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Nachruf auf Franco Bonisolli

+ Franco Corelli (1921-2003)
+ Franco Bonisolli (1938-2003)

Während ich Franco Corelli nicht mehr selbst auf der Bühne erlebt habe, ist die Erinnerung an Franco Bonisolli immer noch frisch – und er ist auch immer eine sehr „erfrischende" Bühnenerscheinung gewesen. Da war jeder Abend ein Abenteuer und eine Mischung aus tenoralen Höhenflügen und schauspielerischer Leidenschaft. Bonisolli hat das Publikum entzweit, wie wenig andere SängerInnen, sein Schluchzen und seine Attitüden haben viele gemocht und viele nicht gemocht. Die einen labten sich an seinen kraftvollen Höhen und seinem sängerischen Feuer, dass in der Troubadur-Stretta nicht nur sinnbildlich seine Vollendung erfuhr, die anderen fanden für seine extrovertierten Rollengestaltungen Ausdrücke wie „Kasperliaden“ und sprachen ihm jegliche künstlerische Ernsthaftigkeit ab. Eines war Bonisolli jedenfalls nie: langweilig. Denn entweder sang er ganz einfach prachtvoll und mit aller ihm zur Verfügung stehenden Inbrunst oder er ließ sich, wenn es einmal gesanglich nicht so gut lief, zu fast burlesken schauspielerischen Übertreibungen hinreißen. Was er sang, das war immer getragen von vollster Emotionalität, das war Oper der Leidenschaften, sei es Liebe oder Hass, denen er rücksichtslos und ohne Schonung (oft genug auch seiner Stimme) zu angreifbarer Gegenwart verhalf.

Neben dem Manrico war der Rigoletto-Herzog sicher eine seiner besten Partien. Stürmisch näherte er sich seiner angebeteten Gilda, mit Süffisanz und Leichtsinn brachte er die „beweglichen Frauenherzen“ zum Flattern. Er war der Herzog „in persona“, voller renaissancehafter Fülle und Lebensfreude. Bonisolli lebte auf der Bühne in ständigem Dialog mit dem Publikum, er agierte mimisch und gestisch mit ihm – das Dargebotene hatte immer auch Showcharakter, wurde manchmal fast zu einer clownescen Hinterfragung des Genres Oper. Da konnte er dem Dirigenten, wenn ihm etwas nicht passte, von der Bühne herab mit dem gezückten Degen drohen, oder einen gestischen Kommentar zum Bühnengeschehen abliefern. Mehr als einmal kam er nach bereits herabgelassenem Eisernen Vorhang noch einmal an der Seite heraus, sprang auf die Bühne und badete sich im Applaus der Fans. (Oder er setzte sich ganz respektlos auf den Souffleurkasten und dirigierte die Bravo-Stürme und den darein gemischten Buh-Orkan, wenn es wieder einmal kontroversiell zuging.)

In der Saison 1999/00 gelang ihm, nach langen Jahren der Abwesenheit, ein Comeback. Man genoss noch einmal seine Intensität, seine gut erhaltene Stimme. Aber viel zu rasch ist diese höhere Weisheit eines „Opern-Narren“ versiegt, seine lebenslustige südländische Musikalität und Ausdrucksfreude, die mir und allen, die ganz einfach nur „opern-närrisch“ sind, sehr abgehen wird.