ADRIANA LECOUVREUR
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Wiener Staatsoper
9. November 2017

Dirigent: Evelino Pidò

Maurizio, Conte di Sassonia - Piotr Beczala
Michonnet - Roberto Frontali
Adriana Lecouvreur - Anna Netrebko
La Principessa di Bouillon - Elena Zhidkova
Il Principe di Bouillon -
Alexandru Moisiuc
Abate - Raúl Giménez
Quinault- Ryan Speedo Green
Poisson - Pavel Kolgatin
Jouvenot - Bryony Dwyer
Dangeville - Miriam Albano

Haushofmeister - Tobias Huemer

sowie Ballettänzerinnen und -tänzer im III. Akt


Schwülstiger Veilchenduft
(Dominik Troger)

Francesco Cilèas „Adriana Lecouvreur“ ist nach dreieinhalb Jahren wieder auf den Staatsopernspielplan zurückgekehrt. Die Aufführungsserie verwöhnt das Wiener Publikum mit einer luxuriösen Besetzung: hingehen und genießen!

Zwar besitzt die Geschichte von den vergifteten Blumen der Rivalin, die Adriana Lecouvreur ins Grab bringen, einen belletristischen Charme, der schon eine gewisse Überwindung benötigt, soll man sich ihm auf Gedeih und Verderben ausliefern, aber diesmal heißt die Devise: keine Skrupel haben und eintauchen in den Duft dieses schwülstig-morbiden Veilchenbuketts veristischer Musik.

Erst im Jahr 2014 ist „Adriana Lecouvreur“ im Rahmen einer Koproduktion von fünf Opernhäusern zu Staatsopernehren gekommen. Diese in Wien gezeigte Inszenierung von David McVicar hatte im Jahr 2010 am Königlichen Opernhaus Covent Garden Premiere, als „Vehikel“ für Angela Gheorghiu und Jonas Kaufmann. Sie spielt zur Handlungszeit des Stücks im Jahr 1730, zeigt schöne Kostüme und ein praktikables Bühnenbild, das im Wesentlichen aus einer drehbaren Theaterbühne besteht, die man mal von hinten oder von vorne sieht.

Anna Netrebko hat die Partie erst seit diesem Sommer im Repertoire und sie bereits am Mariinsky-Theater in St. Petersburg gesungen. Mit ihrem Wiener Rollendebüt folgt sie als Adriana der schon genannten Angela Gheorghiu nach, die das Werk an der Staatsoper „inauguriert“ hat. Ein Vergleich zwischen den beiden Sängerinnen könnte eigentlich unterschiedlicher nicht ausfallen: das filigrane, fast schon aquarellhafte Seelengemälde einer auch deutlich auf ihre Stimmhygiene bedachten Angela Gheorghiu, die – zumindest bei der Staatsopernpremiere – für ihre Bühnenwidersacherin eine in der Gesamtwirkung (zu) leichte Beute war – und jetzt Anna Netrebko, mit ihrem viel breiteren, viel raumfüllenderen, viel dunkler malenden, so recht in Saft und Kraft stehenden Sopran, der die ganze Leidenschaft der Liebe mit veristischem Feuer zu erfüllen vermochte.

Die Sängerin flutete schon im ersten Akt beim „Io son l’umile ancella“ das Haus mit ihrem inzwischen schokocremigen Sopran und als Operngenießer fühlte man sich ins Schlaraffenland versetzt, ganz klanggebadet und mit Köstlichkeiten traktiert. Ihre Stimme ist schwer geworden, der volle runde Klang hatte oft ein „Mezzoflair“ – und in der Auseinandersetzung mit der Rivalin Elena Zhidkova war Adriana Lecouvreur die stimmgewichtigere Sängerin, obzwar Zhidkova als kühl-egoistische Prinzessin mit ihrem energiegeladenen, leicht kristallinen Organ sehr gut dagegenhalten konnte.

Der Mann zwischen den beiden Frauen, Piotr Beczala, war ein sehr sympathischer Maurizio, eindeutig adeliger Abkunft, stimmlich im ersten Akt noch etwas reserviert und sein „Auftrittsgstanzl“ („La dolcissima effigie sorridente“) noch nicht bis zur Neige auskostend, ab dem zweiten Akt aber in blendender Geberlaune. Sein Tenor ist nach wie vor schlank, mit einer in den letzten Jahren hinzugewachsenen virilen Beimischung, die der sängerischen Eleganz des Jünglings die Eleganz des erfahrenen Liebhabers hinzugesellt. Das Liebespaar harmonierte im Spiel, sich herzend und küssend, und wenn sich beide Stimmen vereinten, um sich so ganz von Cilèas Musik in den Gefühlstaumel jagen zu lassen, dann blieben keine Wünsche offen. Netrebkos Sopran blieb allerdings auch hier die Dominanz der üppig strömenden Emotionen vorbehalten, und Beczala fügte mit Noblesse seinen tenoralen Herzschmerz hinzu.

Die übrigen Mitwirkenden, wie der von Adriana Lecouvreur so angetane Michonnet (von einem einfühlsam, diese melancholische Figur mit Leben erfüllendem Roberto Frontali gestaltet) sorgten dann mehr für die Farbtupfen und für die Ausfüllung der reichlichen „Leerflächen“, die sich zwischen den Höhepunkten in dieser Oper auftun. Aber dank der Stabführung von Evelino Pidò konnte man auch in diesen Phasen das geschickte, musikalisch kleinteilige Arrangement von Francisco Cilèa genießen. Pidò hat das Orchester zu differenziertem Spiel angehalten und weniger auf schwülstige Cienastik und mehr auf eine prickelnde Eleganz gesetzt. Netrebkos „Auftrittsarie“ hätte mehr orchestrale Süffigkeit aber noch gut vertragen.

Der Schlussapplaus dauerte zwölf oder dreizehn Minuten lang und im Haus sah man soviel bekannte Habitués wie schon lange nicht mehr. Man muss die Feste eben feiern, wie sie fallen.