IL VENCESLAO
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Konzertante Aufführung
Museumsquartier Halle E
Theater an der Wien im Ausweichquartier
22. November 2022


Musikalische Leitung: Martyna Pastuszka

(oh!) Orkiestra

Venceslao - Max Emanual Cencic
Casimiro - Nicholas Tamagna
Alessandro - Dennis Orellana
Lucinda - Suzanne Jerosme
Erenice - Sonja Runje
Ernando - Dennis Orellana

Gismondo - Pavel Kudinov


„Vom Brudermörder zum König
(Dominik Troger)

Die dritte konzertante Opernaufführung des Theaters an der Wien in der Ausweichspielstätte des Museumsquartiers begann mit Trompetenklängen und führte das Publikum an den Hof des polnischen Königs Venceslao. Dieser hat Probleme mit seinen Söhnen, die sich beide in Prinzessin Erenice verliebt haben – und das wird fatale Konsequenzen haben ...

Casimiro, der eine Sohn, ist ein Hitzkopf. Er ist zwar mit der Königin von Litauen verlobt, will davon aber nichts wissen. Dass der schlachtengewinnende General Ernando als Lohn bei König Venceslao um die Hand von Erenice bittet, versetzt ihn in Rage. Inzwischen hat die litauische Königin die Initiative ergriffen und reist als Mann verkleidet an den polnischen Hof, um Casimiro zurückzugewinnen.

Dieser ziert sich und unternimmt einen Mordanschlag auf den Nebenbuhler, tötet im Irrtum aber nicht den General, sondern seinen Bruder Alessandro. König Venceslao ist verzweifelt, ist er jetzt doch Vater und Richter zugleich. Er dankt ab und macht den Sohn zum Nachfolger. Und die von Casimiro verschmähte litauische Königin holt sich ihren Verlobten wieder zurück. Komponiert hat die Oper „Il Veneceslao“ Antonio Caldara, Vizekapellmeister der Wiener Hofkapelle, das Libretto stammt von Apostolo Zeno. Uraufgeführt wurde sie im Jahre 1725.

Nach einer konzertanten Aufführung am 20. November 2022 in Polen reiste das Ensemble nach Wien, um dem hiesigen Publikum die Rarität zu präsentieren. Die fünfaktige Oper wurde in gekürzter Form gegeben, dauerte der Abend inklusive Pause doch gerade Mal zweieinhalb Stunden. (Die Zeitangabe im Programmheft mit dreieinhalb Stunden ist ein Irrtum.) Teils wurden nur Arien vorgetragen, an Rezitativen nur das Allernotwendigste geboten. Als Rahmen diente wieder das unerquicklich hässliche Bühnenbild der aktuellen Produktion von „La gazza ladra“. Doch man machte es sich klug zu Nutze: Die acht (!) Trompeter bezogen links und rechts im ersten Stock position, was akustisch guten Effekt machte. Man konnte sich vorstellen, wie sie von Türmen und Zinnen dem polnischen König Geleit blasen.

Die Ouvertüre mit der prunkvollen Bläserbesetzung hatte imperiale Größe – noch dazu, wenn der Spielort so nahe der Hofburg gelegen sich in den ehemaligen Hofstallungen befindet. Ansonsten bietet Caldara den Zuhörern viel italienisch-barocke Gesangsvirtuosität, garniert mit solistischen Schmankerln in der Orchesterbegleitung, sei es die bukolisch liebeklagende Oboe oder die Dirigentin Martyna Pastuszka selbst mit der Violine – und ein paar frühklassische „Ausblicke“ lassen einen schon an Joseph Haydn denken.

Max Emanuel Cencic steuerte den geplagten Vater & König bei. Er feiert heuer sein 40-jähriges Bühnenjubiläum. Cencic ist an sich schon eine „barocke“ Künstlererscheinung: Sänger, Regisseur, Festspielorganisator, Firmengründer usf. Nicht zuletzt seinem Engagement im Rahmen von Parnassus Arts Productions, wo er als künstlerischer Leiter fungiert, sind viele Wiederentdeckungen im barocken Opernrepertoire zu verdanken – und Caldaras anlässlich des Namenstages von Karl IV. uraufgeführte Oper „Venceslao“ ist das neueste Prunkstück in dieser Raritätensammlung.

Die Stimme von Cencic hat sich etwas „gesetzt“ und eine bronzene Grundierung angeeignet, die dem polnischen König seriöse Würde angedeihen ließ. Man darf diesbezüglich schon ein bisschen ins Schwärmen kommen, auch wenn die Halle E im Museumsquartier für Stimmfetischisten kein idealer Aufführungsort ist. Es fehlt den Stimmen das „Bouquet“ (und man kann nur hoffen, dass die Renovierung des Theaters an der Wien nicht mit akustischen Verschlimmbesserungen einher geht).

Das Ensemble um Cencic mischte bewährtes mit jungen, aufstrebenden Kräften. Nicholas Tamagna zählt seit Jahren zur countertenoralen Elite und gab den eifersüchtigen Brudermörder. Eine besonders sympathische Figur ist dieser Casimiro nicht, sogar sein Ratgeber und Vertrauter Gismondo muss sich eingestehen, dass nicht alles „rund“ läuft mit diesem Burschen. Pavel Kudinov lieh dem Gismono seinen schon in vielen Vorstellungen im Theater an der Wien erprobten Bass.

Als Alessanro konnte man mit Dennis Orellana einen außergewöhnlichen lyrischen Koloratursopran hören, im Timbre manchmal noch ein bisschen knabenhaft, der am Beginn einer großen Karriere stehen dürfte und so manche weibliche Sopranstimme auf sich eifersüchtig machen könnte. Orellana ist dem Alter nach gerade erst in seinen Twenties angekommen. Er übernahm außerdem ganz kurzfristig die Partie des Ernano von Stefan Sbonnik, der krankheitsbedingt absagen musste.

Suzanne Jerosme gewann als litauischen Königin Lucinde mit wendigem Sorpan ihren Verlobten zurück, den langsamen Arien fehlte ein wenig die Raffinesse und der über das ganze Stück gespannte Bogen. Sonja Runje lieh ihren leicht viril timbrierten Mezzo mit viel Erfolg der von drei Männern begehrten Prinzessin Erenice. Das {oh!} Orkiestra! unter Martyna Pastuszka war schon mehrmals bei konzertanten Operproduktionen im Theater an der Wien zu Gast und widmete sich auch Caldara mit viel Enthusiasmus und solistischer Virtuosität. Fazit: Eine interessante, mit Schwung dargebrachte Erstbegegnung, die vom Publikum mit viel Applaus bedacht wurde.

PS: Die Übertitelungsanlage machte ein paar Probleme. Leider gab es wieder kein Libretto im Programmheft und diesmal auch nicht mit QR-Code zum Downloaden. Die nicht ideale Beleuchtungssituation während der Vorstellung hat man schon seit konzertanten Aufführung am Samstag gelöst.