HERBERT VON KARAJAN 1987

Aktuelle Spielpläne
Forum
Opernführer
Chronik
Home
Don Giovanni- Portal

Don Giovanni, Salzburger Festspiele, Juli 1987, DVD
Dirigent: Herbert von Karajan

Der Salzburger Festspiel-„Don Giovanni“ des Jahres 1987 zeigt den greisen Imperator am Pult, das Orchester (Wiener Philharmoniker) schnurrt wie eine Hochglanzlimousine elastisch durch alle Drehzahlbereiche. Mit höchster Balance und Ausgewogenheit entsteht eine heile Opernwelt der Superlative, ein Festmahl distinguierten Ohr- und Augenschmauses. Es ist ein Don Giovanni voll Noblesse und feiner Patina. Der Karajan der Spätzeit ist ein Bollwerk des guten Geschmacks und eine Klangfabrik zugleich. Und wie die Karosserie vom teuren Lackschutzmittel strahlt die Musik. „His Legacy for Home Video“ heißt es so schön am Cover. Karajan war in technischen Dingen seiner Zeit weit voraus. In Sachen Inszenierungen war er es nicht (das hat auch seine guten Seiten).

Samuel Ramey ist ein herrschaftlicher Don Giovanni, gesanglich überzeugend, mit Adel und Nachdruck, etwas zynisch, aber nie sich selbst vergessend. Eine stolze Ikone des Libertinismus. Er darf zudem ein paar Mal das Kostüm wechseln, ihm steht Weiß ebenso gut wie das assoziative Rot des letzten Bildes. Aber wie steht es um sein Verhältnis zu Donna Anna?

Donna Anna versperrt Don Giovanni den Fluchtweg: sie schließt ein Tor ab, birgt den Schlüssel bei sich. Möchte sie verhindern, dass Don Giovanni flieht? Wäre sie bereit, ihm nachzugeben? Gibt es eine Beziehung zwischen beiden, die tiefer geht als die Hass- und Angstgefühle des Augenblicks? Ist es eine letzte Erinnerung an die romantische Lesart des Stückes, ehe Don Giovanni endgültig als brutalen Vergewaltiger in der Gosse endet? Der Komtur hat den Lärm gehört, er stapft herbei, um seine Tochter zu retten. Das Schicksal nimmt seinen Lauf...

Ich gebe zu, der Schluss ist seltsam. Der Komtur schwebt im Himmel, umgeben von Sternen in unterschiedlichen Größen, wie Malereien aus einem astronomischen Jahrbuch. Nach und nach färbt sich alles röter bis Don Giovanni und der „Steinerne Gast“ verschwunden sind. Eine Symbol für jenseitiges, für göttliches, dem Menschenverstand entzogenes Wirken? Jeglicher Spekulation ist Raum und Zeit geöffnet. Und der Teufel hat sich vertschüsst, hockt vielleicht in der Milliarden Jahre alten Materie und lacht sich eins.

Der Vergleich mit den Gestirnen verlockt: Donna Anna (Anna Tomowa-Sintow) bleibt mir sängerisch zu „erdenschwer“, während Kathleen Battle einen viel umkreisten „Liebesplaneten“ abgäbe. Julia Varady (Donna Elvira) wäre ein unruhiger, kantiger Komet auf der Suche nach einer männlichen Sonne mit starker Gravitation; Masetto (Alexander Malta) ein etwas grobschlächtiger Asteroid, der bäuerisch auf einen Liebesplaneten kracht; Leporello ein spitzgebirgiger Kleinkörper mit exzentrischer Umlaufbahn. (Der Leporello von Feruccio Furlanetto ist eine gediegen Mischung aus Diener, Schlitzohr und praktischem Verständnis.) Der Komtur, Paata Burchuladze, kümmerte sich um die tieferen Töne in der Sphärenharmonie. Gösta Winbergh ist ein männlicher Don Ottavio, schon von der Statur kein Schwächling. Er krempelt die Ärmel hoch, um Don Giovanni zu jagen – und bei allen Feinheiten im sängerischen Ausdruck: heutzutage wäre sein Don Ottavio sicher Luftwaffenoffizier mit einem Hang zum Astronautentum.

Sehr hübsch der blaue südländische Kulissenhimmel und die Dorfsilhouette mit den roten Dächern. Beide haben etwas von der guten alten Zeit.

Don Giovanni-Portal - anlässlich des Mozartjahres 2006 - © Dominik Troger