WALTER FELSENSTEIN 1966

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„Männlicher Narzismus“ oder „Was geschah in Annas Zimmer zwischen ihr und Don Giovanni?“

Sind es nicht immer dieselben Fragen, die gestellt werden? 1966 präparierte sich Walter Felsenstein für die Wiedereröffnung der renovierten Berliner Komischen Oper und machte sich seine Gedanken über Mozarts „Don Juan“.

Und auf den heutigen Betrachter wirkt Felsensteins „Don Giovanni“-Analyse ziemlich spießig. Der Erneuerer der Oper im Geiste eines modernen Musiktheaters verfängt sich mit seinen Überlegungen im Klischee einer aus männlichem Narzismus gespeisten „Don Giovanni“-Rezeption.

Glaubte doch auch Felsenstein an die „magische“ Wirkung dieser Opernfigur auf alle Frauen. Mit Sätzen wie: „Eine Vergewaltigung widerspräche völlig Giovannis Wesen und Prinzipien.“ schmeichelte er den angeblich unwiderstehlichen Verführungskünsten seiner Geschlechtsgenossen mehr als heutzutage noch verträglich scheint.

Warum Felsenstein auch immer vom „Weibe“ spricht? Don Giovanni habe eine Vergewaltigung gar nicht nötig, weil er das „Weib“ idealisiert. Das „Kirkegaard’sche Prinzip“ in Don Giovanni, könnte man interpretierend sagen, macht es gefügig. Deshalb: „Das Weib [...] erwidert das Begehren mit einer Leidenschaft, die es bisher nicht kannte und die es auch nie mehr vergessen kann.“ Und bis zur Begegnung mit Donna Anna habe sich nie (!) ein „Weib“ Don Giovanni widersetzt.

Für Donna Anna ist laut Felsenstein die nächtliche Begegnung mit diesem Unbekannten ein schicksalshaftes Ereignis. Es löst in ihr Angst aus – aber nicht nur „Angst“. Sie wird „von einem nie gekannten, ungeheuren Gefühl erfasst, dem sie sich nicht zu widersetzen vermag – die für Giovanni geborene Partnerin ist erwacht und stärker als Annas Bewusstsein.“ Jedoch: Donna Anna überwindet offenbar ihre Bestimmung, zeigt Don Giovanni die Rote Karte – und sie büßt für solchen „Frevel“ an Don Giovannis Männlichkeit mit einem frühen Tod. Denn Anna wird, so Felsenstein, das nächste Jahr nicht überleben.

Aber auch Walter Felsenstein ist mit seiner „Don Giovanni“-Produktion nicht glücklich geworden und hat sie bald wieder vom Spielplan genommen. Vielleicht fühlte er unbewusst, dass er hier mehr traditionelle Erwartungen erfüllt hat, als einem innovativen Theatermanne seines Schlages lieb sein konnte. Doch das sind natürlich nur Vermutungen.

Der Text „Was geschah in Annas Zimmer zwischen ihr und Don Giovanni?“ war im Programmheft zur Aufführung abgedruckt. Das berichtet das Booklet einer bei Arthouse Music erschienen DVD, die diese Wiedereröffnung dokumentiert. Felsensteins Analyse ist ihr als Bonusmaterial „beigepackt“.

Don Giovanni-Portal - anlässlich des Mozartjahres 2006-2011© Dominik Troger