WEGE ZU MOZART 1987

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Wege zu Mozart: Don Giovanni

Natürlich wollen wir „alle Wege zu Mozart“ beschreiten. Aber die durchs Gestrüpp der Mozartinterpretation gelegten Pfade sind von ganz unterschiedlicher Beschaffenheit.

1987 wurde ein historischer Pfad betreten, ein Pfad, der von allen begangen werden sollte, die sich mit Mozarts „Don Giovanni“ beschäftigen. Warum? Weil er den Wildwuchs romantischer Traditionen durchbricht und einen Blick aufs aufklärerische Österreich unter Josef II riskiert. Herausgegeben hat den Band der Wiener Germanist Herbert Zeman.

Zeman hat auch den ersten Beitrag verfasst („Don Giovanni, Menschenwürde und moralische Gerechtigkeit“), in dem er festhält, was heutzutage so gerne vergessen wird: „Die Einfachheit und die weitgehende sprachliche Allgemeinverständlichkeit der von Mozart vertonten Libretti täuschen darüber hinweg, daß sie zweihundert Jahre alt sind. Sie bringen aber ein Lebensgefühl, das dem gegenwärtigen nicht mehr entspricht, auf die Bühne und leben somit aus einer heute nur mehr schwer zu verstehenden Welt- und Menschenauffassung: Die darauf fußenden ästhetischen-dramaturgische Konzeption ist der Gegenwart aber nicht spontan zugänglich und führt so leicht zu Mißverständnissen.“

Für ihn hat „Don Giovanni“ mit einem aufklärerischen Bildungsanspruch zu tun und mit einer zeitverhafteten Temperamentenlehre: Ziel ist die Balance des Gefühllebens, die Bildung von „Vernunft und Herz“, die wahre und zugleich vernünftige Liebe, kurz ein aufgeklärter Mensch mit moralischer Urteilsfähigkeit. Bei Don Giovanni sind alle Bemühungen vergebens, er bekommt, was er verdient. Den anderen Charakteren eröffnet sich die Chance zu reifen. Nicht Don Giovannis Ego steht im Mittelpunkt, nicht das rastlos getriebene Individuum, wie es schon wenige Jahrzehnte später E.T.A. Hoffmann so ausdrucksvoll beschwören sollte.

Man merkt, wie diese Betrachtungsweise den persönlichen Zugang verändert, wie das Schlusssextett an Bedeutung gewinnt, wie das Opernglas, mit dem wir egomanisch nur auf Don Giovannis zweifelhaften Lebenswandel starren, einen Sprung bekommt. Don Giovannis Taten regen in nachvollziehbarer Weise die ethischen Kräfte seiner Mitmenschen an. Ein zerstörerisches Liebesverhältniss zwischen Donna Anna und Don Giovanni ist nichts als Konstruktion. Don Giovannis Präsenz verliert viel von ihrer raubtierhaften Erscheinungsform.

(Aber wollen wir das überhaupt? In den genüsslich zelebrierten Gewaltorgien moderner Inszenierungen verhallt der Aufruf zur Selbsterkenntnis ungehört. Es regiert der Lebensekel einer entwurzelten Gegenwart, für deren Sinn-Losigkeit Don Giovanni zum heroischen Bannerträger wird. Bewundert und doch verteufelt stirbt er den Stellvertretertod...)

Der Band „Wege zu Mozart – Don Giovanni“ fasst die Ergebnisse eines Don Giovanni-Symposiums zusammen, dass im Jänner 1987 im Wiener Musikverein über die Bühne gegangen ist. Er enthält 19 Beiträge, die sich mit „Musikalischen Bedeutungsfeldern“ ebenso befassen wie mit der reichen Entfaltung des Don Juan-Stoffes in den europäischen Literaturen. Das Buch lebt vom interdisziplinären Meinungsaustausch und darf als österreichisch geprägter Beitrag zur Mozart-Forschung gelten.

Wege zu Mozart. Don Giovanni. Hrsg. von Herbert Zeman. Verlag Hölder-PiIchler-Tempsky. Wien 1987.

Don Giovanni-Portal - anlässlich des Mozartjahres 2006 - © Dominik Troger