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„Die Einzigartigkeit der Wiener Staatsoper in der gegenwärtigen Opernwelt“
Vortrag von Staatsoperndirektor Dominique Meyer, Kommentar Peter Dusek, Moderation Barbara Rett

Im Rahmen der Wiener Vorlesungen im Festsaal des Wiener Rathauses am 30. März 2011, 19.00 bis 21.00 Uhr.


Nun, Vortrag im eigentlichen Sinn war es keiner. Barbara Rett stellte Fragen, Direktor Meyers Antworten fielen immerhin manchmal fast vortragsartig aus. Peter Dusek, Historiker und bekennender Stehplatzfan, wurde von Rett für einige Erläuterungen „hinzugezogen“.

Die Begrüßungsworte des Veranstalters huldigten den Wiener Vorlesungen als einem „Projekt der Aufklärung“ und verglichen den kulturellen Anspruch der Wiener Staatsoper mit dem sportlichen der Kitzbühler Streif. Motto: „Hier müssen die besten Aufführungen stattfinden.“

Barbara Rett stellte Peter Dusek und Dominique Meyer als Opernenthusiasten vor – Dusek als „idealtypischen Operfan“ und auch Meyer wurde durch die Erwähnung eines 30 Stunden lang dauernden Anstellmarathons als solcher identifiziert.

Die erste Frage zielte dann gleich auf das Wesentliche: Was macht die Wiener Staatsoper so einzigartig? Meyer, der den ganzen Abend mit seinen Deutschkenntnissen brillierte, sprach daraufhin mehrfach von der „Eigenartigkeit“ der Staatsoper – und ich weiß nicht, ob ihm der feine Bedeutungsunterschied bewusst geworden ist.

Für Meyer liegt diese „eigenartige Einzigartigkeit“ in der Angebotsdichte des Wiener Musikwesens, in der Leidenschaft des Publikums und in dem vielfältigen Spielplan der Staatsoper – dessen Repertoirebetrieb an rund 300 Abenden im Jahr sich nur deshalb umsetzen ließe, weil auch Aufführungen ohne Probe gespielt würden. Diese Formel aus Vielfalt, Dichte und Publikum sei zudem nur möglich, weil es das Staatsopernorchester gäbe – und er habe ein sehr gutes Einvernehmen mit diesem Orchester. An seinem früheren Haus in Paris hätte er trotz des guten Orchesters nicht einmal im Traum daran gedacht, eine Aufführung ohne Probe spielen zu lassen.

Das Wiener Publikum kenne sich gut aus und habe viel Geschmack. Es wisse auch Sängerleistungen viel besser einzuschätzen als ein Publikum anderswo – und er zog, wie öfters an diesem Abend, wieder einen Vergleich mit Paris. Diese Passage veranlasste Peter Dusek zur Bemerkung: „Wenn man es als Sänger in Wien schafft, dann schafft man die größten Häuser der Welt.“

Dusek verankerte in Folge die besondere Musikliebhaberei der Wiener bei Kaiser Maximilian und seiner burgundischen Gattin und der Hofburgkapelle – dieser Versuch einer historischen Tiefenanalyse währte aber nur kurz, und in Folge erläuterte Meyer lang und breit die komplexen organisatorischen Herausforderungen des Repertoirewesens an der Staatsoper und seine Bemühungen, dem Orchester und den Sängern mehr Probezeiten zu ermöglichen. Meyer bekannte sich zudem zur Vielfalt des Repertoiresystems. Man habe in Paris 15 „Toscas“ und 24 mal „Schwanensee“ in Serie gespielt, das könne man in Wien nicht machen.

Dieser weitere Verlauf des Gesprächs war teilweise eine Themaverfehlung, aber dem charmanten Staatsoperndirektor, der oftmals seine Credo für Teamwork durchblicken ließ (Zitat: „Ich machen nie etwas allein, Oper ist Zusammenarbeit.“) hörte man gerne zu. Dabei erfuhr man auich, dass das Konzert zu Mahlers 100. Todestag zu einem Benefizkonzert für Japan umgewidmet wird .

Barbara Rett erzählte zum Abschluss vor den Publikumsfragen, dass Meyer bei einem gemeinsamen Rundgang im Haus zu Saisonbeginn zu ihr gesagt habe: „Riechen Sie es, ich habe alle Gänge neu ausmalen lassen!“ – und fügte hinzu, dass diese frischen Wände den hier arbeitenden Menschen zeigten, dass sie geschätzt würden.

Publikumsfragen

Bemerkenswert fand ich Meyers Ausführungen zur Kinderoper. Er ist der Meinung, dass eine Opernaufführung in einem großen Haus Kinder emotional viel stärker beeindruckt, als in einem Zelt. Es sei das „Erstaunen“ über den großen Raum. Es sei das Rätsel, dass man die Stimmen auch ohne Mikrofone so gut hören könne. Meyer möchte offenbar die Kinderoper vom Zelt auf der Hauptterrasse wieder ins Haus übersiedeln. Es werde auch überlegt, wie man speziell Jugendliche als Zielgruppe ansprechen könne. Eine Überalterung des Staatsoperpublikums wollte Meyer nicht festgestellt haben. Dazu kenne er die Wiener Verhältnisse zu kurz.

Er bekannte sich zur Kooperation mit anderen Wiener Opernhäusern wie dem Theater an der Wien. Schon alleine deshalb, um Premierentermine und den Spielplan abzustimmen. Abgesehen davon gibt es für ihn in der Kultur keine Konkurrenz. „Dieses Wort passt nicht zu Kultur“, so Meyer.

Auf die wohl provokant gemeinte Frage, ob er nicht „Opernmuseumsdirektor“ sei, antwortete er: „Ich finde das sehr angenehm, ich putze meine Malereien jeden Tag, und fühle mich dabei wohl, wenn ich meine Freundin ‚Elektra‘ oder ‚Arabella‘ treffen kann.“ Es müsse aber auch weitergehen. Deshalb plane er ab 2015 für jedes Jahr seiner Spielzeit eine Uraufführung. Ein Kompositionsauftrag ist offenbar schon vergeben. Von der Nachkriegsopernliteratur scheint er weniger zu halten, erst seit ein paar Jahren wachsen für ihn neue Opern „wie kleine Blumen im Gras“. Er erwähnte die erfolgreiche „Medea“. Die Komponisten würden jetzt wieder „freier“ sein, um Neues zu schaffen. Früher hätten wenige bestimmt, was richtig und was falsch sei.

Auch das leidige „Regietheater“-Thema wurde diplomatisch abgehandelt. Er suche Regisseure, die zu den Werken passen. Er habe aber auch lernen müssen, dass dieselbe Produktion an verschiedenen Spielorten ganz unterschiedlich aufgenommen werden kann. Er nannte konkret die aktuelle „Figaro“-Produktion der Staatsoper: ein Erfolg in Paris, Prügel von der Kritik in Wien. Seine Anmerkung, es brauche ein „bisschen Bildung“, um die „Figaro“-Inszenierung „verstehen“ zu können, zeigte, dass der Staatsoperndirektor die Kunst gut gesetzter Bemerkungen durchaus versteht.

Er sollte sich wenig später auch bei einer Frage nach dem Kartenverkauf darauf besinnen. Bekanntlich gelangen für begehrte Vorstellungen meist überhaupt keine Sitzplatzkarten mehr in den Schalterverkauf bei den Bundestheaterkassen. In dieser Sache, die man möglicherweise mit einer Kontingentierung je nach Verkaufskanal einfach in den Griff bekommen könnte, zeigte er sich stur. Er meinte etwas süffisant, jeden Tag wären 2300 Besucher im Haus und die hätte es alle geschafft, eine Eintrittskarte zu bekommen.

Der Besuch der Veranstaltung war sehr gut, der große Festsaal mit Publikum reichlich gefüllt. Abschließend machte Barbara Rett noch viel Werbung für einen österreichischen Fernsehsender.

operinwien.at © Dominik Troger