THE TEMPEST

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Staatsoper
14. Juni 2015
Österr. Erstaufführung

Dirigent: Thomas Adès

Regie: Robert Lepage
Bühnenbild: Jasmine Catudal
Kostüme: Kym Barrett
Licht: Michel Beaulieu
Choreographie: Crystal Pite

Koproduktion mit der Metropolitan Opera, New York, und L'Opéra de Québec

Prospero - Adrian Eröd
Ariel - Audrey Luna
Miranda - Stephanie Houtzeel
Trinculo - David Daniels
Caliban - Thomas Ebenstein
Ferdinand - Pavel Kolgatin
Antonio - Herbert Lippert

Stefano - Jason Bridges
Sebastian - Dan Paul Dumitrescu
Gonzalo - Sorin Coliban

Adès-Portal


„Kein Sturmtief in der Staatsoper
(Dominik Troger)

Die Wiener Staatsoper will sich in Zukunft vermehrt um zeitgenössisches Repertoire kümmern. Den Anfang machte „The Tempest“ von Thomas Adès. Die Produktion der 2004 in London uraufgeführten Oper erfolgte im Rahmen einer Koproduktion mit der New Yorker Metropolitan Opera und L‘ Opéra de Québec.

„The Tempest“ ist das, was man als „Literaturoper“ bezeichnen kann. Es ist nicht die erste Veroperung von Shakespeares „Der Sturm“ – und wie meist bei Opernfassungen bringen die Librettisten (in diesem Fall Meredith Oakes) Kürzungen an oder vereinfachen den Handlungsablauf. In diesem Fall wurde das Stück in drei Akte gepackt. Die Pause gibt’s in der Staatsopernproduktion erst nach dem zweiten Akt.

Auffallend war, dass der erste Akt nach der einleitenden Sturmmusik durch Prosperos lange Erzählung etwas abflaut, bis Ariel mit seinem Auftritt frischen Schwung in die Handlung bringt. Die Liebesszenen zwischen Miranda und Ferdinand (I. und II. Akt) sorgen für sentimentales Opernfeeling und erinnern ein wenig an die Liebesduette der „guten alten Zeit“ (so wie insgesamt manches Detail in der Instrumentierung). Es gibt „Rüpelszenen“ mit Caliban und der Chor wandert vom König von Neapel angeführt Ferdinand suchend auf der Insel herum. Im dritten Akt wird noch ein bisschen gezaubert, verlobt und verziehen. Eigentlich sind Ariel und Caliban die interessantesten Figuren der Oper – Ariel eine Art von gezähmter „Puck“, und Caliban ein Imperialismus geschädigter „Wilder“, der zeitweise dem Brandy verfällt.

Weil der Premierenabend von Teilen des Publikums mit rund 15 Minuten langem Applaus bedankt wurde (ganz ohne Missfallensbezeugungen), war es ein Erfolg. Das Werk war freilich „erprobt“ und hat seit der Uraufführung viele gute Kritiken bekommen. Im Gegensatz zu der bissigen und deutlich avantgardistischer angelegten Kammeroper „Powder Her Face“ (1995) bietet Adès mit der Musik zu „The Tempest“ viele Erinnerungen an Richard Strauss und Benjamin Britten – und setzt auf eine, mit Erfahrungen zeitgenössischer Kompositions- und Spieltechniken dezent angereicherte „Retro-Romantik“, die sich pragmatisch am Stück und am Publikum ausrichtet.

Allerdings – die anspruchsvollen Gesangspartien relativieren diesen „Pragmatismus“ schnell wieder. Die Partie des Ariel liegt beispielsweise geradezu extrem – und im Interview, das im Programmheft nachgelesen werden kann, hat Adès sogar angemerkt, er wäre sich nicht sicher gewesen, ob es jemanden gibt, der die Partie singen kann. Offenbar ist es aber gelungen, einen Koloratursopran für die Rolle aufzutreiben. Ariel ist stimmlich eine „Zerbinetta zum Quadrat“ – und die hohen Töne, die derart produziert werden, schmeicheln nicht immer dem Ohr.

Die Schwierigkeit der Gesangspartien lag ein bisschen wie ein Schatten über diesem Premierenabend. Adrian Eröds etwas statischer Prospero klang in der Tiefe nicht sehr wirkungsmächtig, setzte überhaupt mehr auf die melancholisch-philosophische Seite des Charakters. Könnte man sich in dieser Rolle nicht auch einen durchschlagskräftigeren (heldischeren) Bariton vorstellen? Vielleicht war es auch von Nachteil, dass Prospero oft als Zuschauer auf der Bühne stand und der Handlung nur zusah. Das nützte die Figur in der Wirkung ab, zumal die Regie sie nicht wirklich in dieser Beobachterrolle „interessant“ gemacht hat.

Eine leichte Beanspruchung war aus der begeisternden Leistung bei Audrey Luna als Ariel ebenso herauszuhören wie aus dem Charaktertenor des Caliban (Thomas Ebenstein), den Adès an seine Grenzen treibt – beide von der Bühnenpräsenz und dem Einsatz ihrer Mittel trotzdem für mich die überzeugendsten Mitwirkenden an diesem Abend. Stephanie Houtzeel war stimmlich der aktivere Teil des Liebespaares, weil ich mir für Ferdinand (Pavel Kolgatin) eine lyrische Tenorstimme vorstellen könnte, die mehr Schmelz aufträgt. Herbert Lipperts Tenor musste um den King of Naples etwas kämpfen, aber ihn trieb die Sorge um Ferdinand, seinen Sohn. Der Countertenor David Daniels gab als Trinculo sein Hausdebüt, aber die Partie ist nur kurz. Stefano (Dan Paul Dumitrescu) stand Trinculo mit „Brandytreue“ zur Seite. Jason Bridges (Antonio) und Sebastian (David Pershall) setzten keine Meilensteine. Sorin Coliban hat sich innerhalb des reichhaltigen Personals des Stücks noch mit seinem Bass empfohlen.

Regisseur Robert Lepage ließ die Handlung auf der Bühne eines Opernhauses spielen. Das fand ich – trotz einiger guter (Stunt-)Effekte wie Ariel auf dem drehenden Luster – wenig originell. Es gab schöne Kostüme und Prospero war mit maori-ähnlichen Verzierungen geschmückt. Gut war der Sturm am Beginn gelöst, mit einem großen Tuch als Meer. Thomas Adès trieb am Pult seinem Werk mit einem eher trockenen Klangbild die süffige Sentimentalität aus. Das hat mich überrascht.