E.T.A. HOFFMANN 1813

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E.T.A. Hoffmann: Don Juan – Eine fabelhafte Begebenheit, die sich mit einem reisenden Enthusiasten zugetragen.

Hoffmanns spiritistisches Tête-à-têtes mit Donna Anna in einer Theaterloge hat die Wirkungsgeschichte von Mozarts „Don Giovanni“ bis heute nachhaltig beeinflusst.

1813, ein Vierteljahrhundert nach der Uraufführung, schwelgt Hoffmann in der Vergötterung des Mozart’schen Meisterwerks. Er ist von der Musik fasziniert – und hat Probleme mit dem Libretto. Hoffmann schreibt: „Betrachtet man das Gedicht, ohne ihm eine tiefere Bedeutung zu geben, so daß man nur das Geschichtliche in Anspruch nimmt, so ist es kaum zu begreifen, wie Mozart eine solche Musik dazu denken und dichten konnte.“ Hoffmann quält die Frage, warum das lasterhafte, abstoßende Leben Don Giovannis Mozart zu solcher Musik inspiriert hat und warum sich der Teufel selbst um diesen Burschen kümmert. Hat die Hölle ihre Flammen, hat Mozart seine Musik nicht an einem unwürdigen Gegenstand verschwendet?

Es muss für Hoffman ein brennendes Problem gewesen sein, denn sonst hätte er die Lösung auf seine Frage nicht derart aufwendig inszeniert. Alles zeigt den Charakter einer Offenbarung. Schon sein Eintreffen in dem Gasthofe, an den sich überraschender Weise ein kleines Stadttheater anschließt, trägt jenen Zufall in sich, aus dem Propheten ihre Visionen schöpfen. Hoffmann entzündet am brennenden Dornbusch der Aufführung seine dichterische Phantasie. Nach Ende der Vorstellung, das Publikum ist nach Hause gegangen, schreibt er um zwei Uhr nachts seine Gedanken nieder. Er sitzt in der Loge, den leeren Zuschauerraum vor sich, von zwei kleinen Lichtern kaum erhellt, während der Bühnenvorhang sachte in der kühlen Zugluft bauscht. Die großen, bedeutenden Fragen des Menschengeschlechtes beschäftigen seinen Geist. Es ist sein Ansinnen, „Don Giovanni“ zum Nonplusultra von Mozarts Weltanschauung zu machen, und damit den Komponisten vor sich selbst und dem Libretto zu rechtfertigen. Durch das Dunkel des Raumes glüht Hoffmanns ekstatische Sprache wie ein durch Mozarts Musik geläutertes Nachglimmen des wüstlingverzehrenden Höllenbrandes. Donna Anna erscheint ihm in einer zweiten, flüchtigen Geist-Natur wie eine griechische Muse. Sie enthüllt E.T.A. Hoffmann die wahre Gestalt des Dramas.

Die Erde ist eine Arena in der göttliche und dämonische Kräfte miteinander im Kampfe liegen. Don Giovanni ist mit den besten Anlagen gesegnet, ein Mann, der zu blendenden Aussichten und Hoffnungen berechtigt. Doch die Fallstricke des Teufels bringen ihn zum Straucheln. Don Giovanni fällt seinem Erkenntnisdrang zum Opfer, sucht in der Liebe die Spuren des Göttlichen – und versinkt nach und nach in „wollüstigem Wahnsinn“. Donna Anna ist Don Giovannis weibliches Gegenüber, ebenso körperlich und geistig ausgezeichnet wie er. Sie wäre dazu bestimmt gewesen, Don Giovannis gottgesandter, geheiligter „Erkenntnisgegenstand“ zu werden. Aber sie begegnen sich zu spät. Don Giovanni ist vom Bösen schon korrumpiert, kann Donna Anna nur noch verführen, sie mit teuflischer Lust verderben.

Die moralische Komponente ist dabei nicht zu übersehen. Bei Hoffmann beginnt Don Giovannis Abstieg in die Gosse – in der er dann zweihundert Jahre später eifrig gesichtet werden wird: als krimineller Vergewaltiger. Hoffmann kann das Wirken einer volksnahen Aufklärung, die allen Ständen das positive Wirken von Vernunft und Harmonie predigt, wohl nicht mehr nachvollziehen. Er konstruiert sich seine eigene „Don Giovanni“-Philosophie. Er löst damit sein Interpretationsproblem, kittet den Zwiespalt zwischen Handlung und Musik – und macht dabei sogar Donna Anna zu seiner Mitverschworenen. Es mag etwas befremdlich erscheinen, dass Donna Anna derart in den Mittelpunkt rückt – und dass sich nach Hoffmann Generationen von „Don Giovanni“-Fans den Kopf darüber zerbrochen haben, ob Donna Anna wirklich verführt worden ist. Denn für den Fortgang der Handlung macht dieser Punkt eigentlich keinen Unterschied. Trotzdem, Hoffmanns Auffassung, die das „faustische Prinzip“ im „Don Giovanni“ entdeckt hat, muss immer noch in jede Auseinandersetzung mit dieser Oper einbezogen werden.

Wie man an Hoffmanns feurigen Worten erkennt, war ihm das Werk bestens vertraut. Er hat es in seiner Musikerlaufbahn selbst dirigiert. Er kannte auch die brennende Sehnsucht unerfüllter Leidenschaften: eben hatte er eine unglückliche Liebesgeschichte zu einer Gesangsschülerin hinter sich gebracht, als er, wohl im Städtchen Bamberg, über die Geistererscheinung der Donna Anna „stolperte“...

Hoffmanns Text ist im WWW auf unterschiedlichen Seiten verfügbar.

Don Giovanni-Portal - anlässlich des Mozartjahres 2006 - © Dominik Troger