IDOMÉNÉE
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Schönbrunner Schlosstheater
24. Juni 2017

Musikalische Leitung : Robert Lillinger

Inszenierung: Reinhard Hauser
Choerographie: Pia Brocza

Orchester: Les Vents Féeriques
Ballett: Tantz-Art


Ilione - Solenn' Lavanant-Linke
Dirce - Aurélie Jarjaye
Idamante - Jonathan Spicher
Idoménée - Richard Helm
Électre - Jasmina Sakr
Venus - Alessia Thais Berardi
Éole / Neptune / Protee / La Jalousie - Yannis Francois
Arcas / Némésis - Yannick Badier


Idomeneo mit Tragödienschluss

(Dominik Troger)

„Le festival de la musique baroque francaise“ (femubav) möchte dem Wiener Publikum die französische Barockoper näher bringen. Das ist ein mutiges Unterfangen. Die Startproduktion im Schönbrunner Schlosstheater – „Idoménée“ von André Campra – hat noch keinen Publikumsansturm ausgelöst.

Während in den letzten 30 Jahren in dieser Stadt ein kleines, aber verlässliches Publikum für zeitgenössische Oper herangewachsen ist – muss selbiges für die französische Barockoper erst gewonnen werden. In den letzten zehn Jahren hat vornehmlich das Theater an der Wien diesbezüglich als Speerspitze gewirkt und international bekannte Ensembles und Sänger eingeladen, um Opern von Jean-Baptiste Lully und Jean-Philippe Rameau dem Wiener Publikum vorzustellen.

Komponisten abseits der beiden hatten es noch schwerer. Hoffnung könnte dem neuen Unternehmen die „Alcione“ von Marin Marais machen, die 2008 im Odeon gezeigt wurde, und bei der sich das Publikum hat auf Wartelisten setzen lassen. Allerdings hat es sich bei der „Alcione“ um keine „konventionelle“ Produktion gehandelt, sondern die Aufführung war geprägt vom Stil des Serapionstheaters – also für das stark auf historische Authentizität bedachte femubav-Unternehmen wohl kein Vorbild. So bleibt für das neue Festival nur der steinige Weg an die Spitze und die Hoffnung auf ein langes finanzielles Durchaltevermögen.

Als erste Opernproduktion des neuen Festivals wurde „Idoménée“ von André Campra im Schönbrunner Schlosstheater gezeigt. Geplant waren vom 18. bis zum 25 Juni sechs Vorstellungen, die Vorstellung am 21. Juni musste aber wegen technischer Probleme abgesagt werden. „Idoménée“ ist eine gute Wahl gewesen, weil Mozarts „Idomeneo“-Libretto nach dem Libretto von Campras Oper gefertigt worden ist – allerdings mit der Auflage, den düsteren Tragödienschluss ins Gegenteil zu verkehren, um der Konvention der Opera seria Genüge zu tun. Bei Campra geht die Sache nämlich böse aus und Idoménée tötet Idamante. Außerdem hat Idoménée im Libretto von Antoine Danchet, das Campras Oper zugrunde liegt, ein starkes Auge auf Ilione geworfen, was ihn zum Nebenbuhler seines Sohnes macht. Robert Lillinger, der musikalische Leiter der Produktion, hat auf Basis des überlieferten Materials in aufwändiger Arbeit eine neue Partitur erstellt. Das Verhältnis dieser neuen „Wiener Fassung“ zur einzigen Einspielung der Oper, die von Les Arts Florissants unter William Christie stammt, wird vielleicht einmal ein Thema für die Musikwissenschaft sein.

Die Aufführung im gut gekühlten Schönbrunner Schlosstheater (bei Außentemperaturen von über 30 Grad) dauerte inklusive einer Pause drei Stunden und 45 Minuten. Man konnte bei ihr einen Komponisten kennenlernen, der viel dramatisches Gespür besessen hat, und dem es auch gelungen ist, viele emotionale Zwischentöne musikalisch anzusprechen. Den Prolog, der im Zeichen von Venus steht, durchweht eine bekömmliche Frische, Électre hat im Finale des ersten Aktes einen effektvollen Auftritt, der Sturm am Beginn des zweiten Aktes, mit dem „Idoménée“ an den Strand gespült wird, ist trefflich mit dem Chor gestaltet. Im dritten Akt gibt es eine lange, musikalisch reizvolle Szene mit Électre und u. a. duettierenden Querflöten.. Électre soll sich mit Idamante einschiffen, sie und das Volk flehen um günstige Winde. (Die Szene ist ein gutes Beispiel dafür, wie Tanzeinlagen und Chöre sinnvoll in die Handlung verwoben wurden.) Danach schlägt die Stimmung drastisch um, ein Sturm kommt auf, Neptun verhindert die Ausfahrt der Schiffe. Im vierten und fünften Akt wird den Gefühlen der Protagonisten viel Raum gegeben und sie werden sehr menschlich gezeichnet, bis letztlich alle Hoffnung in Leid umschlägt. Dadurch hat Campra den Figuren viel von ihrer mythologische „Unnahbarkeit“ genommen.

Der Inszenierung von Reinhard Hausner waren betreffs Ausstattung offensichtlich finanziell enge Grenzen gesetzt. Die braunen, aus Plisseestoff gefertigten Kostüme des Chores und einiger Darsteller, die dann noch mit Accessoires verschönt worden sind, haben nicht gerade zum optischen Wohlgefallen beigetragen. Électre mit ihrem roten Kleid war hingegen schon ansprechender ausstaffiert – daran hätte man sich orientieren sollen. Die Idee, die Bühne mit großen Kerzen zu schmücken, die auch umgruppiert wurden, und die auch das Orchester zum Publikum hin abgrenzten, schuf aber ein stimmungsvolles Ambiente. Im Hintergrund der Bühne wurden Fotos (Wolken u.ä.) auf eine nicht sehr große Leinwand projiziert, was ein wenig an die im prädigitalen Zeitalter so beliebten Diavorträge erinnerte. Eine Art Zelt, aus Stoffbahnen gefertigt, konnte je nach Szene als Gemach oder als Gebäude gedeutet werden. Manchmal hat Hausner Sänger aus dem Zuschauerraum auftreten lassen – Électre zum Beispiel bei ihrem Auftritt im ersten Akt. Die Choreographie der Tänze war sehr einfach gehalten. Die Choreographin Pia Brocza hat sich vielleicht an Illustrationen aus dem 18. Jahrhundert orientiert?

Das Ensemble bestand hauptsächlich aus jungen, hierzulande noch weniger bekannten Kräften, darunter Spezialisten wie der Haute-Contre Jonathan Spicher als Idamante mit einer feinfühligen, klaren Tenorstimme. Solenn’ Lavanant-Linke hat mit ihrem Mezzo das traurige Schicksal der Ilione gefühlsstark ausgemalt und harmonierte sehr gut mit Idamante. Richard Helm lieh Idoménée seinen eher hell timbrierten Bariton, spielte den Herrscher mehr als hölzernen Krieger, der in der Liebe mit dem Kopf durch die Wand möchte und schließlich alles verliert. Jasmina Sakr, die schon an der Komischen Oper Berlin die Susanna, aber auch an der Volksoper gesungen hat, gab eine selbstbewusste Électre. Der Sänger und Tänzer Yannis Francois führte einen schön timbrierten Bassbariton u.a. als Neptun und La Jalousie ins Feld. Als Orchester fungierte Les Vents Féeriques, Robert Lillinger leitete vom Clavecin aus.

Fazit: Die Ziele sind hehr, die Mittel noch nicht ganz gefunden, um den hochprofessionellen Anspruch des Festivals auch in der Praxis umsetzen zu können. Auf der vierten Umschlagseite des Programmhefts war jedenfalls schon der Hinweis auf das Jahr 2018 zu lesen, bei dem „Céphale et Procris“ von Élisabeth Javquet de la Guerre aufgeführt werden soll.