SALZBURG 2006

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Don Giovanni in Aix-en-Provence, 2002, DVD
Regie: Peter Brook

„Don Giovanni im Leeraum“

Peter Brook inszenierte „Don Giovanni“ 1998 für das Festival in Aix-en-Provence, die Wiederaufnahme der Produktion 2002 wurde auf DVD veröffentlicht. „Don Giovanni“ präsentiert sich hier als sehr genau gearbeitetes Kammerspiel.

Der Altmeister des europäischen Theaters schickt den Titelhelden auf eine Reise durch den „leeren Raum“ der Bühne, und formt ihn zugleich als Kristallisationspunkt menschlicher Leidenschaften und Begierden. Ein Mesmer’sches Fluidium scheint von ihm auszuströmen, und die Menschen, die ihm begegnen, an einander und an ihn zu binden. Ein Geflecht von Beziehungen entsteht, eine Schicksalsgemeinschaft im Lachen und im Weinen. Von allen ergreift er Besitz und schmiegt und drängt sich in ihre Seelen ein.

In der Scena ultima kehrt Don Giovanni überraschend noch einmal wieder, mischt sich wie ein antiker Schatten abschiednehmend unter das Personal des Schlussensembles als Erinnerung an frühere Tage: Unerkannt bleibt er von den anderen, sehnsuchtsvollen Blickes sein Leben und seinen Tod mit sich tragend, wandernd durch den Hades und zugleich durch das Jetzt. Brook formt aus dem „Dramma giocosa“ eine Parabel über das menschliche Dasein. Er entlarvt keinen Schuldigen – bei ihm wird Theater zum Spiel und Spiegel des Lebens nach Shakespear‘schem Format.

Das Ausreizen der Partitur betreibt Daniel Harding am Pult des Mahler Chamber Orchestras – und dieser steigt mit einer rasanten Ouvertüre auf das Gaspedal: fünf Minuten und ein paar flüchtige Sekunden lang. Vor allem das Andante hat es ihm angetan, er hetzt es innerhalb von einer Minute barbarisch zu Tode. Nun, die Zeiten werden schnelllebiger, die Substanz verflüchtigt sich. In der Folge führt Hardings Interpretation zwar geschickt an den psychologischen Bruchlinien entlang, doch seine spröde Gangart bedarf der Gewöhnung.

Das Sängerteam ist auf Brooks Konzept eingeschworen. Es entsteht eine überzeugende Gesamtwirkung, die solange anhält, solange man zusieht. Dieser „Don Giovanni“ ist „sprechtheaternahe“: es scheint in gewisser Weise fast, als würde das gesungene Wort „gesprochen“.

So trägt alles den Charakter eines subtilen Spiels in sich, voll unterschwelliger Begierden und knisternder erotischer Spannung. Es gibt keine Dämonisierung Don Giovannis, keine Herabwürdigung seines unsteten Charakters, keine Glorifizierung seiner naturnahen Triebhaftigkeit. Don Giovanni verwirrt die Gemüter als sinnlicher Genießer, dessen brutaler Kern von einer weichen Schale umschlossen wird. Und manchmal hat es den Anschein, als ob er dieser Sinnlichkeit mit geschlossenen Augen folgte, weil er sich von jeder Frau das Paradies erträumt.

Ein 16 Minuten langes Interview mit Peter Brook ergänzt die DVD um wertvolles Bonusmaterial.

Don Giovanni-Portal - anlässlich des Mozartjahres 2006 - © Dominik Troger