Don
Juan 25. Mai 1869 – Eröffnung der neuen Wiener Hofoper
Aus
der Besprechung dieses Abends im Neuen Fremden-Blatt vom 26.5.1869:
„Wenn
wir nun speziell zur Besprechung der Eröffnungsvorstellung des „Don
Juan“ übergehen, so gestehen wir, daß uns damit keine
leichte Aufgabe geworden. Wie gern würden wir auch hier, vom rein
musikalischen Standpunkte aus, gleichsam zur „Weihe des Hauses“
einen möglichst glänzenden Erfolg konstatieren, und wie sehr
würden wir in diesem Fall von der Wahrheit abweichen. Die in vieler
Hinsicht herrlichste Oper aller Zeiten und aller Nationen, die im alten
Kärntnerthor-Theater so unzählige Male gezündet und entzückt
hat, ließ diesmal fast gleichgiltig. Wir glauben zwar, daß
es jeder anderen Oper ziemlich ähnlich ergangen wäre, da die
Menschen ja gewiß nur das neue prächtige Haus als solches,
nicht die Eröffnungsoper zum Besuche verlockt hatte, aber es haben
wohl auch andere Umstände zu der Halbheit des Erfolges beigetragen.
Da ist leider einmal die mangelhafte Akustik zu konstatieren, weniger
der Singstimmen, als dem Orchester nachtheilig, welch letzterem bekanntlich
in „Don Juan“ so eine wichtige Rolle zufällt. Die warm
pulsierenden, Geist und Herz mächtig bewegenden Mozart'schen Klänge
erkannte man diesmal kaum wieder. Zudem spielte das Orchester nicht so
völlig exakt, als man es bei einer Eröffnungsvorstellung erwarten
durfte. Im ersten Akt gab es unter Anderem bei Begleitung eines Recitativs
bedauerliche Verstöße in den Contrabässen.
Was die Wirkung der Singstimmen im neuen Hause anbelangt, so wird volle
Kraft und Gesundheit fast zur conditio sine qua non. Frau Wilt (Elvire)
und Herr Beck (Don Juan) hatten daher begreiflicher Weise den leichtesten
Stand. Herr Beck, zu dessen glänzendsten Partien bekanntlich der
„Don Juan“ gehört, vermochte es zuerst das Haus aus der
ceremonio's reservirte Stimmung zu einiger Theilnahme hinzureißen.
Reizend war Fräulein Tellheim als Zerline, auch ihr ward namentlich
im zweiten Akte großer Beifall zu Theil. Frau Dustmann sang die
Donna Anna mit Schwung und Leidenschaft, wie in ihren früheren glücklichsten
Tagen, leider merkte man ihr die übermäßige Anstrengung
mitunter störend an. Herr Rokitansky gab den Leporello lebendig,
aber wohl zu bajazzomäßig; Herr Walter war als Ottavio, wie
immer am Platze und erzielte namentlich mit der B-dur Arie, die heute
zum ersten Male seit vielen Jahren in die Oper aufgenommen wurde - sie
ist fast nur vom Konzertsaal her bekannt - großen Erfolg. So musikalisch
reizend diese Arie in ihrer süßen Innigkeit und reichen Ausführung
ist, so hält sie doch den dramatischen Verlauf der Handlung nur auf
und erscheint uns ihre Wiedereinsetzung in ihr kaum gebührende Rechte
bedenklich. Herr Mayerhofer brachte seine kleine Rolle (Masetto) zu befriedigender
Geltung, des gleichen Herr Schmid, die räumlich unbedeutende, aber
geistig so gewaltige Partie des Comthur. Die riesigen Verhältnisse
der Bühne bringen es mit sich, daß es schon eines sehr scharfen
Opernglases bedarf, um die mitwirkenden Künstler nicht als relativ
viel zu klein, bloße Pygmäen anzusehen. Daher wirkten die Soloszenen
weit weniger, als die größeren Ensemblestücke - Letzte
zeigten in ihrem Arrangement, vielleicht mit Ausnahme des eigentlichen
Schlusses der Oper, in welchem noch immer nicht die Vernichtung Don Juan's
in ihrer wahren, furchtbaren Bedeutung dargestellt wird, eine künstlerisch
leitende Hand. Wir glauben, je mehr in dieser letzten Szene hier bloß
angedeutet, in der Wirkung der Musik überlassen wird, um so großartiger
wird der Totaleindruck sein. Diesmal ließ man wenigstens Don Juan
nicht auf einem Rade über den Höllenflammen herumdrehen, sondern
über den eindringenden Dämonen schnell den Vorhang fallen, so
daß dadurch ein Orchesternachspiel - nach herabgelassenem Vorhang
nothwendig wurde, ein bedenklicher Vorgang mit Hinblick auf das rastlose
Drängen der Meisten nach der Garderobe hin. Daß Don Juan ganz
allein zur Nacht speist und sich dabei von einer Musikbande in seinem
Zimmer aufspielen läßt, erscheint uns noch immer unnatürlich.
Ebenso unbegreiflich ist es uns, daß man sich noch immer nicht von
der obligaten Reiterstatur des Comthurs emanzipierte - die Erscheinung
des steinernen Gastes in Don Juan's Zimmer zu Fuß, dabei aber so,
als derselbe steinerne Reiter (nicht als ein neuer Geist), der also von
seinem steinernen Gaul herabgestiegen ist, wodurch letzteres inzwischen
verwaist ist, gewinnt unwillkürlich einen prosaisch-lächerlichen
Anstrich. Vom Besten reden wir zuletzt, von den neuen Dekorationen nämlich
und vom Chor, welch letzterer in angenehmer Weise verstärkt, gerade
den Hauptpartien der Oper einen wirklichen Reiz verlieh. Der prächtige
Freiheitschor des ersten Aktes wurde so vorzüglich gesungen, wie
wir ihn im alten Hause nie gehört.
Was die Dekorationen anbelangt, so waren zwar alle mehr oder minder effektvoll
und fesselnd, einige aber, vor Allem Don Juan's Festsaal (Schlußdekoration
des ersten Aktes), dann die Vorhalle zu Don Juan's Villa mit den prächtigen
steinernen Herkulesfiguren, ferner eine Straße in Sevilla erregten
mit recht laute Bewunderung. Der Maler, Herr Brioschi, ward bei offener
Szene gerufen. Von den Costumen ist nichts Besonderes zu erwähnen,
doch berührten sie durch ihre Neuheit und Frische angenehm. Die auf
dem Theater spielende Tanzmusik hatte man möglichst charakteristisch
vom Hauptorchester zu scheiden versucht, wäre aber hierbei beinahe
zum ästhetischen Nachtheil der Gesammtwirkung zu weit gegangen. Kapellmeister
Prock leitete die ganze Vorstellung in energischer Weise - Herr Direktor
Hellmersberger begleitete das liebliche „Ständchen“ wie
immer sehr virtuos, leider aber noch immer mit vollem Bogen - und daher
viel zu stark.“
Don
Giovanni- Portal -
anlässlich des Mozartjahres 2006 - ©
Dominik Troger |
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