Die
ersten „Don Juan“-Aufführungen in Wien
Auszug
aus Rudolf von Freisauff: Mozart’s Don Juan 1787-1887. Ein Beitrag
zur Geschichte dieser Oper. Herausgegeben anlässlich der 100jährigen
Jubelfeier der Oper „Don Juan“ von der „Internationalen
Stiftung Mozarteum in Salzburg“. Salzburg 1887. S45ff.
Der glänzende Erfolg, welchen „Don Juan“ in Prag errungen,
war in Wien alsbald bekannt geworden. Die „Wiener Zeitung“
(vom 14. November 1787, Nr. 91) hatte den Bericht der „Prager Oberpostamtszeitung“
vom 3. November nachgedruckt (1), und wohl auch auf privatem
Wege mochte so manche Nachricht über das Werk in die Kaiserstadt
an der Donau gedrungen sein, welche dem Ansehen Mozart’s gerade
an jener Stätte, an der er bisher am meisten verkannt worden war,
fördernd an die Seite trat. In den Verhältnissen des Meisters
machte sich unverkennbar eine Wendung zum Besseren geltend. Die Worte
Jos. Haydn’s, der allezeit neidlos die Grösse und Bedeutung
seines jungen Freundes Mozart anerkannt hatte: „Mich zürnt
es, dass dieser einzige Mozart noch nicht bey einem kaiserlichen oder
königlichen Hofe engagirt ist“, (2) fanden, wenn auch
unbewusst, ihre Würdigung rascher, als Haydn selbst geahnt haben
mochte.
Am 15. November war Gluck mit Tod abgegangen.
Don Juan’s Erfolge in Prag mochten die Aufmerksamkeit Kaiser Joseph’s
wieder auf den Meister gelenkt haben, dessen Absicht nach London zu gehen,
ihm gewiss auch bekannt geworden war. Vielleicht um das letztere zu verhüten,
wurde Mozart am 7. December 1787 zum k. k. Kammermusicus mit einem Gehalte
von 800 Gulden ernannt. Viel war dies just nicht, und der Meister hatte
vollkommen Recht, als er einmal im Unmuthe darüber, so wenig beschäftigt
zu sein, äusserte: „Zuviel für das, was ich leiste, und
zu wenig für das, was ich leisten könnte.“ Allein mit
seiner Ernennung hatte er doch endlich eine feste Anstellung mit gesichertem
Einkommen erworben, und das war für ihn, der ja bisher nur auf das
angewiesen war, was ihm seine Compositionen in unregelmässigen Zeiträumen
eintrugen, immerhin ein Gewinn. Das er damals aber lieber noch auf die
Anstellung verzichtet hätte, wenn nur sein „Don Giovanni“
in Wien aufgeführt worden wäre, darf man als nahezu gewiss annehmen.
Mit der Erfüllung dieses sehnlichen Wunsches des Meisters hatte es
indess noch seine guten Wege. Dafür sorgte zunächst Salieri,
der eben daran war, seine neue Oper „Axur“ zur Aufführung
zu bringen. Er setzte alles ins Werk, um dieselbe so glanzvoll als möglich
zu inscenieren. Die eben am Repertoire befindliche Oper Cimarosa’s
„L’amore costante“ gefiel nur mässig und war ihm
daher nicht gefährlich. Wohl aber konnte dies Mozart’s „Don
Giovanni“ werden, wenn diese Oper vor „Axur“ in Scene
ging. Das musste verhütet werden. Und der schlaue Italiener setzte
auch diesmal seinen Willen durch. Don Juan wurde nicht zugelassen; wohl
aber gelangte am 8. Januar 1788 anlässlich der am 6. Januar stattgefundenen
Trauung des Erzherzogs Franz mit der Prinzessin Elisabeth von Württemberg
„Axur“ als „Freispectakel“ zur Aufführung,
und zwar mit durchschlagendem Erfolg, der eben so sehr der gefälligen
Musik, wie nicht minder der lebendigen, mit glänzendem Aufwande ausgestatteten
Handlung zuzuschreiben war. Von Vorstellung zu Vorstellung steigerte sich
der Beifall des Publicums, der Kaiser insbesondere war entzückt von
der Oper und allgemein wurde „Axur“ als seine Lieblingsoper
bezeichnet. Dass dadurch die Chancen für eine baldige Inscenesetzung
des „Don Giovanni“ noch geringer wurden, ist selbstredend.
Salieri war nicht der Mann, der nicht einen Erfolg bis zum Aeussersten
ausgenutzt hätte. So musste denn Mozart sich abermals in Geduld fassen,
bis endlich der Machtspruch des Kaisers die Aufführung des „Don
Juan“ anordnete. Ehe es indess dazu kam, hatte Mozart mit den Sängern
noch sein schweres Kreuz. Die Cavalieri – eine Sängerin, von
welcher ein Zeitgenosse sagt, dass sie „den grössten Sängerinnen
Italiens an die Seite gesetzt zu werden verdiene und in Italien überall
vergöttert werden würde, während in Wien kein Mensch ein
Zeichen der Bewunderung laut werden lasse – „war mit der Partie
der „Elvira“, so wie sie in Prag gesungen wurde, nicht zufrieden;
sie verlangte eine grosse Arie. Mozart entsprach ihrem Wunsche und schrieb
(unterm 30. April) die wunderbare Arie: Mi tradi quell’alma ingrata.
Gleiche oder doch ähnliche Wünsche wie die Cavalieri hegte der
Träger des Don Ottavio, Signore Morella, und um der Lachlust des
grossen Publicums zu fröhnen, musste der Meister auch noch für
ein derb komisches Duett zwischen Zerline und Leporello sorgen. Mozart
verstand sich nur ungern zu den Aenderungen und Einschaltungen.
Die
erste Aufführung des „Don Juan“ fand am 7. Mai 1788 statt.
Der Theaterzettel berichtete diesfalls:
Neues Singspiel.
Im k. k. National-Hoftheater wird heute Mittwoch den 7. Mai 1788 aufgeführt:
(Zum ersten Mahle:)
Il Dissoluto punito, osia: Il Don Giovanni.
Eyn Singspiel in zwey Aufzügen.
Die Poesie ist vom Herrn Abbate da Ponte, Dichter des Italiänischen
Singspiels beym k.k Theater
Die Musik ist vom Herrn Wolfgang Mozzart, Capellmeister in wirklichen
kayserlichen Diensten.
Die Bücher sind bloss italiänisch beim Logenmeister für
20 kr. zu haben.
Der Anfang ist um 7 Uhr.
Ein
Verzeichnis der Darsteller enthielten damals die Theaterzettel nicht;
doch sind die Träger der Hauptpartien alle bekannt. Es sangen Signore
Steffano Mandini (3) die Titelrolle, Signora Aloysia Lange die
Donna Anna, Signora Caterina Cavalieri die Donna Elvira, Signore Francesco
Morella den Don Ottavio, Signore Benucci (4) den Leporello und
Signora Luise Mombelli die Zerline. Den Don Pedro (Gouverneur) und den
Masetto sang Signore Francesco Mombelli. Die Besetzung war mithin eine
sehr gute, so dass man auch eine vortreffliche Aufführung erwarten
konnte. Trotzdem aber gefiel Don Giovanni den Wienern nicht, sie verstanden
das Werk Mozart’s eben viel zu wenig. Kaiser Josef meinte: „Die
Oper ist göttlich, vielleicht noch schöner als Figaro, aber
das ist keine Speise für die Zähne meiner Wiener.“ Als
da Ponte diesen Ausspruch zur Kenntnis Mozart’s brachte, erwiderte
dieser trocken: „Lassen wir ihnen Zeit zu kauen.“ Und wirklich
fanden die Wiener allmählich doch Geschmack am Don Juan, der auf
Mozart’s Rath und durch da Ponte’s Vermittlung rasch hintereinander
gegeben wurde. Die unvergänglichen Schönheiten de Meisterwerkes
übten schliesslich auch in Wien ihre Wirkung, der Beifall steigerte
sich mit jeder Vorstellung.
Bezüglich der ersten Aufführung beschränkte sich die „Wiener
Zeitung“ vom 10. May 1788 Nr. 38 (Anhang) auf folgende kurze Notiz.
„Im k. k. Nationaltheater wurde Mittwoch den 7. May das erstenmal
vorgestellt: il Dissoluto punito, osia il Don Giovanni. Ein Singspiel
in zwey Aufzügen, vom Herrn Abbate da Ponte, Operndichter des k.
k. Theaters. Die Musik ist von Herrn Wolfgang Mozzart, Capellmeister in
wirklichen Diensten des kayserlichen Hofes.“
(...)
Im Jahre 1788 wurde „Don Juan“ in Wien im Ganzen fünfzehnmal
– die Erzählung Lange’s, diese Oper sei nach der dritten
Aufführung ad acta gelegt worden, beruht offenbar auf einem Irrtum
– gegeben und zwar am 7., 9., 12., 16., 23., und 30. Mai, 16. und
23. Juni, 5., 11. und 21. Juli, 2. August, 24. und 31. October, zuletzt
am 15. December. Dann freilich verschwand sie vom Repertoire um erst wieder
am 11. December 1798 im k. k. Hoftheater nächst dem Kärtnerthore
aufzutauchen. Dazwischen fiel wol eine Aufführung im Wiedener Theater
am 5. November 1792 in einer recht elenden deutschen Bearbeitung von Spiess,
die vermuthlich Schikaneder beeinflusst haben dürfte.
In der Theaterrechnung von 1788 bis 1789 steht verzeichnet: „Dem
Da Ponte Lorenz für Componirung der Poesi zur Opera il Don Giovanni
– 100 Fr. und dem Mozart Wolfgang für Componirung der Musique
zur Opera il Don Giovanni – 225 Fr.“
(1)
Prager Oberpostamtszeitung 3.11.1787: „Montag den 29. Wurde von
der italienischen Operngesellschaft die mit Sehnsucht erwartete Oper des
Meisters Mozard „Don Giovanni“ oder „Das steinerne Gastmahl“
gegeben. Kenner und Tonkünstler sagen, dass zu Prag ihres Gleichen
noch nicht ausgeführt worden. Hr. Mozard dirigirte selbst, und als
er in’s Orchester trat, wurde ihm ein dreymaliger Jubel gegeben,
welches auch bei seinem Austritte aus demselben geschah. Die Oper ist
übrigens äusserst schwer zu exequiren und jeder bewundert dem
ungeachtet die gute Vorstellung derselben nach so kurzer Studierzeit.
Alles, Theater und Orchester, bot seine Kräfte auf, Mozarden zum
Danke mit guter Exequirung zu belohnen. Es werden auch sehr viele Kosten
durch mehrere Chöre und Dekorazion erfordert, welches alles Herr
Guardasoni (der Regisseur der Oper) glänzend hergestellt hat. Die
ausserordentliche Menge der Zuschauer bürgen für den allgemeinen
Beifall.“ (Zitiert nach: Rudolf von Freisauff: Mozart’s Don
Juan 1787-1887. Salzburg 1887)
(2)
Enthalten in einem Briefe, den Haydn Anfangs December 1787 an einen Freund
in Prag schrieb.
(3)
Steffano Mandini galt als einer der ersten Buffosämger seiner
Zeit und machte, als er 1789 nach Paris ging, dortselbst ausserordentliches
Glück. Sowohl in Bezug auf Stimme und Gesangsbildung, wie als Schauspieler
war einer der vorzüglichsten Künstler.
(4)
Benucci war ein Lieblingssänger Mozart’s, der auf ihn grosse
Stücke hielt und für den er auch den Figaro schrieb; er galt
für den besten Buffo, den man in Wien gesehen. (...)
Don
Giovanni- Portal -
anlässlich des Mozartjahres 2006 - ©
Dominik Troger |
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