit gestalterischer Individualität auf diese Verse einließ – schwebend zwischen Gesang und Deklamation. Diese Verse – in ihren gefühlstriefenden Metaphern hauchte sich eine Epoche aus. Silja gab ihnen mehr, als man ihnen aus heutiger Sicht zugestehen möchte, nämlich Ernsthaftigkeit. Sie haben etwas vom überspannten Fin de siecle der Wilde‘schen und Strauss’schen Salome an sich. Das kann man sogar aus der Musik heraushören. Meiner Meinung nach haben diese Verse nur Schönberg wegen überlebt. Musiziert wurde bei „Pierrot lunair“ auf der Bühne, geleitet von Boulez, manchmal von Silja umschwärmt.

Die Don Quijoterie von Manuel de Falla ist da aus anderem Holz geschnitzt, ein schlanker, kammermusikalischer Neoklassizismus, mit einer gewissen Folkloristik und durch die Einbeziehung des Cembalo einer interessanten Klangfärbung. Diese halbe Stunde, an deren Ende Don Quijote die bösen maurischen Ritter eines Puppenspiels vernichtet, sind reizvoll, und von einer anderen „Märchenhaftigkeit“ als „Pierrot lunair“. Vielleicht stößt man hier auch auf das Gemeinsame der Stücke, Puppenspiel, die Tiermasken von „Renard“, und – der „alte Duft aus Märchenzeit“. Für den Verbundstoff zwischen den Stücken sorgten solistische Klarinetten-Kompositionen von Strawinsky und Boulez. Die Übergänge wurden flott durchgezogen, Zwischenapplaus war nicht erwünscht. Das restliche SängerInnenenensemble war ausgewogen, aber nicht herausragend.

Die Regie von Klaus Michael Grüber hielt sich im Bühnenbild von Titina Maselli bei de Falla ganz an die Wirkungskraft des Puppenspiels, gab sich märchenhaft und ein wenig düster in einem durch historische Kostümakzente in die „Märchenzeit“ versetzten Spanien. Das „Regietheater“ blieb hier draußen vor der Tür, die Bühne atmete das südländische Flair eines kühlschattigen Abends. „Renard“, diese komponierte Fabel über Hahn und Fuchs, wurde von Pantomimen mit Tiermasken dargestellt, deren Augen auf der dunklen Bühne wie kleine Scheinwerfer leuchteten. „Renard“ hatte viel Schwung und Stil, die „Burleske zum Singen und Schauspielen“ wurde jeder Derbheit ledig dargeboten. „Pierrot lunaire“ (Bühnenbild Gilles Aillaud) zeigte sich kühler, in hohem, irgendwie klassizistischem Raum, mit einem Fenster unter dem Dach, mit dem großen Gitter zwischen Zuschauer und Bühne – und dem Affen auf der Säule, einem lebendigen, der schon im ersten Stück an der Leine seines Trainers dem Puppenspiel gelauscht hatte. Silja schminkte sich während sie sang, kostümierte sich, verwandelte sich mit dem Fortschreiten der Handlung in „Pierrot lunaire“: wie in eine Erinnerung, wie in die letzten Reste eines „alten Duftes aus Märchenzeit“, der schon lange nicht mehr getragenen Kostümen entsteigt...

Die Gesamtdauer der Aufführung betrug rund eineinhalb Stunden und brachte den Ausführenden viel Applaus.