MARILYN FOREVER
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Kasino am Schwarzenbergplatz
18. April 2018
Produktion der Wiener Volksoper

Dirigent: Wolfram-Matia Märtig

Regie: Christoph Zauner
Bühnenbild: Jörg Brombacher
Kostüme: Mareile von Stritzky
Choreographie: Florian Hurler
Licht: Norbert Gottwald

Orchester der Wiener Volksoper
Jazztrio mit wechselnden Besetzungen
Jugenchor der Volksoper Wien

Österr. Erstaufführung am 14. April 2018

Marilyn - Rebecca Nelsen
Rehearsel Director / Various Men -
Morten Frank Larsen


Seelenbeschau eines Filmstars

(Dominik Troger)

Die Volksoper ist mit der Kammeroper „Marilyn Forever“ in das Kasino am Schwarzenbergplatz eingezogen. Rund 200 Besucher folgten von der vollbesetzten (!) Tribüne aus dem Abend. Komponiert hat den kurzen Einakter der Komponist Gavin Bryars.

Personen zum Gegenstand einer Oper zu machen, die als mythische Ikone des 20. Jahrhunderts praktisch allgegenwärtig sind, ist eine große Herausforderung. Bei Filmstars wie Marilyn Monroe ist die Herausforderung um so größer, weil sie durch die Allgegenwart ihrer Abbildung, durch ihre scheinbare lebendige Gegenwärtigkeit im Kino, eine visuelle Präsenz erlangt haben, die die Möglichkeiten des Theaters von vornherein kontrastriert. Das Publikum glaubt ihre Bewegungen und Gefühle zu kennen, ihr Lachen und ihre Küsse, ihre Beine und ihren Busen. Das Publikum begreift – im wahrsten Sinne des Wortes – Marilyn durch die Objektive der Filmkameras und Fotoapparate und die Membranen der Mikrofone, die ihren Körper eingefangen haben, ihre Bewegungen, ihre Sprache und nicht zu letzt ihren Gesang. Wer könnte also Marilyn besser darstellen, wer könnte besser von ihr Zeugnis ablegen, als sie selbst?

Der Komponist Gavin Bryars (*1943) hat sich auf diese Herausforderung eingelassen – und seine Kammeroper (Länge rund 75 Minuten) ist 2013 in Kanada uraufgeführt worden. Die Volksoper hat jetzt für die europäische Erstaufführung gesorgt. Komponiert wurde das Werk auf ein Libretto von Marilyn Bowering, das weniger auf Handlung und mehr auf „emotionale Episoden“ des Filmstars abzielt. Das Libretto gliedert die Oper in einen Prolog und acht Szenen, wobei die letzte Szene auch als Epilog aufgefasst werden kann. Die Grundlage für das Libretto bildeten eine Reihe poetisch ausgestalteter, Marilyns Seele erforschende Monologe, die Bowering bereits in den 1980er-Jahren verfasst hat.

Das Libretto folgt dem Lebensweg Monroes, zeichnet unter anderem ihren Karriereweg und ihre Ehen nach und endet mit ihrem Ableben. Die Handlung wird stark aus der Perspektive Marilyns erzählt, ihre Gefühle stehen im Vordergrund, die einzelnen, nur kurz angerissenen Lebensstationen haben wenig Kontur, speisen sich aus einer monologisierenden Hauptdarstellerin. Sie hat mit dem Rehearsel Director bzw. Various Men ein männliches Gegenüber, das in verschiedene Rollen schlüpft und wenig zu sagen hat. Ergänzt wird das Personal noch um einen aus sechs Männern bestehenden Chor, der als anonyme männliche Masse Marilyn bewundernd, aber auch zunehmend bedrohlich gegenüber steht. Obwohl die Oper in ihrer Kürze ein ganzes Leben umfasst, passiert wenig. Den Text durchzieht eine Poesie, die hart an der Grenze zum Kitsch („Der Himmel war rosa wie eine Geburtstagstorte ...“) und zu sentimentaler Traurigkeit manövriert – und manchmal nur mehr Platitüden abliefert („Wir sind einfach nur Motten um eine Flamme, Marilyn ...“, „Marilyn, als du gestorben bist hat die Welt ihr Licht verloren ...“ etc.).

Die Musik setzt vor allem auf „Intimität“ und mischt „symphonische“ und langsame, songartige Passagen, die wenig Abwechslung bieten. Bryars hat seinem acht Musiker umfassenden Kammerorchester ein Jazztrio (Klavier, Tenorsaxophon und Kontrabass) gegenübergestellt, das sich vorwiegend um Marilyn „kümmert“ und sich an der Jazzmusik der 1950-er Jahre orientiert. Das Jazztrio drängt Marilyn zu selbstreflexiven, ein wenig Richtung „Musical“ tendierende „Balladen“, bei denen trotz mancher Saxophoneinlage kaum Funken sprühen. Die Möglichkeiten, Marilyns Monologisieren durch den Männerchor zu kontrastieren, wurde vom Komponisten wenig genützt. Das Kammerorchester sorgt für eine dezente symphonische Untermalung, die in den besten Momenten zu einer spätstrauss’schen Melancholie findet. Selten treten deutlich minimalistische Strukturen in den Vordergrund, die (viel zu) kurz die Handlung befeuern und den vorwiegend maßvoll gewählten Tempi einen „Tritt“ geben. Kurz summiert: Dieser Musik scheint irgendwie das „Ziel“ zu fehlen – und so treibt sie, die träge Poesie des Librettos verstärkend, zu konturlos dahin und an den Ohren vorbei.

Die konventionelle Inszenierung von Christoph Zauner hat die große Spielfläche vor der in den Saal gepflanzten Zuschauertribüne mit einem großen, runden Bett, einem Sofa, einer Bar möbliert. Eine Statue zeigt Marilyn Monroe in dem berühmten Augenblick, in dem sich ihr Kleid über dem Lüftungsschacht bauscht. In manchen Szenen verkörpert ein Mädchen (stumme Rolle) Marilyns Kinderzeit. Zauner hat außerdem den Männerchor vom Orchestergraben auf die Bühne gebracht, um die Szene zu beleben (siehe Interview im Programmheft zur Aufführung), was eine gute Idee gewesen ist. Er hat gegen Ende des Stücks auch die Bedrohung, die der Herrenchor auf Marilyn ausübt, szenisch angedeutet – im Grunde sind es die Männer, die sie ins Grab gebracht haben.

Rebecca Nelsen formte Marilyn zu einer sensiblen Frau mit fragiler Psyche. Musikalisch lebte der Abend von ihrem leichtem, lyrischen Sopran, bei dem Marilyns Gefühle sehr gut aufgehoben waren. Morten Frank Larsen nützte die wenigen Möglichkeiten, als Rehearsel Director und Various Men stimmlich markantere Akzente zu setzen. Der Chor hätte sich mehr Aufgaben verdient – und ob das Orchester unter Wolfram-Maria Märtig ein bisschen mehr Pfeffer aus der Partitur hätte herausholen können, ohne den Komponisten zu kompromittieren?

Die dritte, hier rezensierte Aufführung wurde vom Publikum mit viel Beifall bedacht.