JOSEF KRIPS 1955

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Don Giovanni, Studioaufnahme 1955, Dirigent: Josef Krips

Im Jahre 1955 hat Josef Krips mit den Wiener Philharmonikern den „Don Giovanni“- aufgenommen – die Titelfigur verkörperte Cesare Siepi. Diese Studioaufnahme sollte in keiner „Don Giovanni“-Diskographie fehlen, obwohl die Besetzung insgesamt ein wenig unausgewogen ist – und modernen Hörgewohnheiten vielleicht nicht mehr ganz adäquat.

Ob beispielsweise Anton Dermota heutzutage eine ähnlich erfolgreiche Karriere gelungen wäre? Diese Frage mag ketzerisch sein – noch dazu in Wien – aber seine Stimme klingt nicht nur auf dieser Aufnahme nüchtern, manchmal in den Piani leicht rauh und trocken, oft nasal gefärbt, und seine elegische Verhaltenheit muss man mögen. Gewiss glimmt in seiner Stimme inneres Feuer, aber diesem Glimmen wird kaum zum aufflammenden Durchbruch verholfen. Dermotas Gesang verspricht zudem keine makellose Technik, sondern gerade als Don Ottavio eine gewisse Askese des Leidens, die auch enervierend sein kann.

Die Belgierin Suzanne Danco steuerte die Donna Anna bei – für meinen Geschmack mit zu viel Vibrato und zu wenig klarer Tongebung. Die Stimme öffnet sich in der Höhe nicht mit gewünschter Leichtigkeit, die Töne werden eine Spur zu forsch angesungen, daraus entwickelt sich keine süffige Erotik oder verführerische Laszivität. Es fehlt Danco aber auch die unbedarften Reinheit einer Elisabeth Grümmer. Diese Donna Anna scheint mehr im Banne Don Ottavios zu stehen: ein unterschwelliges, unentflammtes Klagen, jugendlich und doch schon irgendwie gealtert, zuviel Konvention statt Herzblut. Ein Blick in die Fachliteratur, etwa Kutsch/Riemers Sängerlexion oder Kestings vierbändige SängerInnenbibel zeigt, dass man sich an Danco vor allem als Donna Elvira erinnert.

Doch genug der Einwände: Cesare Siepis Don Giovanni gerät dem Hörer rasch zum Suchtmittel – herrisch und herrlich schwingt sie durch die Lautsprechermembranen, mit Testosteron geschwängerter Farbenreichtum. Dabei klingt Siepis Bass immer bestimmend und unanfechtbar und krönt das Finale mit heldischer Note. Seine Stimme entwickelt eine fast körperlich zu nennende Gegenwart. Gewiß wird man geschmeidiger gesungene „Fin ch’han dal vino“s finden oder verführerische „Deh, vieni alla finestra“, aber hier obsiegt der Wille zur Verführung, der sich mit einem prächtigen Organ paart, das sich seiner faszinierenden Ausstrahlung völlig bewusst ist. In ihm lebt das sieghafte Selbstbewusstsein Don Giovannis, er muss es nicht erst extra herausstreichen: Das füllige Timbre seiner Stimme, ihr männliches Fluidum suggerieren den Zuhörerinnen und Zuhörern ein Idealbild, das wärmend aufstrahlt im Augenblick unhinterfragter Betrachtung.

Josef Krips am Pult sorgt dafür, dass diesem Don Giovanni der Mozart’sche Witz nicht abhanden kommt, dass sich das Dramma giocoso in schwebender Vereinigung der Gegensätze verwirklicht. Die Ouvertura dirigiert er eher langsam, im Verhältnis der beiden Teile sehr ausgewogen. Schon im Molto Allegro fällt die Behandlung der Violinen auf, die spitzbübisch aufbegehren, mit schlanker Keckheit – und das zieht sich als Mozarts Augenzwinkern durch die ganze Aufnahme wie ein roter Faden. Natürlich hätte Krips da und dort mehr Expressivität herausstreichen können – aber auf Kosten jenes aufklärerischen Einverständnisses, das in allen Gegensätzen ihre bewusste Aufhebung sucht, zum gemeinsamen Wohl eines ausgeglichenen moralischen „Ganzen“.

Berühmte Namen „ergänzen“ das Ensemble: Bei Lisa della Casas Elvira hat man allerdings den Eindruck, dass sie nicht weiß, warum sie Don Giovanni nachläuft. Franco Corena singt einen einigermaßen schlitzohrigen Leporello, Walter Berry einen deutschstämmigen Masetto, Hilde Güden eine silbrig-kecke Zerlina. Kurt Böhme erscheint als furchteinflößender, im Ausdruck aber doch irgendwie karger Commendatore, was aber ganz gut zu einer mächtigen Statue passt, der das Leben schon ein wenig abhanden gekommen ist ...

Fazit: Es sind vor allem Siepis unvergleichlicher Bass und das Spiel der Philharmoniker unter Josef Krips, die diese Aufnahme tragen.

Don Giovanni-Portal - anlässlich des Mozartjahres 2006 - © Dominik Troger